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Topic of the Year

Professor Otmar Issing, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, Closing address at the "Topic of the Year" organised by the Group of 20 + 1 in Frankfurt, Frankfurt am Main, 13 January 2003

Zum Jahreswechsel in einer besinnlichen Stunde oder vielleicht auch nur in einer Minute der Silvesternacht überfliegen wir in unseren Gedanken das abgelaufene Jahr mit seinen Ereignissen und blicken gleichzeitig nach vorwärts auf das, was uns das neue Jahr bringen mag. Nach demselben Verfahren sehe ich zunächst 2002 als das letzte Jahr spezifischer Herausforderungen an die Europäische Zentralbank als neue Institution. Nach dem Beginn unserer Geldpolitik 1999, der Schaffung des einheitlichen Geldmarktes, der Implementierung unserer Instrumente und nicht zuletzt dem Beginn der Geldpolitik für einen neuen Währungsraum brachte der Anfang des letzten Jahres mit der Ausgabe der neuen Banknoten noch einmal eine Aufgabe, wie sie etablierte, sozusagen "normale Notenbanken" nicht zu bewältigen haben. Auch diese Schwierigkeit, die größte logistische Herausforderung in Friedenszeiten, haben wir dank harter Arbeit mit einem Ergebnis gemeistert, das alle Erwartungen, die unsrigen eingeschlossen, weit übertroffen hat. Ich müsste mich fast bei allen entschuldigen, die in ihrer Schublade schon die Artikel fertig liegen hatten über unabsehbare Unfälle, kilometerlange Schlangen vor den Umtauschstellen etc. Ich kann mir dies sparen, da diese Kollegen heute ohnehin nicht anwesend sind.

Die Erfolge der ersten vier Jahre – ich denke dabei auch an den Milleniumswechsel – wären gewiss nicht möglich gewesen ohne die hervorragende Zusammenarbeit mit den nationalen Notenbanken und den Einsatz vieler Menschen europaweit in verschiedenen Institutionen – von der Großbank bis zum Tante-Emma-Laden. Lassen Sie mich aber schon an dieser Stelle auf den größten Aktivposten in der EZB hinweisen, nämlich das Potential an hoch motivierten und bestens qualifizierten Mitarbeitern, wie es seinesgleichen in der Welt suchen mag. Für mich persönlich ist es jedenfalls täglich eine wunderbare Erfahrung, mit jungen Menschen aus den 15 Ländern der Europäischen Union an dem gemeinsamen Ziel arbeiten zu dürfen, den Euro zu einem Erfolg, d.h. zu einer dauerhaft stabilen Währung zu machen.

Die Einführung der Banknoten oder genauer gesagt, die Umstellung auf Euro-Preise war freilich begleitet von einer Entwicklung, die in Deutschland unter dem unseligen Namen "Teuro" sogar zum Wort des Jahres geführt hat. In unserer Analyse lagen wir gewiss richtig: Der Einfluss auf das allgemeine Preisniveau war merklich, aber begrenzt. Gewaltig unterschätzt haben wir jedoch die Auswirkungen des deutlichen Anstiegs einzelner Preise, vor allem bei solchen Produkten und Dienstleistungen, die besonders ins Bewusstsein eingehen, auf die Wahrnehmung der Menschen. Obgleich ich persönlich niemals die Inflation als ein rein mechanisches Problem verstanden habe, - die Erfahrungen der deutschen Währungsgeschichte, die Kenntnis der Literatur bis hin zur "Psychologie des Geldes" seien nur erwähnt – haben wir doch alle hinzulernen müssen, dass es ein Phänomen wie "gefühlte Inflation" gibt, d.h. eine Vorstellung allgemeiner Preissteigerungen, die weit und vor allem hartnäckig über der durchaus korrekt gemessenen Preissteigerung liegt. Ich bin zuversichtlich, dass es sich hier nur um ein temporäres Phänomen handelt, allein die unverändert niedrigen Inflationserwartungen sprechen dafür, doch führt kein Weg daran vorbei, dass die Akzeptanz der neuen Währung in breiten Schichten der Bevölkerung unter diesem "Inflationsgefühl" gelitten hat. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass es keine Möglichkeit gab, diese Entwicklung zu vermeiden.

Zum Jahreswechsel geht der Blick nicht nur auf 2002, sondern auf die ersten vier Jahre Geldpolitik der EZB zurück. Das sind vier Jahre Erfahrungen mit einer außerordentlich guten Zusammenarbeit im Direktorium und im EZB-Rat, vier Jahre der Kommunikation in erster Linie durch die Pressekonferenz des Präsidenten und unseren Monatsbericht, vor allem aber vier Jahre, in denen es uns gelungen ist, trotz einer Serie von negativen Preisschocks die Inflationsentwicklung in Grenzen zu halten. Wenn unter den genannten Umständen die Inflationserwartungen immer in Übereinstimmung mit unserem Verständnis von Preisstabilität geblieben sind, dann kann dies wohl als eine nicht geringe Errungenschaft für eine neue Institution und eine so junge Währung gelten. Anlass zur Zufriedenheit – ganz gewiss, Anlass zu Überheblichkeit und Sorglosigkeit, keineswegs. Und lassen Sie mich hinzufügen: dieser Gefahr sind wir auch nicht wirklich ausgesetzt.

Die Jahre des Beginns, die Jahre der Existenz der EZB als neue Institution sind vorüber. An neuen Herausforderungen wird es freilich nicht mangeln. Für jede Notenbank, so auch für die EZB, steht dabei an erster Stelle die Aufgabe, gemäß unserem Mandat die Preisstabilität zu erhalten. In weiten Kreisen hat sich die Sorge dabei auf die andere Seite der Medaille, d.h. die Gefahr der Deflation gerichtet. Ich habe an anderer Stelle ausführlich meine Einschätzung dazu vorgetragen und möchte mich daher nicht wiederholen. In aller Kürze: Wir sind nicht auf einem Auge blind, wir haben – um ein Wort Samuelsens zu paraphrasieren, zwei Augen, um Risiken der Deflation wie der Inflation zu beobachten.

Die sozusagen "ewigen" Gegner der Geldpolitik sind Inflation und Deflation, also die Gefährdung der Preisstabilität. Entscheidend für den dauerhaften Erfolg ist die Wahl der richtigen Strategie. Wenn ich in diesem Zusammenhang an den Beginn der Geldpolitik der EZB denke für einen neuen Währungsraum, mit einem großen Entscheidungsgremium, für das die Dominanz nationaler Interessen befürchtet bzw. unterstellt wurde, so kann ich nur eine positive Bilanz unserer Erfahrungen ziehen. Die Zwei-Säulen-Strategie der EZB hat sich unter schwierigen Umständen außerordentlich gut bewährt. Die Strategie hat uns erlaubt, die Sitzungen strukturiert vorzubereiten, sie hat einen Rahmen für unsere Diskussionen im Direktorium und im Rat geboten, und unsere geldpolitischen Entscheidungen geleitet. Das Ergebnis hat alles in allem Zustimmung gefunden, das Urteil der entscheidenden Jury, der Finanzmärkte und der Öffentlichkeit, drückt dies in anhaltend niedrigen Inflationserwartungen aus.

Die ständige kritische Begleitung unserer Strategie durch ECB-Watchers aller Kategorien ist für mich nicht etwa ein lästiges Geräusch, sondern ein für uns hilfreicher, ja notwendiger Prozess. Alle in der Geldpolitik verwendeten Indikatoren müssen immer wieder auf ihren Informationsgehalt für die mittelfristige Preisentwicklung überprüft werden. Dies gilt auch für die monetären Indikatoren. Mit unserer Entscheidung für eine herausgehobene Rolle der Geldmenge haben wir uns ganz bewusst einen besonderen Erklärungszwang auferlegt. Das ist natürlich nicht immer bequem. Um auf den Eingangsgedanken zurück zu kommen: Wenn Sie nach Weihnachten Ihr Gewicht kontrolliert haben, dann dürften Sie wohl automatisch eine Art "Referenzwert" im Bewusstsein angewendet haben, der Ihnen die noch oder nicht mehr tolerierbare Abweichung signalisiert. Wie Sie wissen, haben wir im Dezember den Referenzwert von 4,5% für M3 erneut bestätigt. Privat dürfte sich allerdings die Frage nicht stellen: Liegt es am Bauch oder liegt es am Maßband? Für M3 haben wir jedenfalls erklärt, warum wir das Maßband derzeit für ausgedehnt halten. Unter dem vorübergehenden Einfluss einer Gemengelage von Faktoren, die sich alle mit dem Begriff "erhöhte Unsicherheit" umschreiben lassen, zeigt das Band für M3 derzeit kein "Übergewicht", d.h. Inflationsgefahren an. Aber seien Sie unbesorgt: Wir überprüfen laufend die Qualität des Bandes auf seine langfristige Stabilität, d.h. Indikatoreigenschaft für "zuviel Gewicht = Inflationsgefahr" oder ggf. auch "zuwenig Gewicht = Risiko der Deflation."

Auch wenn wir mit unserer Strategie also nach vier Jahren durchaus zufrieden sind, so liegt es doch nahe, die Erfahrungen nach den Jahren des Anfangs im Zusammenhang zu evaluieren. Genau dies werden wir im Laufe der ersten Hälfte des Jahres 2003 tun.

Mit der "enabling clause" des Vertrages von Nizza wartete eine besondere Herausforderung auf den EZB-Rat. Es galt eine überzeugende Antwort auf das Problem zu finden, wie der geldpolitische Entscheidungsprozeß – aber nicht nur dieser – in einer in Zukunft um viele Mitglieder erweiterten Währungsunion zu organisieren sei. Es war nicht zu erwarten, dass diese Antwort leicht zu finden wäre. Der Prozess war außerordentlich schwierig und hat lange gedauert. Aber kann man es sich als einfache Aufgabe vorstellen, in solch diffiziler Materie zu einem einstimmigen Vorschlag zu gelangen? Unsere Einigung über ein Rotationsverfahren, das die Frequenz der Abstimmungsberechtigung zwischen den Mitgliedern des EZB-Rates in geldpolitisch verantwortlicher Weise differenziert, halte ich für einen außerordentlichen Nachweis der auf das europäische Ganze ausgerichteten Zusammenarbeit im EZB-Rat.

Die wesentlichen Elemente des von uns vorgeschlagenen Modells sind Ihnen bekannt, die Details werden veröffentlicht, sobald das Ratifikationsverfahren des Nizza-Vertrages abgeschlossen ist. In ersten kritischen Kommentaren wurde die von uns vorgeschlagene Lösung als komplex, als zu kompliziert bezeichnet. Die vorgeschlagene Regel ist in der Tat nicht einfach, die Formulierungen mögen sich kompliziert anhören. Am Ende kommt es aber auf das Ergebnis an. Eine solche Formel, wie wir sie vorschlagen, etabliert eine automatische Rotation nach klaren Regeln und erspart spätere, endlose Auseinandersetzungen. Die Formel sichert die Effizient der Geldpolitik auch für den Fall eines deutlich erweiterten Währungsraumes und vergrößerten EZB-Rates.

In manchen Beiträgen wird Effizienz der Geldpolitik mit einem möglichst kleinen Rat verbunden nach dem Motto, wenige Stimmberechtigte sind leichter in der Lage, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Aber: Effizienz der Geldpolitik darf nicht auf die Beschlussfassung als solche reduziert werden. Der EZB-Rat ist nicht eine reine Maschine, die quasi geldpolitische Entscheidungen ausspuckt. Gute geldpolitische Entscheidungen bedürfen der vorherigen Diskussion, mag sie gelegentlich auch kontrovers sein. Gerade in schwierigen Situationen ist es wichtig, das Für und Wider genau gegeneinander abzuwägen. Effizienz der Geldpolitik bedarf auch der richtigen Umsetzung und der Akzeptanz, Akzeptanz auf den Märkten, Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit. Notenbanken als Institution sind üblicherweise weit weg vom Bewusstsein der Bürger. Für die EZB gilt das in besonderem Maße. Für die meisten der 300 Mio. Bürger des Euroraumes liegt die EZB noch immer quasi auf dem Mond. Dies hängt mit der Vielfalt der Nationen, ihrer unterschiedlichen Geschichte, nicht zuletzt aber auch mit der Sprachenvielfalt zusammen. Die Entscheidungen der EZB können nicht Akzeptanz in Europa finden, wenn sie nicht getragen werden von allen Mitgliedern des Rates, seien sie nun gerade abstimmungsberechtigt oder nicht. Akzeptanz bedarf ferner der entsprechenden Kommunikation durch die nationalen Notenbanken in ihrem Umfeld. Aus dieser Perspektive ist unser Vorschlag nicht etwa ein Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern die richtige Antwort auf die mit dem Erweiterungsprozess verbundene neue Situation.

2003 wird ferner einen Wechsel in der Person des Präsidenten bringen. Mit dem Ausscheiden von Christian Noyer sind die im Vertrag vorgesehenen Änderungen im Direktorium eingeleitet worden. Meine Kollegin Hämäläinen beendet ihre Amtszeit termingerecht Ende Mai. Damit wird das Anfangsteam nur noch die Hälfte der Mitglieder im Direktorium ausmachen. Nach den bisherigen Erfahrungen spricht alles dafür, dass auch das neue Direktorium in guter Zusammenarbeit die auf sie zukommenden Herausforderungen bewältigen wird. Personen sind und bleiben wichtig, doch ist die EZB inzwischen als Institution fest etabliert. Und um es am Ende noch einmal zu betonen: Unser wichtigstes Kapital sind unsere Mitarbeiter, auf die wir uns immer verlassen können.

Lassen Sie mich mit einem kurzen Ausblick auf das Jahr 2003 schließen. sie alle kennen die Eckdaten unserer Projektion, die wir im letzten Monatsbericht veröffentlicht haben. An dieser Einschätzung hat sich grundsätzlich nichts geändert. Als wahrscheinlichstes Szenario rechnen wir nach mäßigem Beginn mit einer Erholung der Wirtschaft des Euroraumes im Laufe von 2003, und mit einem langsamen Rückgang der Inflationsrate auf ein Niveau unter 2 %. Sind die Risiken bei der Preisentwicklung eher ausgeglichen, so liegen sie beim Wachstum eindeutig auf der negativen Seite.

Leider steht auch bzw. gerade das neue Jahr unter dem Zeichen hoher Unsicherheit. Neben Verunsicherungen, die von der Politik erzeugt werden, sind es Entwicklungen, die durch die Korrektur fundamentaler Ungleichgewichte bedingt sind.

Über allem aber schweben die Gefahren, die von einem möglichen Irak-Krieg ausgehen. Über etwaige Folgen wird allenthalben spekuliert. Sie wachsen ganz allgemein exponentiell mit der Dauer des militärischen Konfliktes. Entscheidend bleibt aber am Ende die Frage: Wird die Welt wieder ein sicherer Platz für wirtschaftliche Entscheidungen für Sparer und Anleger, für langfristige Investitionen sein.

Eine wenn schon nicht friedliche, so doch wenigstens friedlichere Welt wünsche ich Ihnen und uns allen – über Wirtschaft und Geld, Euro und Cent hinaus.

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