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Die vorliegende Übersetzung des Konvergenzberichts umfasst nicht alle Kapitel. Der vollständige Bericht ist in englischer Sprache auf der EZB-Website abrufbar.

1 Einleitung

Seit dem 1. Januar 1999 wurde in insgesamt 19 EU-Mitgliedstaaten der Euro eingeführt; der vorliegende Bericht beschäftigt sich mit sieben der acht EU‑Länder, die der gemeinsamen Währung noch nicht beigetreten sind. Eines dieser acht Länder, nämlich Dänemark, hat im Jahr 1992 gegenüber dem Rat der Europäischen Union seine Absicht erklärt, nicht an der dritten Stufe der Wirtschafts‑ und Währungsunion (WWU) teilzunehmen.[1] Infolgedessen müssen für Dänemark nur auf Antrag des Landes Konvergenzberichte vorgelegt werden. Da Dänemark keinen solchen Antrag eingereicht hat, werden die folgenden Länder untersucht: Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden. Diese sieben Länder sind gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachfolgend „AEUV“) verpflichtet, den Euro einzuführen, und müssen sich daher bemühen, sämtliche Konvergenzkriterien zu erfüllen.[2]

Mit der Vorlage dieses Berichts erfüllt die EZB die Vorgaben von Artikel 140 AEUV. Demnach haben die EZB und die Europäische Kommission dem Rat der Europäischen Union mindestens alle zwei Jahre oder auf Antrag eines EU‑Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt, zu berichten, „inwieweit die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind“. Die sieben im vorliegenden Bericht betrachteten Länder wurden im Rahmen des regelmäßigen Zweijahreszyklus untersucht. Die Europäische Kommission hat ebenfalls einen Bericht erstellt, der dem Rat der Europäischen Union zeitgleich mit dem Konvergenzbericht der EZB vorgelegt wird.

Die EZB verwendet in diesem Bericht das Analyseschema aus ihren früheren Konvergenzberichten. Sie prüft, ob die sieben betreffenden Länder ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht haben, ob die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Verträgen sowie der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (nachfolgend „ESZB‑Satzung“) vereinbar sind und ob die rechtlichen Anforderungen eingehalten werden, die erfüllt sein müssen, damit die entsprechende nationale Zentralbank (NZB) integraler Bestandteil des Eurosystems werden kann.

Kroatien wird im vorliegenden Bericht einer eingehenderen Prüfung unterzogen als die anderen untersuchten Länder. Grund hierfür ist, dass die kroatischen Behörden wiederholt ihre Absicht bekundet haben, den Euro zum 1. Januar 2023 einführen zu wollen.

Die Prüfung des wirtschaftlichen Konvergenzprozesses hängt entscheidend von der Qualität und Integrität der zugrunde liegenden Statistiken ab. Die Aufbereitung und Meldung statistischer Daten, insbesondere von Daten zur Finanzlage der öffentlichen Haushalte, darf nicht politischen Überlegungen oder politischer Einflussnahme unterliegen. Die Mitgliedstaaten der EU wurden gebeten, der Qualität und Integrität ihrer Statistiken hohe Priorität beizumessen, die Absicherung der Datenaufbereitung durch umfassende Kontrollen zu gewährleisten und Mindeststandards bei der Erstellung der Statistiken anzuwenden. Diese Standards sind von größter Bedeutung, um die Unabhängigkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht der nationalen Statistikämter sowie das Vertrauen in die Qualität der Statistiken zu den öffentlichen Finanzen zu stärken (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Seit dem 4. November 2014[3] muss jeder EU-Mitgliedstaat, für den die Ausnahmeregelung aufgehoben worden ist, spätestens am Tag der Einführung des Euro auch dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) beitreten. Ab diesem Zeitpunkt gelten dann für diesen Mitgliedstaat sämtliche aus dem SSM erwachsenden Rechte und Pflichten. Es ist daher unabdingbar, dass die erforderlichen Vorbereitungen getroffen werden. Insbesondere werden die Bankensysteme der Mitgliedstaaten, die dem Euro‑Währungsgebiet und somit dem SSM beitreten, einer umfassenden Bewertung (Comprehensive Assessment) unterzogen.[4] Am 10. Juli 2020 gab die EZB bekannt, dass sie die Beschlüsse zur Aufnahme einer engen Zusammenarbeit mit der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) und der Hrvatska narodna banka verabschiedet habe, nachdem die notwendigen aufsichtlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren.[5] Mit dem Inkrafttreten des Rahmens für die enge Zusammenarbeit am 1. Oktober 2020 übernahm die EZB die Zuständigkeit für a) die direkte Aufsicht über die bedeutenden Institute in den beiden Ländern, b) die gemeinsamen Verfahren für alle beaufsichtigten Unternehmen und c) die indirekte Aufsicht (Oversight) über weniger bedeutende Institute, die weiterhin von den jeweiligen nationalen zuständigen Behörden beaufsichtigt werden. Die EZB‑Bankenaufsicht, die Българска народна банка (Bulgarische Nationalbank) und die Hrvatska narodna banka haben sehr eng zusammengearbeitet, um eine reibungslose Integration der nationalen zuständigen Behörden in den SSM zu gewährleisten.[6]

Der Bericht gliedert sich wie folgt: In Kapitel 2 wird das für die Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Konvergenz verwendete Analyseschema beschrieben. Kapitel 3 liefert einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der wirtschaftlichen Konvergenz. Kapitel 4 enthält die Länderzusammenfassungen, in denen die Hauptergebnisse der Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Konvergenz dargestellt werden. In Kapitel 5 der englischen Gesamtfassung wird der Stand der wirtschaftlichen Konvergenz in den sieben betrachteten EU‑Mitgliedstaaten eingehender analysiert, und Kapitel 6 gibt einen Überblick über die Konvergenzindikatoren sowie über die statistische Methode zu deren Erstellung. In Kapitel 7 der Gesamtfassung wird schließlich geprüft, inwieweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten einschließlich der Satzung der jeweiligen NZB mit Artikel 130 und Artikel 131 AEUV vereinbar sind.

2 Analyseschema

2.1 Wirtschaftliche Konvergenz

Um den Stand der wirtschaftlichen Konvergenz in den EU-Mitgliedstaaten zu prüfen, die den Euro einführen wollen, verwendet die EZB ein einheitliches Analyseschema. Dieses Analyseschema, das in allen Konvergenzberichten des Europäischen Währungsinstituts (EWI) und der EZB konsistent angewandt wurde, stützt sich zum einen auf die Bestimmungen des AEUV und deren Anwendung durch die EZB in Bezug auf die Entwicklung der Preise, der Finanzierungssalden und Schuldenquoten des Staates, der Wechselkurse und der langfristigen Zinssätze sowie sonstiger Faktoren, die für die wirtschaftliche Integration und Konvergenz relevant sind. Zum anderen basiert es auf einer Reihe zusätzlicher vergangenheitsbezogener und zukunftsorientierter Wirtschaftsindikatoren, die für eine genauere Prüfung der Dauerhaftigkeit der Konvergenz zweckmäßig erscheinen. Einige Elemente des Analyseschemas wurden im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Die Untersuchung des betreffenden Mitgliedstaats auf Basis all dieser Faktoren liefert zudem wichtige Erkenntnisse, mit deren Hilfe gewährleistet wird, dass dessen Integration in das Euro-Währungsgebiet ohne größere Probleme vonstattengehen kann. In den Kästen 1 bis 5 werden die rechtlichen Bestimmungen kurz zusammengefasst und methodische Einzelheiten zur Anwendung dieser Bestimmungen durch die EZB dargelegt.

Um die Kontinuität und Gleichbehandlung sicherzustellen, baut der vorliegende Bericht auf Prinzipien auf, die in früheren von der EZB (und davor vom EWI) veröffentlichten Berichten erläutert wurden. Insbesondere legt die EZB bei der Anwendung der Konvergenzkriterien eine Reihe von Leitprinzipien zugrunde. Erstens werden die einzelnen Kriterien strikt ausgelegt und angewandt. Dahinter steht die Überlegung, dass der Zweck der Kriterien im Wesentlichen darin liegt, sicherzustellen, dass nur diejenigen Mitgliedstaaten, die der Gewährleistung von Preisstabilität und dem Zusammenhalt des Euro-Währungsgebiets förderliche wirtschaftliche Bedingungen aufweisen, diesem beitreten können. Zweitens bilden die Konvergenzkriterien ein kohärentes und integriertes Ganzes und müssen allesamt erfüllt werden. Der AEUV führt die Kriterien gleichberechtigt auf und legt keine Rangordnung nahe. Drittens müssen die Konvergenzkriterien auf Grundlage der Ist-Daten erfüllt werden. Viertens sollte die Anwendung der Konvergenzkriterien auf konsistente, transparente und einfache Weise erfolgen. Außerdem ist bei der Untersuchung der Einhaltung der Konvergenzkriterien von zentraler Bedeutung, dass diese dauerhaft und nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt eingehalten werden. Aus diesem Grund beschäftigen sich die Länderberichte ausführlich mit der Dauerhaftigkeit der Konvergenz.

Die Wirtschaftsentwicklung wird daher in den betreffenden Ländern im Rückblick betrachtet, wobei prinzipiell die vergangenen zehn Jahre einbezogen werden. So lässt sich exakter bestimmen, inwieweit die aktuellen Fortschritte auf echte strukturelle Anpassungen zurückzuführen sind, wodurch sich wiederum die Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Konvergenz besser einschätzen lassen sollte.

Außerdem wird, soweit dies zweckmäßig erscheint, eine vorausschauende Perspektive eingenommen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der Tatsache Rechnung getragen, dass die Nachhaltigkeit einer günstigen Wirtschaftsentwicklung entscheidend von angemessenen und dauerhaften politischen Maßnahmen zur Bewältigung bestehender und zukünftiger Herausforderungen abhängt. Zur Förderung eines mittel- bis langfristig nachhaltigen Wachstums spielen überdies eine verantwortungsvolle wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung, handlungsfähige Institutionen und tragfähige öffentliche Finanzen eine wichtige Rolle. Insgesamt ist hervorzuheben, dass für die Gewährleistung einer dauerhaften wirtschaftlichen Konvergenz die Erreichung einer soliden Ausgangsposition, das Vorhandensein handlungsfähiger Institutionen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks und die Verfolgung eines angemessenen politischen Kurses nach Einführung des Euro von entscheidender Bedeutung sind.

Das einheitliche Schema wird separat auf die sieben zu prüfenden EU‑Mitgliedstaaten angewandt. Diese Prüfungen, die auf die Entwicklung in den jeweiligen Mitgliedstaaten abstellen, sind im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 140 AEUV gesondert zu betrachten.

Redaktionsschluss für die in diesem Konvergenzbericht enthaltenen Statistiken war der 25. Mai 2022. Die bei der Anwendung der Konvergenzkriterien herangezogenen statistischen Daten wurden von der Europäischen Kommission (im Fall der Wechselkurse und Langfristzinsen in Zusammenarbeit mit der EZB) zur Verfügung gestellt (siehe Kapitel 6 sowie die Tabellen und Abbildungen in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts). In Abstimmung mit der Europäischen Kommission erstreckt sich der Referenzzeitraum für das Kriterium der Preisstabilität und das Kriterium des langfristigen Zinssatzes von Mai 2021 bis April 2022. Der Referenzzeitraum für die Wechselkurse erstreckt sich vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022. Historische Daten zur Lage der öffentlichen Finanzen beziehen sich auf den Zeitraum bis 2021. Herangezogen werden auch Prognosen verschiedener Quellen, das jüngste Konvergenzprogramm des jeweiligen Mitgliedstaats sowie andere Informationen, die für eine in die Zukunft gerichtete Prüfung der Dauerhaftigkeit der Konvergenz wichtig sind. Die Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission und der Warnmechanismus-Bericht 2022[7], die im vorliegenden Bericht berücksichtigt werden, wurden am 16. Mai 2022 bzw. am 24. November 2021 veröffentlicht. Am 27. Mai 2022 wurde der vorliegende Konvergenzbericht vom Erweiterten Rat der EZB verabschiedet.

Der vorliegende Konvergenzbericht berücksichtigt die Auswirkungen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine auf die Konvergenzbeurteilung nur in begrenztem Umfang. Derzeit lässt sich noch nicht eindeutig sagen, wie der Konvergenzpfad dadurch beeinflusst wird und ob sich dieser Effekt symmetrisch oder asymmetrisch auf die betreffenden Länder verteilt. Insbesondere die vorausschauende Konvergenzbeurteilung ist mit hoher Unsicherheit behaftet, sodass eine vollständige Bewertung der Kriegsfolgen erst im Nachhinein möglich sein wird.

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Preisentwicklung und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 1 dargelegt.

Kasten 1
Preisentwicklung

1. Bestimmungen des AEUV

Artikel 140 Absatz 1 erster Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

die „Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, ersichtlich aus einer Inflationsrate, die der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten nahe kommt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“.

Artikel 1 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union genannte Kriterium der Preisstabilität bedeutet, dass ein Mitgliedstaat eine anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate aufweisen muss, die um nicht mehr als 1 ½ Prozentpunkte über der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindexes auf vergleichbarer Grundlage unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.“

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

In diesem Bericht wendet die EZB die Bestimmungen des AEUV wie folgt an:

Erstens wurde im Hinblick auf „eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate“ die Teuerungsrate anhand der Veränderung des Zwölfmonatsdurchschnitts des HVPI im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 gegenüber dem Zwölfmonatsdurchschnitt der Vorperiode berechnet. Die Teuerung wurde auf der Grundlage des HVPI gemessen, der entwickelt wurde, um die Konvergenz im Hinblick auf die Preisstabilität auf vergleichbarer Grundlage beurteilen zu können (siehe Abschnitt 6.2 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Zweitens wurde der Vorgabe „höchstens drei [...] Mitgliedstaaten [...], die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“ Rechnung getragen, indem für den Referenzwert das ungewichtete arithmetische Mittel der Teuerungsraten folgender drei Mitgliedstaaten herangezogen wurde: Frankreich (3,2 %), Finnland (3,3 %) und Griechenland (3,6 %). Nach Addition von 1 ½ Prozentpunkten zur durchschnittlichen Rate ergibt sich somit ein Referenzwert von 4,9 %. Dabei ist zu beachten, dass die Inflationsentwicklung eines Landes gemäß dem AEUV in Relation zur Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten untersucht wird. Somit trägt das Kriterium der Preisstabilität dem Umstand Rechnung, dass allgemeine Schocks (die etwa von der internationalen Rohstoffpreisentwicklung herrühren) dazu führen können, dass die Inflationsraten zeitweilig von den Inflationszielen der Zentralbanken abweichen.

Die Inflationsraten Maltas und Portugals wurden bei der Berechnung des Referenzwerts nicht berücksichtigt. In diesen Ländern lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate im April 2022 bei 2,1 % bzw. 2,6 %. Sie wurden bei der Berechnung des Referenzwerts als „Ausreißer“ behandelt, da die Inflationsraten in beiden Ländern im Referenzzeitraum aufgrund außergewöhnlicher Faktoren erheblich niedriger ausfielen als die vergleichbaren Raten in anderen Mitgliedstaaten. In Malta spiegelte die verhaltene Inflationsentwicklung im Wesentlichen stabile Energiepreise wider, die den von der Regierung gewährten Finanzhilfen für das staatliche Energieunternehmen und einer Senkung der Verbrauchsteuer für Kraftstoffe zu verdanken waren, sowie technische Faktoren, die mit der Berechnung des Index zusammenhingen. So veränderte sich insbesondere der Warenkorb der privaten Haushalte im Jahr 2020 erheblich, wenn auch nur vorübergehend. Grund hierfür war die Corona-Pandemie, in deren Folge es 2021 zu einer deutlichen Veränderung der Gewichtung bestimmter Teilkomponenten des Index kam. Dieses Muster war bei der Teuerung im Dienstleistungssektor besonders ausgeprägt. In Portugal war die im Vergleich zum Euroraum weniger dynamische Inflationsentwicklung hauptsächlich auf einen schwächeren Preisauftrieb bei Dienstleistungen und Energie zurückzuführen. Während die Preisentwicklung im Dienstleistungssektor einem stärkeren Einfluss der gedämpften Nachfrage nach tourismusbezogenen Dienstleistungen zuzuschreiben war, lag der Entwicklung der Energiepreise eine geringere Weitergabe des Anstiegs der internationalen Ölpreise und anderer Energiekosten zugrunde.[8]

Der Durchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate im zwölfmonatigen Berichtszeitraum von Mai 2021 bis April 2022 wird der Inflationsdynamik gegenübergestellt, die in den letzten zehn Jahren im betreffenden Land zu beobachten war. Dies ermöglicht eine genauere Beurteilung der Nachhaltigkeit der Preisentwicklung im untersuchten Land. Dabei werden der geldpolitische Kurs – insbesondere die Frage, ob die Geldpolitik vorrangig auf das Erreichen und die Gewährleistung von Preisstabilität ausgerichtet ist – sowie der Beitrag, den andere Bereiche der Wirtschaftspolitik zur Erreichung dieses Ziels geleistet haben, eingehend untersucht. Darüber hinaus wird die Bedeutung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds für die Erreichung von Preisstabilität berücksichtigt. Die Preisentwicklung wird unter dem Aspekt von Angebots- und Nachfragebedingungen untersucht, wobei ein besonderes Augenmerk unter anderem auf Faktoren wie Lohnstückkosten und Importpreise gelegt wird. Schließlich wird auch die trendmäßige Entwicklung anderer relevanter Preisindizes berücksichtigt. Vorausblickend werden die für die nächsten Jahre zu erwartenden Inflationsentwicklungen, einschließlich der Prognosen wichtiger internationaler Organisationen und der Marktteilnehmer, dargelegt. Ferner werden institutionelle und strukturelle Aspekte erörtert, die für die Gewährleistung eines der Preisstabilität förderlichen Umfelds nach der Einführung des Euro von Bedeutung sind.

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Entwicklung der öffentlichen Finanzen und deren Anwendung durch die EZB sowie Verfahrensfragen sind in Kasten 2 dargelegt.

Kasten 2
Entwicklung der öffentlichen Finanzen

1. Bestimmungen des AEUV und anderer Rechtsgrundlagen

Artikel 140 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

„eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus einer öffentlichen Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit im Sinne des Artikels 126 Absatz 6“.

Artikel 2 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der Finanzlage der öffentlichen Hand bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Prüfung kein Beschluss des Rates nach Artikel 126 Absatz 6 des genannten Vertrags vorliegt, wonach in dem betreffenden Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.“

Artikel 126 AEUV regelt das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Gemäß Artikel 126 Absatz 2 und Absatz 3 AEUV erstellt die Europäische Kommission einen Bericht, wenn ein Mitgliedstaat die Anforderungen an die Haushaltsdisziplin nicht erfüllt, insbesondere wenn

  • das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum BIP einen bestimmten Referenzwert (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 3 % des BIP festgelegt) überschreitet, es sei denn, dass
    • entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat
    • oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt,
  • das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP einen bestimmten Referenzwert (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 60 % des BIP festgelegt) überschreitet, es sei denn, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.

Darüber hinaus ist in dem Bericht der Europäischen Kommission zu berücksichtigen, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen überschreitet; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats. Die Kommission kann ferner einen Bericht erstellen, wenn sie ungeachtet der Erfüllung der Kriterien der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat die Gefahr eines übermäßigen Defizits besteht. Der Wirtschafts- und Finanzausschuss gibt eine Stellungnahme zu dem Bericht der Europäischen Kommission ab. Dann beschließt nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV der Rat der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit (ohne die Stimme des betroffenen Mitgliedstaats) auf Empfehlung der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.

Die Bestimmungen von Artikel 126 AEUV werden durch Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates[9], geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1177/2011[10], unter anderem hinsichtlich der folgenden Punkte konkretisiert:

  • Die Gleichrangigkeit des Schuldenstandskriteriums mit dem Defizitkriterium wird bekräftigt, indem Ersteres operationalisiert wird, wobei eine Übergangsfrist von drei Jahren für Mitgliedstaaten gewährt wird, die aus einem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit entlassen werden, welches vor 2011 eingeleitet wurde. Artikel 2 Absatz 1a der Verordnung legt fest: Wenn das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP den Referenzwert überschreitet, so kann davon ausgegangen werden, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert, wenn sich als Richtwert der Abstand zum Referenzwert in den letzten drei Jahren jährlich durchschnittlich um ein Zwanzigstel verringert hat – bezogen auf die Veränderungen während der letzten drei Jahre, für die die Angaben verfügbar sind. Die Anforderung des Schuldenstandskriteriums gilt ebenfalls als erfüllt, wenn die geforderte Verringerung des Abstands der Haushaltsvorausschätzung der Kommission zufolge innerhalb eines bestimmten Dreijahreszeitraums eintreten wird. Bei der Umsetzung des Richtwerts für die Rückführung der Schuldenquote wird der Einfluss der Konjunktur auf das Tempo des Schuldenabbaus berücksichtigt.
  • Ferner werden die einschlägigen Faktoren konkretisiert, die die Kommission bei der Erstellung eines Berichts nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV berücksichtigt. Vor allem wird eine Reihe von Faktoren genannt, die für die Beurteilung der mittelfristigen Entwicklung von Wirtschaft, öffentlichen Haushalten und Schuldenstand als einschlägig eingestuft werden (siehe Artikel 2 Absatz 3 der genannten Verordnung sowie im Folgenden eine genauere Beschreibung der darauf gründenden Analyse der EZB).

Darüber hinaus trat am 1. Januar 2013 der auf den Bestimmungen des gestärkten Stabilitäts- und Wachstumspakts beruhende Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (SKS-Vertrag) in Kraft.[11] Titel III (der sogenannte Fiskalpakt) enthält unter anderem eine verbindliche Haushaltsregel, mit der sichergestellt werden soll, dass der gesamtstaatliche Haushalt ausgeglichen ist oder einen Überschuss aufweist. Diese Regel gilt als eingehalten, wenn der jährliche strukturelle Finanzierungssaldo dem länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziel entspricht und das strukturelle Defizit nicht mehr als 0,5 % des BIP beträgt. Liegt die öffentliche Schuldenquote erheblich unter 60 % und sind die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering, so darf das mittelfristige Haushaltsziel ein strukturelles Defizit von maximal 1 % des BIP vorsehen. Der SKS-Vertrag beinhaltet auch die in der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates (zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates) erwähnte Regelung zum Richtwert für die Verringerung des öffentlichen Schuldenstands. Die Unterzeichnerstaaten müssen die festgelegten Haushaltsregeln einschließlich eines automatischen, im Fall von Abweichungen vom Haushaltsziel greifenden Korrekturmechanismus in ihren Verfassungen oder in einem gleichwertigen Gesetz, das gegenüber dem jährlichen Haushaltsgesetz Vorrang hat, verankern.

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

Die EZB bringt zum Zweck der Konvergenzprüfung ihre Auffassung zur Entwicklung der öffentlichen Finanzen zum Ausdruck. Mit Blick auf die Tragfähigkeit prüft die EZB die wichtigsten Indikatoren der Entwicklung der öffentlichen Finanzen von 2012 bis 2021 sowie die Aussichten und die Herausforderungen für die öffentlichen Finanzen. Dabei befasst sie sich besonders mit dem Zusammenhang zwischen Defiziten und Schuldenentwicklung. Was die Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie auf die öffentlichen Finanzen anbelangt, beruft sich die EZB auf die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die am 20. März 2020 aktiviert wurde. Im Einzelnen besagen Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates[12] für die präventive Komponente, dass „bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro‑Währungsgebiet oder in der Union insgesamt […] den Mitgliedstaaten gestattet werden [kann], vorübergehend von dem Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel […] abzuweichen, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.“ Für die korrektive Komponente besagt Artikel 3 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates: „Bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt kann der Rat auf Empfehlung der Kommission ferner beschließen, eine geänderte Empfehlung nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV auszusprechen, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.“ In Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates heißt es: „Bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt kann der Rat auf Empfehlung der Kommission ferner beschließen, die Inverzugsetzung nach Artikel 126 Absatz 9 AEUV zu ändern, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.“ Die EZB liefert zudem eine Analyse hinsichtlich der Wirksamkeit der nationalen Haushaltsregeln nach Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates sowie nach Richtlinie 2011/85/EU des Rates[13]. In Bezug auf Artikel 126 AEUV ist die EZB im Gegensatz zur Europäischen Kommission nicht formell in das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eingebunden. Folglich gibt die EZB in ihrem Bericht lediglich an, ob für das Land ein solches Verfahren eröffnet wurde.

Im Hinblick auf die Bestimmung des AEUV, wonach eine Schuldenquote von mehr als 60 % „hinreichend rückläufig“ sein und „sich rasch genug dem Referenzwert [nähern]“ muss, untersucht die EZB die vergangene und künftige Entwicklung der Schuldenquote. Für Mitgliedstaaten, deren Schuldenquote über dem Referenzwert liegt, fügt die EZB die jüngste Beurteilung der Europäischen Kommission über die Einhaltung des Richtwerts für die Schuldensenkung gemäß Artikel 2 Absatz 1a der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates an.

Die Prüfung der Entwicklung der öffentlichen Finanzen stützt sich auf Daten in der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die gemäß dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010 ermittelt wurden (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts). Die meisten Zahlen, die im vorliegenden Bericht genannt werden, wurden im April 2022 von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt und beziehen sich auf die Finanzlage des Staatssektors von 2012 bis 2021 sowie auf Prognosen der Europäischen Kommission für 2022 bis 2023.

Hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen werden die Ergebnisse des Referenzjahrs (2021) den Entwicklungen im untersuchten Land in den vergangenen zehn Jahren gegenübergestellt. Zunächst wird die Entwicklung der Defizitquote untersucht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Veränderung der jährlichen Defizitquote eines Landes für gewöhnlich von einer Vielzahl von Bestimmungsfaktoren beeinflusst wird. Diese Einflussgrößen lassen sich in konjunkturelle Faktoren, die die Auswirkungen von Veränderungen des Konjunkturzyklus auf das Defizit widerspiegeln, und nichtkonjunkturelle Faktoren, die häufig als Ausdruck struktureller oder dauerhafter Anpassungen an finanzpolitische Maßnahmen gelten, unterteilen. Diese nichtkonjunkturellen Faktoren, wie sie im vorliegenden Bericht beziffert werden, spiegeln jedoch nicht zwangsläufig ausschließlich eine strukturelle Veränderung der Finanzlage des Staates wider, da sich darin auch die Auswirkungen von politischen Maßnahmen und Sonderfaktoren mit zeitlich begrenzter Wirkung auf den Haushaltssaldo niederschlagen. Tatsächlich ist es angesichts der Unsicherheit bezüglich des Niveaus und der Zuwachsrate des Produktionspotenzials besonders schwierig zu beurteilen, wie sich die strukturellen Haushaltspositionen im Verlauf der Covid‑19-Pandemie verändert haben.

In einem weiteren Schritt wird die Entwicklung der öffentlichen Schuldenquote in diesem Zeitraum betrachtet, und es werden die Bestimmungsfaktoren dieser Entwicklung untersucht. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen dem nominalen BIP-Wachstum und den Zinssätzen, den Primärsaldo sowie Veränderungen der Schuldenquote durch Vorgänge, die nicht in der Defizitquote erfasst werden (Deficit-Debt-Adjustments). Daraus können sich weitere Erkenntnisse ergeben, inwieweit das gesamtwirtschaftliche Umfeld – insbesondere das Zusammenspiel von Wachstum und Zinsen – die Verschuldungsdynamik beeinflusst hat. Diese Untersuchung kann auch Informationen darüber liefern, welchen Beitrag der strukturelle Finanzierungssaldo und die konjunkturelle Entwicklung, wie sie anhand des Primärsaldos ersichtlich sind, geleistet und welche Rolle in den Deficit‑Debt-Adjustments enthaltene Sonderfaktoren gespielt haben. Darüber hinaus wird die Struktur der öffentlichen Verschuldung betrachtet, wobei das Hauptaugenmerk auf den Anteil der Schulden mit kurzer Laufzeit und in fremder Währung sowie deren Entwicklung gerichtet ist. Durch den Vergleich dieser Anteile mit dem jeweiligen Schuldenstand kann die Reagibilität der staatlichen Finanzierungssalden auf Veränderungen der Wechselkurse und Zinssätze herausgestellt werden.

Vorausblickend geht der Bericht auf die Haushaltspläne der Länder sowie die jüngsten Prognosen der Europäischen Kommission für 2022 bis 2023 ein, und auch die mittelfristige finanzpolitische Strategie, wie sie im Konvergenzprogramm zum Ausdruck kommt, wird untersucht. Hierzu gehört die Beurteilung der Frage, ob das nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegte mittelfristige Haushaltsziel des betreffenden Landes den Prognosen zufolge erreicht wird. Zugleich werden die Aussichten für die Schuldenquote auf der Grundlage der gegenwärtigen Finanzpolitik bewertet. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde die allgemeine Ausweichklausel aktiviert. Diese erlaubt Abweichungen vom mittelfristigen Haushaltsziel gemäß der Erläuterung in Kasten 2. Außerdem werden die langfristigen Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die wichtigsten Bereiche für künftige Konsolidierungsmaßnahmen hervorgehoben. Hier sind insbesondere die umlagefinanzierten staatlichen Alterssicherungssysteme im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel sowie die von der öffentlichen Hand eingegangenen Eventualverbindlichkeiten zu nennen. Zudem umfasst die oben beschriebene Untersuchung im Einklang mit den bisher praktizierten Verfahren auch die meisten der einschlägigen Faktoren, die in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates aufgeführt sind (siehe hierzu Kasten 2).

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Wechselkursentwicklung und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 3 dargelegt.

Kasten 3
Wechselkursentwicklung

1. Bestimmungen des AEUV

Artikel 140 Absatz 1 dritter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

die „Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber dem Euro“.

Artikel 3 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems bedeutet, dass ein Mitgliedstaat die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten haben muss. Insbesondere darf er den bilateralen Leitkurs seiner Währung innerhalb des gleichen Zeitraums gegenüber dem Euro nicht von sich aus abgewertet haben.“

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

Im Hinblick auf die Wechselkursstabilität untersucht die EZB, ob ein Mitgliedstaat vor der Konvergenzprüfung mindestens zwei Jahre ohne starke Spannungen am WKM II (der im Januar 1999 den WKM ablöste) teilgenommen hat, insbesondere ohne Abwertung gegenüber dem Euro. In Fällen einer kürzeren Teilnahme wird die Wechselkursentwicklung für einen zweijährigen Beobachtungszeitraum beschrieben.

Die Prüfung der Wechselkursstabilität gegenüber dem Euro konzentriert sich darauf, ob der Wechselkurs in der Nähe des WKM‑II-Leitkurses gelegen hat, berücksichtigt aber auch Faktoren, die zu einer Aufwertung geführt haben könnten. Dies steht im Einklang mit dem in der Vergangenheit verfolgten Ansatz. In diesem Zusammenhang beeinflusst die Schwankungsbandbreite im WKM II nicht die Prüfung des Kriteriums der Wechselkursstabilität.

Darüber hinaus werden zur Feststellung, ob „starke Spannungen“ vorliegen, allgemein a) die Abweichung der Wechselkurse von den WKM‑II-Leitkursen gegenüber dem Euro untersucht, b) Indikatoren wie die Wechselkursvolatilität gegenüber dem Euro und ihre trendmäßige Entwicklung sowie Zinsdifferenzen im kurzfristigen Bereich gegenüber dem Euro-Währungsgebiet und ihre Entwicklung herangezogen, c) Devisenmarktinterventionen berücksichtigt und d) die Bedeutung internationaler Finanzhilfeprogramme für die Stabilisierung der Währung erwogen.

Der für diesen Bericht maßgebliche Beobachtungszeitraum erstreckt sich vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022. Bei allen bilateralen Wechselkursen handelt es sich um offizielle Referenzkurse der EZB (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Neben der Teilnahme am WKM II und der Entwicklung des nominalen Wechselkurses gegenüber dem Euro im Beobachtungszeitraum werden auch Daten beleuchtet, die für die Tragfähigkeit des aktuellen Wechselkurses relevant sind. Dazu wird die Entwicklung der realen effektiven Wechselkurse, der Leistungsbilanz, der Vermögensänderungsbilanz und der Kapitalbilanz herangezogen. Auch die längerfristige Entwicklung der Bruttoauslandsverschuldung und des Netto-Auslandsvermögensstatus wird untersucht. Ferner wird im Abschnitt zur Wechselkursentwicklung der Grad der Integration eines Landes in das Euro‑Währungsgebiet geprüft, wobei sowohl die Integration im Bereich des Außenhandels (Ausfuhren und Einfuhren) als auch die Finanzmarktintegration als Messgrößen dienen. Schließlich wird im Abschnitt zur Wechselkursentwicklung gegebenenfalls dargelegt, ob dem geprüften Land während des zweijährigen Referenzzeitraums Liquiditätshilfen von Zentralbanken oder Zahlungsbilanzunterstützung (entweder auf bilateraler oder auf multilateraler Ebene unter Einbindung des IWF und/oder der EU) zugutekamen. Hierbei werden sowohl eine tatsächliche als auch eine vorsorgliche Unterstützung, einschließlich der Zugriffsmöglichkeit auf vorsorgliche Mittelbereitstellungen zum Beispiel im Rahmen der Flexiblen Kreditlinie des IWF, berücksichtigt.

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Entwicklung des langfristigen Zinssatzes und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 4 dargelegt.

Kasten 4
Entwicklung des langfristigen Zinssatzes

1. Bestimmungen des AEUV

Artikel 140 Absatz 1 vierter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

die „Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat mit Ausnahmeregelung erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt“.

Artikel 4 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 vierter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der Konvergenz der Zinssätze bedeutet, dass im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung in einem Mitgliedstaat der durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem entsprechenden Satz in jenen – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Zinssätze werden anhand langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.“

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

In diesem Bericht wendet die EZB die Bestimmungen des AEUV wie folgt an:

Erstens wurde zur Ermittlung des „durchschnittliche[n] langfristige[n] Nominalzinssatz[es]“, der „im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung“ beobachtet wurde, das arithmetische Mittel der letzten zwölf Monate herangezogen, für die HVPI-Werte vorlagen. Der für diesen Bericht maßgebliche Referenzzeitraum erstreckt sich von Mai 2021 bis April 2022 und entspricht damit dem Referenzzeitraum für das Preisstabilitätskriterium.

Zweitens wurde der Vorgabe „höchstens drei [...] Mitgliedstaaten [...], die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“ Rechnung getragen, indem für den Referenzwert das ungewichtete arithmetische Mittel der langfristigen Zinssätze der drei Mitgliedstaaten verwendet wurde, die auch zur Berechnung des Referenzwerts für das Kriterium der Preisstabilität herangezogen wurden (siehe Kasten 1). Die langfristigen Zinssätze der drei Länder mit den niedrigsten Inflationsraten, die in der Berechnung des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium berücksichtigt wurden, betrugen im für diesen Bericht maßgeblichen Referenzzeitraum 0,3 % (Frankreich), 0,2 % (Finnland) und 1,4 % (Griechenland). Folglich liegt der durchschnittliche Zinssatz bei 0,6 % und der Referenzwert – nach Addition von 2 Prozentpunkten – bei 2,6 %. Die Zinssätze wurden auf der Grundlage vorliegender harmonisierter langfristiger Zinssätze gemessen, die zum Zweck der Konvergenzprüfung ermittelt wurden (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Wie bereits erwähnt, verweist der AEUV explizit auf die „Dauerhaftigkeit der Konvergenz“, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt. Die Entwicklung im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 wird daher vor dem Hintergrund der Entwicklung der langfristigen Zinssätze in den letzten zehn Jahren (oder in dem Zeitraum, für den Daten vorliegen) und der Hauptbestimmungsfaktoren für die Zinsdifferenzen gegenüber dem durchschnittlichen langfristigen Zinssatz im Euro-Währungsgebiet betrachtet. Im Referenzzeitraum dürfte der durchschnittliche Langfristzins des Euroraums unter anderem hohe länderspezifische Risikoprämien in mehreren Euro-Ländern widergespiegelt haben. Daher dient auch die Rendite langfristiger Staatsanleihen des Euroraums mit AAA‑Rating (d. h. die Langfristrendite der Zinsstrukturkurve des Euro-Währungsgebiets für Länder mit AAA‑Rating) zu Vergleichszwecken. Als Hintergrundinformation zu dieser Analyse enthält der vorliegende Bericht auch Angaben zur Größe und Entwicklung des Finanzmarkts. Dabei werden drei verschiedene Indikatoren herangezogen (der Umlauf an von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften begebenen Schuldverschreibungen, die Aktienmarktkapitalisierung und die MFI-Kredite an den inländischen nichtfinanziellen Privatsektor), die zusammengenommen als Maß für die Größe der Finanzmärkte dienen.

In diesem Bericht müssen laut Artikel 140 Absatz 1 AEUV auch verschiedene sonstige einschlägige Faktoren berücksichtigt werden, die in Kasten 5 dargelegt sind. Diesbezüglich trat am 13. Dezember 2011 ein verbesserter wirtschaftspolitischer Steuerungsrahmen gemäß Artikel 121 Absatz 6 AEUV in Kraft, durch den eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der EU-Mitgliedstaaten gewährleistet werden sollen. In Kasten 5 werden diese Rechtsvorschriften im Überblick dargestellt, und es wird erläutert, inwieweit die oben genannten zusätzlichen Faktoren im Rahmen der Konvergenzprüfung der EZB Berücksichtigung finden.

Kasten 5
Sonstige einschlägige Faktoren

1. Bestimmungen des AEUV und anderer Rechtsgrundlagen

In Artikel 140 Absatz 1 AEUV heißt es: „Die Berichte der Kommission und der Europäischen Zentralbank berücksichtigen auch die Ergebnisse bei der Integration der Märkte, den Stand und die Entwicklung der Leistungsbilanzen, die Entwicklung bei den Lohnstückkosten und andere Preisindizes.“

In diesem Sinne trägt die EZB auch dem am 13. Dezember 2011 in Kraft getretenen Gesetzespaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU Rechnung. Gestützt auf Artikel 121 Absatz 6 AEUV haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Einzelheiten des Verfahrens der multilateralen Überwachung gemäß Artikel 121 Absatz 3 und Absatz 4 AEUV festgelegt. Die entsprechenden Regelungen wurden eingeführt, um „eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten“ (Artikel 121 Absatz 3 AEUV), aber auch um der „Notwendigkeit [nachzukommen], Lehren aus dem ersten Jahrzehnt des Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion zu ziehen und insbesondere die wirtschaftspolitische Steuerung in der Union zu verbessern und stärker auf nationaler Eigenverantwortung aufzubauen“[14]. Die Rechtsvorschriften umfassen auch einen verbesserten Überwachungsrahmen (das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht), der darauf abzielt, übermäßige makroökonomische und makrofinanzielle Ungleichgewichte zu vermeiden, indem er EU-Mitgliedstaaten, die diesbezüglich Abweichungen aufweisen, bei der Aufstellung von Korrekturplänen unterstützt, bevor sich die Abweichungen verfestigen. Das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht – mit einem präventiven und einem korrektiven Teil – gilt für alle EU-Mitgliedstaaten außer für jene, die bereits einer eingehenderen Prüfung unterzogen werden, weil sie an einem internationalen, mit Auflagen verbundenen Finanzhilfeprogramm teilnehmen. Das obige Verfahren verfügt über einen Warnmechanismus zur frühzeitigen Erkennung von Ungleichgewichten. Ihm zugrunde liegt ein transparentes Scoreboard von Indikatoren für alle EU-Mitgliedstaaten, das Warnschwellenwerte enthält und mit einer ökonomischen Bewertung verbunden ist. Bei dieser Beurteilung sollte unter anderem der nominalen und realen Konvergenz innerhalb und außerhalb des Euro‑Währungsgebiets Rechnung getragen werden.[15] Bei der Bewertung von makroökonomischen Ungleichgewichten sollte angemessen berücksichtigt werden, wie schwerwiegend sie sind und welche potenziellen negativen wirtschaftlichen und finanziellen Ansteckungseffekte sie haben, welche die Anfälligkeit der Wirtschaft in der Europäischen Union erhöhen und das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion bedrohen.[16]

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

Im Einklang mit der bisherigen Vorgehensweise werden die in Artikel 140 Absatz 1 AEUV genannten zusätzlichen Faktoren in Kapitel 5 der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts unter der Überschrift der in den Kästen 1 bis 4 beschriebenen Einzelkriterien untersucht. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass in Kapitel 3 die Scoreboard-Indikatoren (einschließlich der jeweiligen Warnschwellenwerte) für die in diesem Bericht untersuchten Länder aufgeführt sind. Damit wird sichergestellt, dass alle Informationen verfügbar sind, die für eine Erkennung makroökonomischer und makrofinanzieller Ungleichgewichte, welche das in Artikel 140 Absatz 1 AEUV geforderte Erreichen eines hohen Grades an dauerhafter Konvergenz behindern können, von Belang sind. Insbesondere bei EU-Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung, die einem Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht unterliegen, ist kaum davon auszugehen, dass sie im Einklang mit Artikel 140 Absatz 1 AEUV einen hohen Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht haben.

2.2 Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Verträgen

2.2.1 Einleitung

Artikel 140 Absatz 1 AEUV sieht vor, dass die EZB (und die Europäische Kommission) mindestens einmal alle zwei Jahre bzw. auf Antrag eines Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt, dem Rat der EU berichten, inwieweit die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind. Diese Berichte müssen eine Prüfung der Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, einschließlich der Satzung der jeweiligen NZB, mit Artikel 130 und 131 AEUV sowie mit den entsprechenden Artikeln der ESZB- Satzung umfassen. Diese den Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung obliegende Verpflichtung nach dem AEUV wird auch als Verpflichtung zur „rechtlichen Konvergenz“ bezeichnet.

Bei der Prüfung der rechtlichen Konvergenz muss sich die EZB nicht auf eine formale Beurteilung des Wortlauts der innerstaatlichen Rechtsvorschriften beschränken, sondern kann auch prüfen, ob die Umsetzung der betreffenden Rechtsvorschriften dem Geist der Verträge und der ESZB-Satzung entspricht. Der EZB geben insbesondere Anzeichen dafür, dass auf die Beschlussorgane der NZB eines Mitgliedstaats Druck ausgeübt wird, Anlass zur Sorge, da dies dem Geist des AEUV im Hinblick auf die Zentralbankunabhängigkeit widerspräche. Die EZB sieht auch die Notwendigkeit, dass die Beschlussorgane der NZBen reibungslos und kontinuierlich funktionieren. Diesbezüglich sind die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats insbesondere verpflichtet, dafür zu sorgen, dass eine rechtzeitige Ernennung eines Nachfolgers gewährleistet ist, wenn bei einer NZB die Position eines Mitglieds ihrer Beschlussorgane frei wird.[17] Die EZB wird alle Entwicklungen genau beobachten, bevor sie zu dem endgültigen positiven Urteil gelangt, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats mit dem AEUV und der ESZB-Satzung vereinbar sind.

Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, und rechtliche Konvergenz

Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden, deren innerstaatliche Rechtsvorschriften im vorliegenden Bericht einer Prüfung unterzogen werden, sind ihrem Status nach Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, d. h., sie haben den Euro noch nicht eingeführt. Schweden wurde gemäß einer Entscheidung des Rates der EU vom Mai 1998 der Status eines Mitgliedstaats mit Ausnahmeregelung zuerkannt.[18] Die Ausnahmeregelung für die übrigen Mitgliedstaaten basiert auf Artikel 4[19] bzw. Artikel 5[20] der Akten über die Beitrittsbedingungen, denen zufolge jeder dieser Mitgliedstaaten ab dem Tag seines Beitritts als Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung im Sinne des Artikels 139 AEUV gilt, an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnimmt.

Im vorliegenden Bericht bleibt Dänemark als Mitgliedstaat mit Sonderstatus, der den Euro noch nicht eingeführt hat, unberücksichtigt. Das den Verträgen beigefügte Protokoll (Nr. 16) über einige Bestimmungen betreffend Dänemark sieht vor, dass für Dänemark aufgrund der Notifikation der dänischen Regierung an den Rat der EU vom 3. November 1993 eine Ausnahmeregelung gilt und das Verfahren zur Aufhebung der Ausnahmeregelung erst dann eingeleitet wird, wenn Dänemark einen entsprechenden Antrag stellt. Die Verpflichtungen in Bezug auf die Zentralbankunabhängigkeit muss die Danmarks Nationalbank hingegen erfüllen, da Artikel 130 AEUV auf Dänemark Anwendung findet. Der Konvergenzbericht des EWI von 1998 kam zu dem Ergebnis, dass diese Anforderung erfüllt ist. Aufgrund des Sonderstatus Dänemarks ist seit 1998 keine Konvergenzprüfung mehr erfolgt. Für die rechtliche Integration der Danmarks Nationalbank in das Eurosystem müssen keine Vorkehrungen getroffen werden, und eine Anpassung der Rechtsvorschriften ist nicht erforderlich, solange Dänemark dem Rat der EU nicht notifiziert, dass es den Euro einzuführen beabsichtigt.

Mit der Beurteilung der rechtlichen Konvergenz soll der Rat der EU bei seinen Entscheidungen darüber, welche Mitgliedstaaten „bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen“ bereits nachgekommen sind, unterstützt werden (Artikel 140 Absatz 1 AEUV). Diese Voraussetzungen beziehen sich im rechtlichen Bereich vor allem auf die Zentralbankunabhängigkeit und die rechtliche Integration der jeweiligen NZB in das Eurosystem.

Aufbau der rechtlichen Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung baut weitgehend auf dem Ansatz der bisherigen Berichte der EZB und des EWI zur rechtlichen Konvergenz auf.[21]

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften werden Rechtsvorschriften berücksichtigt, die vor dem 25. März 2022 verabschiedet wurden.

2.2.2 Umfang der Anpassung

Bereiche mit Anpassungsbedarf

Um festzustellen, in welchen Bereichen bei den innerstaatlichen Rechtsvorschriften Anpassungsbedarf besteht, werden folgende Kriterien geprüft:

  • die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des AEUV (Artikel 130) und der ESZB‑Satzung (Artikel 7 und 14.2) über die Unabhängigkeit der NZBen,
  • die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen über die Geheimhaltung (Artikel 37 der ESZB-Satzung),
  • die Vereinbarkeit mit dem Verbot der monetären Finanzierung (Artikel 123 AEUV) und des bevorrechtigten Zugangs (Artikel 124 AEUV),
  • die Vereinbarkeit mit der im EU-Recht geforderten einheitlichen Schreibweise des Euro und
  • die rechtliche Integration der NZBen in das Eurosystem (insbesondere im Hinblick auf Artikel 12.1 und 14.3 der ESZB-Satzung).

„Vereinbarkeit“ kontra „Harmonisierung“

Nach Artikel 131 AEUV müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Verträgen und der ESZB-Satzung „im Einklang stehen“; Unvereinbarkeiten sind daher zu beseitigen. Diese Verpflichtung gilt unbeschadet der Tatsache, dass die Verträge und die ESZB-Satzung Vorrang vor den innerstaatlichen Rechtsvorschriften haben, und auch unabhängig von der Art der Unvereinbarkeit.

Das Erfordernis, wonach innerstaatliche Rechtsvorschriften „im Einklang stehen“ müssen, bedeutet nicht, dass der AEUV eine „Harmonisierung“ der Satzungen der einzelnen NZBen untereinander oder mit der ESZB-Satzung verlangt. Nationale Besonderheiten können beibehalten werden, soweit sie nicht die unwiderruflich der EU übertragene Zuständigkeit in geld- und währungspolitischen Angelegenheiten beeinträchtigen. Gemäß Artikel 14.4 der Satzung können die NZBen durchaus auch andere als die in der Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen, sofern sie den Zielen und Aufgaben des ESZB nicht zuwiderlaufen.[22] Bestimmungen, welche die Wahrnehmung derartiger zusätzlicher Aufgaben ermöglichen, sind ein eindeutiges Beispiel dafür, dass die Satzungen der NZBen auch in Zukunft voneinander abweichen können. Der Ausdruck „im Einklang stehen“ ist vielmehr so zu verstehen, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und die Satzungen der NZBen angepasst werden müssen, um Unvereinbarkeiten mit den Verträgen und der ESZB‑Satzung zu beseitigen und ein hinreichendes Maß an Integration der NZBen in das ESZB sicherzustellen. So müssen insbesondere alle Bestimmungen, welche die im AEUV definierte Unabhängigkeit einer NZB sowie ihre Rolle als integraler Bestandteil des ESZB beeinträchtigen, angepasst werden. Allein mit dem Vorrang des EU-Rechts gegenüber innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist dieser Verpflichtung nicht Genüge getan.

Die Verpflichtung nach Artikel 131 AEUV beschränkt sich auf die Unvereinbarkeit mit den Verträgen und der ESZB-Satzung. Gleichwohl müssen innerstaatliche Rechtsvorschriften, die mit dem für die hier untersuchten Bereiche mit Anpassungsbedarf relevanten Sekundärrecht der EU nicht vereinbar sind, mit diesem in Einklang gebracht werden. Der Vorrang des EU-Rechts entbindet die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften anzupassen. Dieses allgemeine Erfordernis ergibt sich nicht nur aus Artikel 131 AEUV, sondern auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.[23]

Die Verträge und die ESZB-Satzung schreiben nicht vor, auf welche Weise die Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu erfolgen hat. Dies kann entweder durch Verweise auf die Verträge und die ESZB-Satzung, durch die Übernahme von Bestimmungen der Verträge und der ESZB-Satzung mit Angabe ihrer Herkunft, durch die Aufhebung der nicht mit den Verträgen und der ESZB‑Satzung in Einklang stehenden Bestimmungen oder durch eine Kombination dieser Methoden geschehen.

Darüber hinaus muss die EZB, unter anderem um die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit den Verträgen und der ESZB-Satzung zu erreichen und zu gewährleisten, von den Organen der EU sowie von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 AEUV sowie Artikel 4 der ESZB‑Satzung zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften im Zuständigkeitsbereich der EZB gehört werden. Die Entscheidung 98/415/EG des Rates vom 29. Juni 1998 über die Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu Entwürfen für Rechtsvorschriften[24] fordert die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beachtung dieser Verpflichtung zu gewährleisten.

2.2.3 Die Unabhängigkeit der NZBen

Was die Unabhängigkeit der Zentralbanken betrifft, so waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten, die der EU im Jahr 2004, 2007 bzw. 2013 beitraten, an die entsprechenden Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung anzupassen und zum 1. Mai 2004, zum 1. Januar 2007 bzw. zum 1. Juli 2013 in Kraft zu setzen.[25] Schweden hingegen musste die erforderlichen Anpassungen bis zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB am 1. Juni 1998 in Kraft setzen.

Zentralbankunabhängigkeit

Im November 1995 erstellte das EWI eine Liste mit verschiedenen Aspekten der Zentralbankunabhängigkeit (eine ausführliche Erörterung ist dem Konvergenzbericht des EWI von 1998 zu entnehmen). Diese Definition bildete damals die Grundlage für die Beurteilung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, insbesondere der Satzungen der NZBen. Der Begriff der Zentralbankunabhängigkeit umfasst verschiedene Arten von Unabhängigkeit, die jeweils für sich geprüft werden müssen, nämlich die funktionelle, institutionelle, persönliche und finanzielle Unabhängigkeit. In den vergangenen Jahren wurde die Analyse dieser Aspekte der Zentralbankunabhängigkeit in den Stellungnahmen der EZB weiter verfeinert. Sie bilden die Grundlage für die Beurteilung des Grades an Konvergenz der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, mit den Verträgen und der ESZB-Satzung.

Funktionelle Unabhängigkeit

Zentralbankunabhängigkeit ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Erreichung eines Ziels, das klar definiert sein und Vorrang vor allen anderen Zielen haben sollte. Funktionelle Unabhängigkeit erfordert, dass das vorrangige Ziel jeder NZB eindeutig und rechtssicher festgelegt ist und mit dem im AEUV verankerten vorrangigen Ziel der Preisstabilität vollständig im Einklang steht. Die Verfolgung dieses Ziels setzt voraus, dass die NZBen mit den erforderlichen Mitteln und Instrumenten ausgestattet sind, um das Ziel unabhängig von anderen Stellen zu erreichen. Die sich aus dem AEUV ergebende Anforderung der Unabhängigkeit der Zentralbank spiegelt die allgemeine Auffassung wider, dass dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität am besten mit einer vollkommen unabhängigen Institution gedient ist, deren Aufgaben genau festgelegt sind. Zentralbankunabhängigkeit ist vollständig vereinbar mit der Rechenschaftspflicht der NZBen, die wesentlich zur Stärkung des Vertrauens in ihre Unabhängigkeit beiträgt. Dies erfordert Transparenz und den Dialog mit Dritten.

Was den Zeitpunkt betrifft, so ist im AEUV nicht eindeutig geregelt, wann die NZBen der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, das in Artikel 127 Absatz 1 und Artikel 282 Absatz 2 AEUV sowie in Artikel 2 der ESZB-Satzung verankerte vorrangige Ziel der Preisstabilität erfüllt haben müssen. Bei den Mitgliedstaaten, die der EU nach der Einführung des Euro in der EU beitraten, ist unklar, ob diese Verpflichtung ab dem Zeitpunkt des Beitritts oder ab dem jeweiligen Zeitpunkt der Einführung des Euro gelten soll. Während Artikel 127 Absatz 1 AEUV auf Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, keine Anwendung findet (siehe Artikel 139 Absatz 2 Buchstabe c AEUV), ist Artikel 2 der ESZB-Satzung auf solche Mitgliedstaaten anwendbar (siehe Artikel 42.1 der ESZB-Satzung). Die EZB vertritt die Auffassung, dass die Verpflichtung der NZBen, Preisstabilität als ihr vorrangiges Ziel zu verankern, im Fall Schwedens ab dem 1. Juni 1998 und bei den Mitgliedstaaten, die der EU am 1. Mai 2004, am 1. Januar 2007 bzw. am 1. Juli 2013 beitraten, ab dem jeweiligen Zeitpunkt des Beitritts wirksam ist. Diese Auffassung gründet sich auf die Tatsache, dass einer der richtungweisenden Grundsätze der EU, nämlich stabile Preise (Artikel 119 AEUV), auch auf Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung anzuwenden ist. Sie beruht ferner auf der Zielvorgabe des AEUV, wonach alle Mitgliedstaaten gesamtwirtschaftliche Konvergenz einschließlich Preisstabilität anstreben sollen; die diesbezüglichen Fortschritte werden in den regelmäßigen Berichten der EZB und der Europäischen Kommission beurteilt. Diese Schlussfolgerung stützt sich zudem auf Sinn und Zweck der Zentralbankunabhängigkeit, die nur dann gerechtfertigt ist, wenn Preisstabilität als übergreifendes Ziel Vorrang hat.

Diese Schlussfolgerungen hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die NZBen der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, Preisstabilität als ihr vorrangiges Ziel verankert haben müssen, bilden die Grundlage der Länderbeurteilungen im vorliegenden Bericht.

Institutionelle Unabhängigkeit

Auf den Grundsatz der institutionellen Unabhängigkeit wird in Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung ausdrücklich Bezug genommen. Nach diesen beiden Artikeln ist es den NZBen und den Mitgliedern ihrer Beschlussorgane untersagt, Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einzuholen oder entgegenzunehmen. Außerdem dürfen die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten nicht versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB zu beeinflussen. Wenn innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung bestehen, sollten sie diese beiden Verbote enthalten und deren Anwendungsbereich nicht einengen.[26] Die Zuerkennung einer solchen Unabhängigkeit hat nicht zur Folge, dass eine Zentralbank von jeder Bestimmung des Rechts ausgenommen und Rechtsvorschriften jeglicher Art entzogen wäre.[27]

Unabhängig davon, ob es sich bei einer NZB ihrer Rechtsform nach um eine Einrichtung im Staatsbesitz, eine eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts oder einfach eine Aktiengesellschaft handelt, besteht das Risiko, dass seitens des Eigentümers Einfluss auf die Entscheidungsfindung hinsichtlich der Aufgaben im Rahmen des ESZB genommen wird.[28] Eine solche Einflussnahme − ob durch Ausübung von Anteilseignerrechten oder in anderer Form − kann die Unabhängigkeit einer NZB beeinträchtigen und ist daher gesetzlich einzuschränken.

Der rechtliche Rahmen für die Zentralbanken muss eine stabile und langfristige Grundlage für deren Arbeitsweise bieten. Ein Rechtsrahmen, der häufige Änderungen des institutionellen Aufbaus einer NZB erlaubt und somit die Stabilität der Organisation und Leitungsstruktur dieser NZB beeinflusst, könnte die institutionelle Unabhängigkeit der NZB beeinträchtigen.[29]

Die institutionelle Unabhängigkeit muss auch in Notfällen gewahrt bleiben. Nur wenn die Voraussetzungen nach Artikel 347 AEUV erfüllt sind, kann für nationale Stellen die Berechtigung bestehen, vorübergehend und ausnahmsweise Befugnisse auszuüben, die in die ausschließliche Zuständigkeit des ESZB fallen. Maßgeblich für die Prüfung der Berechtigung ist der Zeitpunkt, zu dem die Maßnahme erlassen wird. Aufgrund des Ausnahmecharakters von Artikel 347 AEUV sollten die Mitgliedstaaten von der Verabschiedung präventiver Rechtsvorschriften absehen, solange die in Artikel 347 AEUV vorgegebenen Voraussetzungen nicht vorliegen.[30]

Verbot der Erteilung von Weisungen

Rechte Dritter, den NZBen, ihren Beschlussorganen oder deren Mitgliedern Weisungen zu erteilen, sind mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar, soweit Aufgaben im Rahmen des ESZB berührt sind.

Jedwede Beteiligung einer NZB an der Anwendung von Maßnahmen zur Stärkung der Stabilität des Finanzsystems muss mit dem AEUV vereinbar sein, d. h., die NZBen müssen ihre Funktionen in einer Weise erfüllen, die mit ihrer funktionellen, institutionellen und finanziellen Unabhängigkeit vollständig vereinbar ist, um eine ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dem AEUV und der ESZB‑Satzung zu gewährleisten.[31] Soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften einer NZB eine Rolle zuweisen, die über Beratungsfunktionen hinausgeht, und die Übernahme zusätzlicher Aufgaben durch die NZB vorsehen, muss gewährleistet sein, dass dadurch die Fähigkeit der NZB, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB zu erfüllen, in operationeller und finanzieller Hinsicht nicht beeinträchtigt wird.[32] Außerdem ist im Fall der Einbeziehung von Vertretern der NZBen in kollegiale Beschlussorgane von Aufsichtsbehörden oder sonstigen Einrichtungen zu gewährleisten, dass in angemessener Form Maßnahmen zum Schutz der persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder der NZB-Beschlussorgane berücksichtigt werden.[33]

Verbot der Genehmigung, Aussetzung, Aufhebung oder des Aufschubs von Entscheidungen

Rechte Dritter, die Entscheidungen einer NZB zu genehmigen, auszusetzen, aufzuheben oder aufzuschieben, sind mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar, soweit Aufgaben im Rahmen des ESZB berührt sind.[34]

Verbot der Zensur von Entscheidungen aus rechtlichen Gründen

Das Recht Dritter (mit Ausnahme unabhängiger Gerichte), Entscheidungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB aus rechtlichen Gründen zu zensieren, ist mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar, da die Erfüllung dieser Aufgaben auf politischer Ebene nicht erneut beurteilt werden darf. Das Recht eines NZB-Präsidenten, eine Entscheidung von Beschlussorganen des ESZB oder einer NZB aus rechtlichen Gründen auszusetzen und in der Folge den politischen Instanzen zur endgültigen Entscheidung vorzulegen, würde dem Einholen von Weisungen Dritter gleichkommen.

Verbot, in Beschlussorganen einer NZB mit Stimmrecht vertreten zu sein

Mit dem AEUV und der ESZB-Satzung ist es nicht vereinbar, wenn in den Beschlussorganen einer NZB Vertreter von Dritten mit Stimmrecht in Angelegenheiten vertreten sind, die die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB betreffen, selbst wenn diese Stimme nicht den Ausschlag gibt. Selbst ohne Stimmrecht ist eine solche Vertretung mit dem AEUV und der ESZB-Satzung nicht vereinbar, wenn dadurch die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB durch diese Beschlussorgane beeinträchtigt oder die Einhaltung der Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB gefährdet werden.[35]

Verbot der Anhörung Dritter vor der Entscheidung einer NZB

Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung einer NZB, vor ihrer Entscheidung Dritte anzuhören, verschafft diesen einen formellen Mechanismus zur Einflussnahme auf die endgültige Entscheidung und ist somit mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar.

Allerdings ist ein Dialog zwischen einer NZB und Dritten mit der Zentralbankunabhängigkeit vereinbar, selbst wenn dieser auf einer in der NZB‑Satzung verankerten Auskunftspflicht sowie einer Verpflichtung zum Meinungsaustausch beruht, sofern

  • dies nicht eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Mitglieder der NZB‑Beschlussorgane zur Folge hat,
  • der besondere Status der NZB-Präsidenten in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Beschlussorgane der EZB voll respektiert wird und
  • die Anforderungen an die Geheimhaltung, die sich aus der ESZB-Satzung ergeben, beachtet werden.[36]
Entlastung der Mitglieder der NZB-Beschlussorgane

Rechtsvorschriften über die Entlastung der Mitglieder der Beschlussorgane einer NZB (etwa in Bezug auf die Rechnungslegung) durch Dritte (z. B. die Regierung) müssen ausreichende Schutzbestimmungen enthalten, die gewährleisten, dass die Mitglieder der NZB-Beschlussorgane dennoch unabhängig Beschlüsse hinsichtlich der Aufgaben im Rahmen des ESZB fassen (oder auf der Ebene des ESZB gefasste Beschlüsse umsetzen) können. Die Aufnahme einer entsprechenden ausdrücklichen Bestimmung in die Satzungen der NZBen wird empfohlen.

Persönliche Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit der Zentralbanken wird durch die in der ESZB-Satzung geforderte garantierte Amtszeit für die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen zusätzlich geschützt. Die Präsidenten der NZBen sind Mitglieder des Erweiterten Rates der EZB und werden nach Einführung des Euro in ihrem Mitgliedstaat Mitglieder des EZB-Rats. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Mitglied des EZB-Rats oder des Erweiterten Rates der EZB können die Präsidenten der NZBen nicht als Vertreter eines Mitgliedstaats angesehen werden.[37] Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung ist in den Satzungen der NZBen insbesondere vorzusehen, dass die Amtszeit der Präsidenten mindestens fünf Jahre beträgt. Durch die Bestimmung, dass der Präsident einer NZB nur aus seinem Amt entlassen werden kann, wenn er die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder wegen einer schweren Verfehlung für schuldig befunden wurde, ist der Präsident ferner gegen eine willkürliche Entlassung geschützt. In solchen Fällen sieht Artikel 14.2 der ESZB‑Satzung die Möglichkeit der Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union vor, der die Befugnis hat, eine nationale Entscheidung über die Entlassung eines Präsidenten aus seinem Amt für nichtig zu erklären.[38] Die Suspendierung eines Präsidenten kann faktisch einer Entlassung im Sinne von Artikel 14.2 der ESZB-Satzung gleichkommen.[39] Die Satzungen der NZBen müssen dieser Bestimmung entsprechend den nachfolgend aufgeführten Punkten gerecht werden.

Gemäß Artikel 130 AEUV ist es den nationalen Regierungen und anderen Stellen untersagt, die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Insbesondere dürfen die Mitgliedstaaten nicht versuchen, Einfluss auf die Mitglieder der NZB-Beschlussorgane zu nehmen, indem sie deren Vergütung betreffende einzelstaatliche Rechtsvorschriften ändern; dies sollte grundsätzlich nur für künftige Ernennungen möglich sein.[40]

Mindestamtszeit für Präsidenten

Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung ist in den Satzungen der NZBen eine Mindestamtszeit von fünf Jahren für den Präsidenten zu verankern, wobei dies eine längere Amtszeit nicht ausschließt. Sieht eine Satzung eine unbefristete Amtszeit vor, besteht kein Anpassungsbedarf, sofern die Gründe für die Entlassung eines Präsidenten mit jenen in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung übereinstimmen. Kürzere Amtszeiten sind nicht zu rechtfertigen, selbst wenn sie nur während eines Übergangszeitraums Anwendung finden.[41] Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die ein verbindliches Pensionsalter vorsehen, sollten sicherstellen, dass diese Altersgrenze die nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung vorgesehene Mindestamtszeit, die Vorrang vor einem verbindlichen Pensionsalter hat, nicht unterbricht, sofern dieses auf einen Präsidenten Anwendung findet.[42] Wird die Satzung einer NZB geändert, muss das Änderungsgesetz die Sicherheit der Amtszeit des Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Beschlussorgane, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, gewährleisten.[43]

Gründe für die Entlassung eines Präsidenten aus dem Amt

Die Satzungen der NZBen müssen sicherstellen, dass ein Präsident nur aus einem der in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung festgelegten Gründe entlassen werden kann. Mit den Vorgaben dieses Artikels soll eine willkürliche Entlassung eines Präsidenten durch jene Instanzen – insbesondere Regierung oder Parlament –, die für seine Ernennung zuständig waren, verhindert werden. Die Satzungen der NZBen sollten entweder auf Artikel 14.2 der ESZB-Satzung verweisen, die entsprechenden Bestimmungen aufnehmen und deren Herkunft angeben, etwaige Unvereinbarkeiten mit den in Artikel 14.2 festgelegten Entlassungsgründen beseitigen oder gar keine Entlassungsgründe anführen (da Artikel 14.2 unmittelbar gilt).[44] Nach seiner Wahl bzw. Ernennung darf ein Präsident nur aus einem der in Artikel 14.2 der ESZB‑Satzung festgelegten Gründe entlassen werden, auch wenn er sein Amt noch nicht angetreten hat. Da es sich bei den Voraussetzungen, unter denen ein Präsident aus dem Amt entlassen werden kann, um autonome Konzepte des Unionsrechts handelt, hängt deren Anwendung und Auslegung nicht vom jeweiligen nationalen Kontext ab.[45] Letztlich obliegt es dem Gerichtshof der Europäischen Union, gemäß den ihm durch Artikel 14.2 Unterabsatz 2 der ESZB-Satzung übertragenen Befugnissen zu überprüfen, ob eine Entscheidung über die Entlassung eines Präsidenten einer nationalen Zentralbank aus dem Amt auf das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte dafür gestützt ist, dass eine schwere Verfehlung begangen wurde, die eine solche Maßnahme rechtfertigt.[46]

Sicherheit der Amtszeit und Gründe für die Entlassung von Mitgliedern der NZB-Beschlussorgane, die neben dem Präsidenten Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen

Werden die Regeln, mit denen die Amtszeit der Präsidenten garantiert wird, und die Gründe für die Entlassung eines Präsidenten aus dem Amt auch auf die übrigen Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen angewandt, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, so schützt dies auch die persönliche Unabhängigkeit dieser Mitglieder.[47] Die Bestimmungen von Artikel 14.2 der ESZB-Satzung beschränken sich nicht auf die Sicherheit der Amtszeit eines Präsidenten. Zudem beziehen sich Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung generell auf die „Mitglieder der Beschlussorgane“ der NZBen und nicht speziell auf die Präsidenten. Dies betrifft vor allem jene Fälle, in denen der Präsident „primus inter pares“ unter Kollegen mit gleichen Stimmrechten ist oder in denen diese übrigen Mitglieder in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind.

Recht auf gerichtliche Überprüfung

Die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen müssen das Recht haben, die Entscheidung über ihre Entlassung vor ein unabhängiges Gericht zu bringen, um die Möglichkeit des politischen Ermessens bei der Beurteilung der Gründe für eine solche Entscheidung einzuschränken.

Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung kann der Präsident einer NZB, der aus seinem Amt entlassen wurde, den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften sollten sich entweder auf die ESZB-Satzung berufen oder keinen Verweis auf das Recht auf Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union anführen (da Artikel 14.2 der ESZB-Satzung unmittelbar gilt). Der Gerichtshof der Europäischen Union ist befugt, die nationale Entlassungsmaßnahme für nichtig zu erklären, wenn diese seiner Auffassung nach gegen das Unionsrecht verstößt.[48]

Im Fall der übrigen Mitglieder der NZB-Beschlussorgane, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, sollte in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften das Recht auf Überprüfung einer Entscheidung über ihre Entlassung durch die einzelstaatlichen Gerichte verankert sein. Dieses Recht kann entweder im allgemein geltenden Recht oder in einer entsprechenden Bestimmung verankert sein. Wenngleich sich dieses Recht möglicherweise aus dem allgemein geltenden Recht ableiten lässt, könnte aus Gründen der Rechtssicherheit eine ausdrückliche Regelung dieses Überprüfungsrechts ratsam sein.

Vorkehrungen gegen Interessenkonflikte

Zur Gewährleistung der persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder von NZB‑Beschlussorganen, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, ist überdies sicherzustellen, dass es zu keinen Interessenkonflikten zwischen den Verpflichtungen dieser Mitglieder gegenüber ihrer jeweiligen NZB (im Fall der Präsidenten auch gegenüber der EZB) einerseits und etwaigen sonstigen Funktionen andererseits kommen kann, die sie zusätzlich ausüben und aufgrund deren ihre persönliche Unabhängigkeit beeinträchtigt werden könnte.[49] Grundsätzlich ist die Mitgliedschaft in Beschlussorganen, die Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen, mit der Ausübung anderer Funktionen nicht vereinbar, wenn sich daraus ein Interessenkonflikt ergeben könnte. Insbesondere dürfen Mitglieder solcher Beschlussorgane keine Ämter ausüben und keine Interessen wahrnehmen – sei es in Ausübung eines Amtes in der Exekutive oder Legislative eines Staates bzw. von Ländern und Gemeinden oder im Rahmen eines Unternehmens –, die ihre Tätigkeit beeinflussen könnten. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass potenzielle Interessenkonflikte bei nicht hauptamtlichen Mitgliedern von Beschlussorganen vermieden werden.

Finanzielle Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit einer NZB würde insgesamt infrage gestellt, wenn sie sich nicht eigenständig ausreichende finanzielle Mittel zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben (d. h. zur Erfüllung der im AEUV und in der ESZB-Satzung vorgesehenen Aufgaben im Rahmen des ESZB) verschaffen könnte.[50]

Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass die jeweiligen NZBen jederzeit über ausreichende finanzielle Mittel und über ein angemessenes Nettoeigenkapital[51] verfügen, um ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB bzw. des Eurosystems erfüllen zu können. Es sei darauf hingewiesen, dass die NZBen nach Artikel 28.1 und Artikel 30.4 der ESZB-Satzung aufgefordert werden können, weitere Beiträge zum Kapital der EZB zu leisten und weitere Währungsreserven einzuzahlen.[52] Darüber hinaus ist in Artikel 33.2 der ESZB-Satzung[53] vorgesehen, dass der EZB-Rat im Falle eines Verlustes seitens der EZB, der nicht vollständig aus dem allgemeinen Reservefonds gedeckt werden kann, beschließen kann, den restlichen Fehlbetrag aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahres im Verhältnis und bis zur Höhe der an die NZBen zu verteilenden Beträge zu decken. Der Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit bedeutet, dass die Beachtung dieser Bestimmungen die NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Funktionen nicht beeinträchtigen darf.

Darüber hinaus setzt der Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit voraus, dass eine NZB nicht nur zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB, sondern auch zur Erfüllung ihrer innerstaatlichen Aufgaben (etwa zur Aufsicht über den Finanzsektor, zur Finanzierung ihrer Verwaltung und ihrer eigenen Geschäftstätigkeit sowie zur Bereitstellung von Notfall-Liquiditätshilfe[54]) über ausreichende finanzielle Mittel verfügt.

Aus all den vorgenannten Gründen bedeutet finanzielle Unabhängigkeit auch, dass eine NZB stets über ausreichend Eigenkapital verfügen muss. Insbesondere ist jegliche Situation zu vermeiden, die dazu führt, dass das Nettoeigenkapital einer NZB über einen längeren Zeitraum hinweg geringer als ihr Grundkapital oder gar negativ ist. Hierzu zählen auch Fälle, in denen Verluste, die Kapital und Rücklagen übersteigen, vorgetragen werden.[55][56] Dies kann negative Auswirkungen auf die Fähigkeit der NZB haben, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB, aber auch ihre nationalen Aufgaben wahrzunehmen. Darüber hinaus kann eine solche Situation die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik des Eurosystems beeinträchtigen. Sofern das Nettoeigenkapital einer NZB ihr Grundkapital unterschreitet oder sich gar ins Negative kehrt, muss daher der jeweilige Mitgliedstaat die NZB innerhalb eines vertretbaren Zeitraums mit einem angemessenen Kapitalbetrag mindestens bis zur Höhe des Grundkapitals ausstatten, um dem Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit zu entsprechen. Hinsichtlich der EZB wurde der Bedeutung dieser Frage bereits vom Rat der EU durch Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 1009/2000 des Rates vom 8. Mai 2000 über Kapitalerhöhungen der Europäischen Zentralbank Rechnung getragen.[57] Aufgrund dieser Verordnung kann der EZB-Rat eine tatsächliche Kapitalerhöhung beschließen, um so die für die Geschäftstätigkeit der EZB erforderliche angemessene Eigenkapitalausstattung aufrechtzuerhalten.[58] Die NZBen müssen finanziell in der Lage sein, auf einen solchen Beschluss der EZB zu reagieren.

Die finanzielle Unabhängigkeit einer NZB sollte danach beurteilt werden, ob Dritte direkt oder indirekt nicht nur auf den Betrieb der NZB, sondern auch auf ihre Leistungsfähigkeit mit Blick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben − sowohl operational im Sinne der Personalausstattung als auch finanziell im Sinne angemessener finanzieller Mittel − Einfluss nehmen können. In dieser Hinsicht sind die unten aufgeführten Kriterien finanzieller Unabhängigkeit besonders bedeutsam.[59] Dabei handelt es sich um die Bereiche finanzieller Unabhängigkeit, in denen die NZBen am stärksten der Gefahr einer Einflussnahme von außen ausgesetzt sind.

Aufstellung des Haushalts

Die Befugnis eines Dritten, den Haushalt einer NZB aufzustellen oder zu beeinflussen, ist mit der finanziellen Unabhängigkeit unvereinbar, sofern das Gesetz nicht eine Schutzklausel vorsieht, die gewährleistet, dass eine solche Befugnis nicht die für die Wahrnehmung der Aufgaben der NZB im Rahmen des ESZB erforderlichen finanziellen Mittel berührt.[60]

Rechnungslegungsvorschriften

Die Aufstellung der Bilanzen hat entweder nach allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften oder gemäß den von den Beschlussorganen der NZB festgelegten Bestimmungen zu erfolgen. Werden solche Bestimmungen stattdessen von Dritten festgelegt, müssen darin zumindest die Vorschläge der NZB‑Beschlussorgane berücksichtigt sein.

Die Feststellung des Jahresabschlusses muss durch die Beschlussorgane der NZB (mit Unterstützung unabhängiger Rechnungsprüfer) erfolgen. Der festgestellte Jahresabschluss kann einer nachträglichen Genehmigung durch Dritte (z. B. Regierung oder Parlament) unterliegen. Über die Gewinnermittlung müssen die Beschlussorgane der NZB unabhängig und sachgerecht entscheiden können.

Soweit die Geschäfte einer NZB der Kontrolle durch den Rechnungshof oder eine vergleichbare Stelle unterliegen, muss der Umfang dieser Kontrolle gesetzlich eindeutig festgelegt sein[61] und die Arbeit der unabhängigen externen Rechnungsprüfer der NZB unberührt lassen.[62] Des Weiteren muss im Einklang mit dem Grundsatz der institutionellen Unabhängigkeit dem Verbot der Weisungserteilung an eine NZB oder ihre Beschlussorgane Rechnung getragen und die Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des ESZB uneingeschränkt gewährleistet werden.[63] Die Kontrolle durch den Rechnungshof oder eine vergleichbare Stelle hat auf nichtpolitischer, unabhängiger und rein sachlicher Grundlage zu erfolgen.[64]

Verteilung der Gewinne, Kapital der NZB und finanzielle Bestimmungen

Wie die Gewinne zu verteilen sind, kann in der Satzung einer NZB geregelt sein. Fehlen solche Vorschriften, sollten die Beschlussorgane der NZB auf sachlicher Grundlage darüber entscheiden. Keinesfalls sollte diese Entscheidung im Ermessen Dritter liegen, sofern nicht durch eine Schutzklausel ausdrücklich gewährleistet ist, dass die für die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB sowie von nationalen Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel davon unberührt bleiben.[65]

Gewinne dürfen dem Staatshaushalt erst zugeführt werden, nachdem etwaige akkumulierte Verluste aus den Vorjahren gedeckt[66] und die für notwendig erachteten Rückstellungen gebildet worden sind, um den Realwert von Vermögen und Kapital der NZB zu sichern. Zeitlich befristete oder kurzfristige gesetzgeberische Maßnahmen, die einer Weisung an die NZBen in Bezug auf die Verteilung ihrer Gewinne gleichkommen, sind nicht zulässig.[67] Ebenso würde eine Besteuerung unrealisierter Vermögenszuwächse einer NZB den Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit beeinträchtigen.[68]

Ein Mitgliedstaat darf einer NZB keine Kapitalherabsetzung ohne vorherige Zustimmung der jeweiligen Beschlussorgane der NZB auferlegen. Dies dient der Gewährleistung, dass der NZB als Mitglied des ESZB ausreichende finanzielle Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß Artikel 127 Absatz 2 AEUV und der ESZB‑Satzung zur Verfügung stehen. Aus demselben Grund sollte jegliche Änderung der Bestimmungen zur Verteilung der Gewinne einer NZB nur in Zusammenarbeit mit der NZB eingebracht und beschlossen werden, da diese am besten in der Lage ist, die erforderliche Höhe der Kapitalrücklagen zu beurteilen.[69] Was die Bildung von Rückstellungen oder finanziellen Puffern betrifft, müssen die NZBen berechtigt sein, eigenständig Rückstellungen zu bilden, um den Realwert von Vermögen und Kapital zu sichern. Ferner dürfen die Mitgliedstaaten die NZBen nicht daran hindern, ihre Kapitalrücklagen so weit zu erhöhen, wie es für ein Mitglied des ESZB notwendig ist, um seine Aufgaben zu erfüllen.[70]

Finanzielle Haftung für Aufsichtsbehörden

In den meisten Mitgliedstaaten ist die Finanzaufsicht bei der NZB angesiedelt. Dagegen ist nichts einzuwenden, sofern die zuständigen Stellen der unabhängigen Entscheidungsgewalt der NZB unterliegen. Entscheidet die Finanzaufsicht nach den gesetzlichen Bestimmungen aber eigenständig, muss gewährleistet sein, dass ihre Entscheidungen die Finanzen der NZB als Ganzes nicht gefährden. In diesen Fällen sollten die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der NZB ein Recht auf Letztkontrolle aller Entscheidungen der Aufsicht einräumen, die die Unabhängigkeit einer NZB und insbesondere ihre finanzielle Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten.[71]

Eigenständigkeit in Personalangelegenheiten

Die Mitgliedstaaten dürfen die Fähigkeit einer NZB zur eigenständigen Einstellung und Weiterbeschäftigung qualifizierter Mitarbeiter, die zur Erfüllung der ihr durch den AEUV und die ESZB-Satzung übertragenen Aufgaben erforderlich sind, nicht beeinträchtigen.[72] Auch darf eine NZB nicht in eine Lage versetzt werden, in der sie nur begrenzte oder gar keine Kontrollmöglichkeiten im Hinblick auf ihre Beschäftigten hat oder die Regierung des betreffenden Mitgliedstaats ihre Personalpolitik beeinflussen kann.[73] Etwaige Änderungen gesetzlicher Bestimmungen zur Vergütung von Mitgliedern eines NZB-Beschlussorgans und von NZB-Beschäftigten sind in enger und wirksamer Zusammenarbeit mit der NZB zu beschließen.[74] Dabei ist der Sichtweise der NZB gebührend Rechnung zu tragen, um zu gewährleisten, dass diese ihre Aufgaben auch weiterhin unabhängig wahrnehmen kann.[75] Die Eigenständigkeit in Personalangelegenheiten erstreckt sich auch auf Fragen der Altersversorgung der Beschäftigten. Ferner dürfen Änderungen, die zu einer Verringerung der Vergütung der Beschäftigten einer NZB führen, nicht die Befugnisse dieser NZB zur Verwaltung ihrer eigenen finanziellen Mittel, einschließlich der aus einer Herabsetzung der Vergütung resultierenden Mittel, beeinträchtigen.[76]

Eigentumsrechte

Rechte Dritter, in Bezug auf das Eigentum einer NZB zu intervenieren oder dieser Weisungen zu erteilen, sind mit dem Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit unvereinbar.

2.2.4 Vertraulichkeit

Die Verpflichtung des Personals sowie der Mitglieder der Leitungsgremien der EZB und der NZBen zur Geheimhaltung gemäß Artikel 37 der ESZB-Satzung kann zur Aufnahme ähnlicher Bestimmungen in die Satzungen der NZBen und die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten führen. Der Vorrang des Unionsrechts und der auf dieser Grundlage erlassenen Vorschriften bedeutet auch, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften über den Zugang Dritter zu Dokumenten die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts, einschließlich Artikel 37 der ESZB‑Satzung, erfüllen müssen und die Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB nicht verletzen dürfen.[77] Der Zugang des Rechnungshofs oder einer vergleichbaren Stelle zu vertraulichen Informationen und Dokumenten einer NZB muss auf das für die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben der informationsanfordernden Stelle Notwendige begrenzt sein und darf die Unabhängigkeit und die Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB, denen die Mitglieder der Beschlussorgane sowie das Personal der NZBen unterliegen, nicht beeinträchtigen.[78] Die NZBen sollten gewährleisten, dass diese Stellen die offengelegten Informationen und Dokumente mit der gleichen Vertraulichkeit behandeln wie sie selbst.

2.2.5 Verbot der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten Zugangs

Hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten Zugangs waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die der EU im Jahr 2004, 2007 und 2013 beitraten, an die entsprechenden Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung anzupassen und zum 1. Mai 2004, zum 1. Januar 2007 bzw. zum 1. Juli 2013 in Kraft zu setzen. Schweden musste die erforderlichen Anpassungen bis zum 1. Januar 1995 in Kraft setzen.

Verbot der monetären Finanzierung

Gemäß Artikel 123 Absatz 1 AEUV sind Überziehungs- und andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den NZBen für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der EU, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten verboten.

Ebenso verboten ist der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die NZBen. Der AEUV sieht eine Ausnahme von diesem Verbot der monetären Finanzierung vor: Die Bestimmungen gelten nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum. Diese müssen, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt werden (Artikel 123 Absatz 2 AEUV). Die EZB und die NZBen können überdies als Fiskalagent für die oben bezeichneten Stellen tätig werden (Artikel 21.2 der ESZB-Satzung). Der genaue Anwendungsbereich des Verbots der monetären Finanzierung wird in der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung der in Artikel 104 und Artikel 104b Absatz 1 des Vertrags vorgesehenen Verbote[79] präzisiert, wonach das Verbot jegliche Finanzierung der Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten umfasst.

Das Verbot der monetären Finanzierung ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass das vorrangige Ziel der Geldpolitik, nämlich Preisstabilität zu gewährleisten, nicht beeinträchtigt wird. Darüber hinaus vermindert eine Finanzierung des öffentlichen Sektors durch die Zentralbanken den Druck auf die Mitgliedstaaten, Haushaltsdisziplin zu üben. Daher muss das Verbot weit ausgelegt werden, um seine strikte Anwendung vorbehaltlich der wenigen in Artikel 123 Absatz 2 AEUV und in der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 genannten Ausnahmen zu gewährleisten. Auch wenn in Artikel 123 Absatz 1 AEUV speziell auf „Kreditfazilitäten“ Bezug genommen wird, die also die Verpflichtung zur Rückzahlung der Gelder beinhalten, gilt das Verbot somit a fortiori auch für andere Formen der Finanzierung, bei denen keine Rückzahlungspflicht besteht.

Die grundsätzliche Position der EZB im Hinblick auf die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem Verbot der monetären Finanzierung leitet sich vor allem aus Anhörungen der EZB durch die Mitgliedstaaten zu Entwürfen für innerstaatliche Rechtsvorschriften gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 AEUV ab.[80]

Innerstaatliche Rechtsvorschriften mit Bezug auf das Verbot der monetären Finanzierung

In Fällen, in denen Artikel 123 AEUV oder die Verordnung (EG) Nr. 3603/93 in innerstaatlichen Rechtsvorschriften aufgegriffen werden, dürfen darin der Anwendungsbereich des Verbots der monetären Finanzierung nicht eingeengt und die nach EU-Recht vorgesehenen Ausnahmen nicht erweitert werden. So sind beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Finanzierung von finanziellen Verpflichtungen eines Mitgliedstaats gegenüber internationalen Finanzinstitutionen oder Drittstaaten durch die NZB vorsehen, grundsätzlich mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar. Als Ausnahme erlaubt Verordnung (EG) Nr. 3603/93 die Finanzierung von Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber dem IWF durch die NZBen, sofern sie zu Forderungen an das Ausland führt, die alle Merkmale eines Reserveinstruments aufweisen.[81] Zu diesen maßgeblichen Merkmalen zählt, dass auf Verlangen auf die Forderungen zugegriffen werden kann, um einem aus der Zahlungsbilanz resultierenden Finanzierungsbedarf oder anderen verwandten Zwecken zu begegnen. Dies bedeutet, dass die Bonität und Liquidität der Forderungen gewährleistet sein müssen.[82]

Finanzierung des öffentlichen Sektors bzw. der Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten

Innerstaatliche Rechtsvorschriften dürfen von einer NZB nicht verlangen, die Erfüllung der Aufgaben anderer öffentlicher Stellen oder die Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten zu finanzieren. Dies gilt auch für die Übertragung neuer Aufgaben auf die NZBen. Hierfür muss im Einzelfall geprüft werden, ob es sich bei der auf eine NZB zu übertragende Aufgabe um eine Zentralbankaufgabe oder um eine staatliche, d. h. in die Zuständigkeit der Regierung fallende Aufgabe handelt.[83] Es muss also hinreichend gewährleistet sein, dass das Verbot der monetären Finanzierung nicht umgangen wird. Der EZB-Rat hat Kriterien beschlossen, nach denen sich bestimmen lässt, was zu den Verpflichtungen des öffentlichen Sektors im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 gehört und somit eine staatliche Aufgabe darstellt.[84] Um die Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung zu gewährleisten, muss eine neue Aufgabe, die einer NZB übertragen wird, vollständig und angemessen vergütet werden, wenn sie: a) keine Zentralbankaufgabe oder Tätigkeit ist, welche die Wahrnehmung einer Zentralbankaufgabe erleichtert, oder b) mit einer staatlichen Aufgabe verbunden ist und im Interesse des Staates wahrgenommen wird.[85] Wichtige Kriterien für die Einstufung einer neuen Aufgabe als staatliche Aufgabe sind: a) ihr atypischer Charakter, b) die Tatsache, dass sie im Auftrag und im ausschließlichen Interesse des Staates wahrgenommen wird, und c) ihre Auswirkungen auf die institutionelle, finanzielle und persönliche Unabhängigkeit der NZB. So kann eine neue Aufgabe als staatliche Aufgabe eingestuft werden, wenn bei ihrer Wahrnehmung eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: a) Sie führt zu Interessenkonflikten mit bestehenden Zentralbankaufgaben, die nicht angemessen gelöst werden, b) sie steht in keinem Verhältnis zur finanziellen oder organisatorischen Leistungsfähigkeit der NZB, c) sie passt nicht in den institutionellen Aufbau der NZB, d) sie birgt erhebliche finanzielle Risiken und e) sie setzt die Mitglieder der Beschlussorgane der NZB unverhältnismäßigen politischen Risiken aus, die sich zudem negativ auf ihre persönliche Unabhängigkeit auswirken können.[86]

Zu den einer NZB übertragenen Aufgaben, die von der EZB als staatliche Aufgaben erachtet werden, zählen unter anderem: a) Aufgaben im Zusammenhang mit der Finanzierung von Abwicklungsfonds oder Finanzierungsmechanismen sowie Aufgaben im Zusammenhang mit Einlagensicherungs- oder Anlegerentschädigungssystemen,[87] b) Aufgaben im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Zentralregisters für Bankkontonummern,[88] c) Aufgaben eines Kreditmediators,[89] d) Aufgaben im Zusammenhang mit der Erhebung, Pflege und Verarbeitung von Daten zur Berechnung von Versicherungsprämientransfers,[90] e) Aufgaben im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsschutz am Hypothekenmarkt,[91] f) Aufgaben im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Mitteln an Organe, die unabhängig von der NZB sind und als verlängerter Arm des Staates fungieren,[92] g) Aufgaben einer Informationsbehörde zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Inkassowesens in zivil- und handelsrechtlichen Angelegenheiten,[93] h) Aufgaben im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Datenbank über Versicherungsforderungen,[94] i) Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung wissenschaftlicher Analysen im Auftrag und zugunsten von öffentlichen Stellen[95] sowie j) Aufgaben im Zusammenhang mit der nationalen Verteidigungsbereitschaft, die über die internen Notfallplanungsaufgaben einer Zentralbank hinausgehen.[96] Zu den Zentralbankaufgaben zählen dagegen unter anderem Aufsichtsaufgaben[97] oder Aufgaben im Zusammenhang mit solchen Aufsichtsaufgaben, wie etwa der Verbraucherschutz im Bereich Finanzdienstleistungen[98] oder die Einhaltung der Kreditrestrukturierungsanforderungen durch Kreditinstitute,[99] die Aufsicht über kreditankaufende Unternehmen[100] oder Finanzierungsleasinggesellschaften,[101] die Aufsicht über Anbieter und Vermittler von Verbraucherkrediten,[102] die Erteilung von Zulassungen für und die Aufsicht über Anbieter von Mikrokrediten,[103] die Aufsicht über Kreditauskunfteien,[104] die Aufsicht über Verwalter von Referenzzinssätzen,[105] Aufsichtsaufgaben zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts im Bereich Anlagedienstleistungen und -produkte,[106] Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung von Zahlungssystemen,[107] Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Regeln für den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA),[108] Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Emission gedeckter Schuldverschreibungen durch Kreditinstitute,[109] Aufgaben im Zusammenhang mit der Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts bezüglich Zahlungskonten,[110] administrative Abwicklungsaufgaben oder bestimmte Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung von Einlagensicherungs- oder Anlegerschutzsystemen[111] sowie Aufgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Verwaltung von Kreditregistern.[112]

Eine NZB darf zudem keine Zwischenfinanzierung bereitstellen, um es einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seinen Verpflichtungen in Bezug auf staatliche Garantien für Bankverbindlichkeiten nachzukommen.[113] Die Verteilung nicht vollständig realisierter, ausgewiesener und geprüfter Zentralbankgewinne ist mit dem Verbot der monetären Finanzierung ebenfalls nicht vereinbar. Um dem Verbot der monetären Finanzierung Genüge zu tun, darf der dem Staatshaushalt gemäß den geltenden Regeln der Gewinnverteilung zugeführte Betrag nicht − auch nicht teilweise − aus den Kapitalreserven der NZB gezahlt werden. Die Gewinnverteilungsregeln müssen daher die Kapitalreserven der NZB unberührt lassen. Darüber hinaus sind Vermögenswerte von NZBen, die an den Staat übertragen werden, zum Marktwert zu verzinsen, und die Übertragung muss zur selben Zeit erfolgen wie die Verzinsung.[114]

Auch ein Eingriff in die Wahrnehmung sonstiger Aufgaben des Eurosystems, wie etwa die Verwaltung der Währungsreserven, mittels Besteuerung theoretischer und unrealisierter Vermögenszuwächse ist nicht gestattet, da dies eine Form der Gewährung von Zentralbankkrediten an öffentliche Stellen im Wege der Vorabausschüttung künftiger und ungewisser Gewinne darstellen würde.[115]

Übernahme der Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, denen zufolge eine NZB verpflichtet ist, die Verbindlichkeiten einer bislang unabhängigen öffentlichen Stelle im Zuge einer nationalen Neuordnung bestimmter Aufgaben und Pflichten (z. B. im Zusammenhang mit der Übertragung bestimmter, bislang vom Staat oder von unabhängigen öffentlichen Behörden oder Stellen wahrgenommener aufsichtsrechtlicher Aufgaben an die NZB) zu übernehmen, ohne dass sie von sämtlichen finanziellen Verpflichtungen aus der vorherigen Tätigkeit dieser öffentlichen Stelle vollständig freigestellt wird, sind mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar.[116] Entsprechend sind auch innerstaatliche Rechtsvorschriften, die von einer NZB verlangen, vor der Ergreifung von Abwicklungsmaßnahmen unter einer Vielzahl von Bedingungen die Genehmigung der Regierung einzuholen, die jedoch nicht die Haftung der NZB für ihre eigenen Verwaltungsvorschriften begrenzen, mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar.[117] Ebenso stehen innerstaatliche Rechtsvorschriften, die von einer NZB verlangen, Entschädigungszahlungen zu leisten, mit dem Verbot der monetären Finanzierung nicht im Einklang, soweit es dadurch zu einer Übernahme der Haftung des Staates durch die NZB kommt.[118]

Finanzielle Unterstützung für Kredit- und Finanzinstitute

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass eine NZB ohne Bezug zu Zentralbankaufgaben (wie etwa der Geldpolitik, dem Zahlungsverkehr oder der vorübergehenden Gewährung von Liquiditätshilfen) Kreditinstituten unabhängig und im alleinigen Ermessen finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, insbesondere dass sie zahlungsunfähige Kredit- bzw. sonstige Finanzinstitute unterstützt, sind mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar.

Dies betrifft insbesondere die Unterstützung insolventer Kreditinstitute. Der Grund hierfür ist, dass eine NZB mit der Finanzierung eines insolventen Kreditinstituts eine staatliche Aufgabe wahrnehmen würde.[119] Die gleichen Bedenken gelten, wenn das Eurosystem ein Kreditinstitut finanziert, das zur Wiederherstellung der Solvenz über eine direkte Platzierung vom Staat begebener Schuldtitel rekapitalisiert worden ist, weil keine alternativen marktbasierten Finanzierungsquellen vorhanden sind (nachfolgend „Rekapitalisierungsanleihen“), und wenn diese Anleihen als Sicherheiten verwendet werden sollen. In solch einem Fall einer staatlichen Rekapitalisierung eines Kreditinstituts über die direkte Platzierung von Rekapitalisierungsanleihen gibt deren anschließende Nutzung als Sicherheiten in Liquiditätsgeschäften der Zentralbank Anlass zu Bedenken hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung.[120] Eine Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA), die eine NZB einem solventen Kreditinstitut auf der Grundlage einer Sicherheit in Form einer staatlichen Garantie unabhängig und im alleinigen Ermessen gewährt, muss die folgenden Kriterien erfüllen: a) Es muss sichergestellt sein, dass der von der NZB gewährte Kredit so kurzfristig wie möglich ist, b) die Systemstabilität muss gefährdet sein, c) es darf keine Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Gültigkeit und Durchsetzbarkeit der staatlichen Garantie gemäß den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften geben, und d) es darf keine Zweifel an der wirtschaftlichen Angemessenheit der staatlichen Garantie geben, die sowohl den Nennbetrag als auch die Zinsen des Kredits abdecken muss.[121]

Zu diesem Zweck sollte in Betracht gezogen werden, Verweise auf Artikel 123 AEUV in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften einzufügen.

Finanzielle Unterstützung für Abwicklungsfonds oder Finanzierungsmechanismen sowie Einlagensicherungs-und Anlegerentschädigungssysteme

Die Finanzierung eines Abwicklungsfonds oder Einlagensicherungsfonds, der als „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ im Sinne von Artikel 123 Absatz 1 AEUV gilt, durch eine NZB ist mit dem Verbot der monetären Finanzierung nicht vereinbar. Als „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ gilt jede Einrichtung, die sämtliche der folgenden Merkmale aufweist: a) Sie wurde zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, b) sie besitzt Rechtspersönlichkeit, und c) es besteht eine enge Abhängigkeit von den in Artikel 123 Absatz 1 AEUV genannten öffentlichen Stellen. Solch eine enge Abhängigkeit von diesen öffentlichen Stellen wird vermutet, wenn die Einrichtung überwiegend von ihnen finanziert wird oder hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser öffentlichen Stellen untersteht oder ein Verwaltungs-, Leitungs- bzw. Aufsichtsorgan hat, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von diesen ernannt worden sind.[122]

Während bei administrativen Abwicklungsaufgaben allgemein von einem Bezug zu den in Artikel 127 Absatz 5 AEUV genannten Aufgaben ausgegangen wird, steht die Finanzierung eines Abwicklungsfonds oder eines Finanzierungsmechanismus – selbst wenn es sich nicht um eine „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ handelt – nicht mit dem Verbot der monetären Finanzierung im Einklang.[123] Tritt die NZB als Abwicklungsbehörde auf, so sollte sie auf keinen Fall die Verpflichtungen eines Brückeninstituts oder einer zur Vermögensverwaltung errichteten Zweckgesellschaft übernehmen oder finanzieren.[124] Zu diesem Zweck sollten die innerstaatlichen Rechtsvorschriften klarstellen, dass die NZB keinerlei Verpflichtungen dieser Stellen übernehmen oder finanzieren wird.[125]

Die Richtlinie über Einlagensicherungssysteme[126] und die Richtlinie über Systeme für die Entschädigung der Anleger[127] sehen vor, dass die Kosten der Finanzierung solcher Systeme von den Kreditinstituten bzw. den Wertpapierfirmen selbst zu tragen sind. Mit Ausnahme der Finanzierung einer „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ sind innerstaatliche Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass eine NZB eine nationale Einlagensicherungseinrichtung für Kreditinstitute bzw. eine nationale Anlegerentschädigungseinrichtung für Wertpapierfirmen finanziert, nur dann mit dem Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, wenn es sich um eine kurzfristige Finanzierung handelt, wenn diese aufgrund von Dringlichkeit erfolgt, wenn die Systemstabilität gefährdet ist und wenn die Entscheidung über die Finanzierung im Ermessen der jeweiligen NZB steht.[128] Zu diesem Zweck sollte in Betracht gezogen werden, Verweise auf Artikel 123 AEUV in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften einzufügen. Wenn eine NZB ihr Ermessen über eine Kreditgewährung ausübt, muss sie sicherstellen, dass sie nicht de facto eine staatliche Aufgabe übernimmt.[129] Insbesondere sollte die von Zentralbanken geleistete Unterstützung für Einlagensicherungssysteme nicht auf eine systematische Vorfinanzierung hinauslaufen.[130]

Funktion als Fiskalagent

Artikel 21.2 der ESZB-Satzung legt fest, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken als Fiskalagent für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten tätig werden können. Damit soll klargestellt werden, dass die NZBen nach der Übertragung der geldpolitischen Zuständigkeit auf das Eurosystem weiterhin ihren traditionellen Dienst als Fiskalagent für Regierungen und andere öffentliche Stellen ausüben können, ohne dabei gegen das Verbot der monetären Finanzierung zu verstoßen. Die Verordnung (EG) Nr. 3603/93 sieht darüber hinaus eine Reihe konkreter und eng gefasster Ausnahmen von dem Verbot der monetären Finanzierung im Zusammenhang mit der Funktion als Fiskalagent vor: 1) Innerhalb eines Tages gewährte Kredite an den öffentlichen Sektor sind gestattet, sofern sie auf den betreffenden Tag begrenzt bleiben und keine Verlängerung möglich ist;[131] 2) durch Dritte ausgestellte Schecks auf dem Konto des öffentlichen Sektors gutzuschreiben, bevor die Lastschrift bei der bezogenen Bank erfolgt, ist gestattet, sofern die seit der Entgegennahme des Schecks verstrichene Frist mit den für den Einzug von Schecks durch die Zentralbank des betreffenden Mitgliedstaats üblichen Fristen in Einklang steht, sodass etwaige Wertstellungsgewinne Ausnahmecharakter haben, geringe Beträge betreffen und sich innerhalb eines kurzen Zeitraums ausgleichen;[132] 3) Bestände an vom öffentlichen Sektor ausgegebenen Münzen, die dessen Konto gutgeschrieben wurden, sind gestattet, sofern sie weniger als 10 % des Münzumlaufs ausmachen.[133]

Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bezüglich der Funktion als Fiskalagent müssen mit dem EU-Recht im Allgemeinen und mit dem Verbot der monetären Finanzierung im Besonderen vereinbar sein.[134] Angesichts der in Artikel 21.2 der ESZB-Satzung verankerten ausdrücklichen Anerkennung der Funktion der NZBen als Fiskalagent, bei der es sich um eine legitime, von ihnen traditionell wahrgenommene Aufgabe handelt, sind die von Zentralbanken diesbezüglich erbrachten Dienstleistungen mit dem Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, sofern solche Dienste nicht über den Rahmen der Tätigkeit als Fiskalagent hinausgehen und keine Finanzierung von Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten durch die Zentralbank oder Kreditgewährung der Zentralbank zugunsten des öffentlichen Sektors außerhalb der eng definierten Ausnahmen gemäß Verordnung (EG) Nr. 3603/93 darstellen.[135] Innerstaatliche Rechtsvorschriften, denen zufolge eine NZB Einlagen der Regierung halten und Konten der öffentlichen Haushalte bedienen darf, werfen keine Fragen hinsichtlich der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung auf, solange damit nicht die Möglichkeit der Gewährung von Krediten, einschließlich Tagesüberziehungskrediten, verbunden ist. Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung ergäben sich jedoch beispielsweise dann, wenn Einlagen oder Guthaben auf Girokonten gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften höher als zu den marktüblichen Sätzen, statt zu Marktsätzen oder niedriger, verzinst werden können. Eine über den Marktsätzen liegende Verzinsung kommt de facto einem Kredit gleich, was dem Ziel des Verbots der monetären Finanzierung zuwiderläuft und daher die mit dem Verbot verbundenen Ziele untergraben könnte. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass jede Verzinsung eines Kontos den Marktparametern entspricht, und noch wichtiger, dass der Zinssatz der Einlagen mit ihrer jeweiligen Laufzeit korreliert.[136] Soweit Fiskalagentdienste durch eine NZB unentgeltlich erbracht werden, bestehen hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung keine Bedenken, sofern es sich dabei um Kernleistungen als Fiskalagent handelt.[137]

Verbot des bevorrechtigten Zugangs

Artikel 124 AEUV legt fest, dass sämtliche „Maßnahmen, die nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und einen bevorrechtigten Zugang der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen der Mitgliedstaaten zu den Finanzinstituten schaffen,“ verboten sind. Ebenso wie das Verbot der monetären Finanzierung soll auch das Verbot des bevorrechtigten Zugangs die Mitgliedstaaten dazu anhalten, eine gesunde Haushaltspolitik zu befolgen, indem vermieden wird, dass eine monetäre Finanzierung öffentlicher Defizite oder ein bevorrechtigter Zugang der öffentlichen Hand zu den Finanzmärkten zu einer übermäßigen Verschuldung oder überhöhten Defiziten der Mitgliedstaaten führen.[138]

Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates[139] handelt es sich bei einem bevorrechtigten Zugang um sämtliche Gesetze, Rechtsvorschriften oder sonstige zwingende Rechtsakte, die in Ausübung der öffentlichen Gewalt erlassen werden und a) Finanzinstitute dazu verpflichten, Forderungen gegenüber Organen und Einrichtungen der Union, Zentralregierungen, regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften, anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlichen Unternehmen der Mitgliedstaaten zu erwerben oder zu halten, oder b) Steuervergünstigungen, die nur Finanzinstituten zugutekommen, oder finanzielle Vergünstigungen, die mit den Grundsätzen der Marktwirtschaft nicht in Einklang stehen, gewähren, um den Erwerb oder Besitz solcher Forderungen durch diese Institute zu fördern.

Den NZBen ist es als Behörden nicht gestattet, Maßnahmen zu ergreifen, die dem öffentlichen Sektor einen bevorrechtigten Zugang zu Finanzinstituten gewähren, sofern diese Maßnahmen nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden. Die von den NZBen erlassenen Vorschriften für die Mobilisierung oder Verpfändung von Schuldtiteln dürfen nicht dazu dienen, das Verbot des bevorrechtigten Zugangs zu umgehen.[140] Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich dürfen keinen solchen bevorrechtigten Zugang schaffen.

Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 definiert „aufsichtsrechtliche Gründe“ als Gründe, die den aufgrund des EU-Rechts oder in Übereinstimmung damit erlassenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bzw. Verwaltungsmaßnahmen zugrunde liegen und die die Solidität der Finanzinstitute fördern und somit die Stabilität des gesamten Finanzsystems und den Schutz der Kunden dieser Finanzinstitute stärken sollen. Aufsichtsrechtliche Gründe sollen sicherstellen, dass Banken gegenüber ihren Einlegern solvent bleiben.[141] Im Bereich der Bankenaufsicht wurden im Sekundärrecht der EU verschiedene Anforderungen festgelegt, um die Solidität der Kreditinstitute zu gewährleisten.[142] Ein „Kreditinstitut“ wird definiert als ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren.[143] Zudem benötigen Kreditinstitute – die gemeinhin als „Banken“ bezeichnet werden – für die Bereitstellung von Dienstleistungen die Zulassung durch eine zuständige Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats.[144]

Die Mindestreserven könnten zwar als Bestandteil der Aufsichtsanforderungen betrachtet werden, sie zählen aber zum Handlungsrahmen der NZBen und werden in den meisten Volkswirtschaften – so auch im Euro-Währungsgebiet – als geldpolitisches Instrument genutzt.[145] In diesem Zusammenhang wird in Anhang I Absatz 2 der Leitlinie EZB/2014/60[146] dargelegt, dass das Mindestreservesystem des Eurosystems in erster Linie dazu dient, die Geldmarktzinsen zu stabilisieren und eine strukturelle Liquiditätsknappheit herbeizuführen (oder zu vergrößern).[147] Die EZB verlangt von im Euroraum niedergelassenen Kreditinstituten, dass sie die erforderlichen Mindestreserven (in Form von Einlagen) auf einem Konto bei ihrer NZB halten.[148]

Der vorliegende Bericht stellt auf die Vereinbarkeit sowohl der innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Bestimmungen der NZBen als auch der Satzungen der NZBen mit dem im AEUV verankerten Verbot des bevorrechtigten Zugangs ab. Er steht jedoch einer Beurteilung, ob in den Mitgliedstaaten Rechts- oder Verwaltungsvorschriften unter dem Vorwand aufsichtsrechtlicher Gründe dazu dienen, das Verbot des bevorrechtigten Zugangs zu umgehen, nicht entgegen. Eine solche Beurteilung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berichts.

2.2.6 Einheitliche Schreibweise des Euro

Gemäß Artikel 3 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union errichtet die Union „eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist“. In allen verbindlichen Sprachfassungen der Verträge, denen das römische Alphabet zugrunde liegt, wird der Euro einheitlich im Nominativ Singular als „Euro“ bezeichnet. In den unter Verwendung des griechischen Alphabets und des kyrillischen Alphabets abgefassten Vertragstexten wird der Euro als „ ευρώ“ bzw. „ евро“ bezeichnet.[149] Im Einklang hiermit stellt die Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro[150] klar, dass die einheitliche Währung in allen Amtssprachen der Union unter Berücksichtigung der verschiedenen Alphabete denselben Namen tragen muss. Die Verträge fordern daher eine einheitliche Schreibweise des Wortes „Euro“ im Nominativ Singular in allen Rechtsvorschriften der EU und allen innerstaatlichen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Alphabete.

In Anbetracht der ausschließlichen Zuständigkeit der EU für die Festlegung des Namens der einheitlichen Währung sind jegliche Abweichungen von dieser Bestimmung mit den Verträgen unvereinbar und daher zu beseitigen.[151] Dieser Grundsatz findet zwar auf sämtliche innerstaatlichen Rechtsvorschriften Anwendung, doch konzentriert sich die Beurteilung in den Länderkapiteln auf die Satzungen der NZBen und die Bestimmungen zur Euro-Bargeldumstellung.

2.2.7 Rechtliche Integration der NZBen in das Eurosystem

Innerstaatliche Rechtsvorschriften (insbesondere die Satzung einer NZB, aber auch sonstige Rechtsvorschriften), die die Erfüllung von Aufgaben im Rahmen des Eurosystems oder die Einhaltung von EZB-Beschlüssen behindern würden, sind mit dem reibungslosen Funktionieren des Eurosystems nach der Einführung des Euro in dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht vereinbar. Sie sind daher entsprechend abzuändern, um die Vereinbarkeit mit dem AEUV und der ESZB-Satzung im Hinblick auf die Aufgaben im Rahmen des Eurosystems zu gewährleisten. Zur Erfüllung von Artikel 131 AEUV waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bis zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB (im Fall Schwedens) sowie bis zum 1. Mai 2004, 1. Januar 2007 bzw. 1. Juli 2013 (bei den Mitgliedstaaten, die zum jeweiligen Zeitpunkt der EU beitraten) anzupassen. Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der vollständigen rechtlichen Integration einer NZB in das Eurosystem müssen hingegen erst dann in Kraft treten, wenn die vollständige Integration wirksam wird – also erst zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, den Euro einführt.

Das Hauptaugenmerk in diesem Bericht gilt jenen Rechtsvorschriften, die NZBen daran hindern könnten, ihren Verpflichtungen im Rahmen des Eurosystems nachzukommen. Dazu zählen Bestimmungen, a) die NZBen davon abhalten könnten, sich an der Durchführung der von den Beschlussorganen der EZB festgelegten einheitlichen Geldpolitik zu beteiligen, b) die einen Zentralbankpräsidenten bei der Erfüllung seiner Aufgaben als Mitglied des EZB-Rats behindern könnten, c) in denen die Vorrechte der EZB nicht berücksichtigt sind, d) in denen nicht berücksichtigt ist, dass die ausschließliche Zuständigkeit für Aufgaben im Rahmen des ESZB in Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, unwiderruflich der Union übertragen ist,[152] oder e) denen zufolge NZBen bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des ESZB an Entscheidungen nationaler Behörden gebunden sind, die Rechtsakten der EZB entgegenstehen. Dabei wird unterschieden zwischen wirtschaftspolitischer Zielbestimmung, Aufgaben, Finanzvorschriften, Wechselkurspolitik und internationaler Zusammenarbeit. Schließlich werden noch andere Bereiche angeführt, in denen die NZB-Satzungen möglicherweise angepasst werden müssen.

Wirtschaftspolitische Zielbestimmung

Die vollständige Integration einer NZB in das Eurosystem erfordert, dass die in ihrer Satzung verankerten Ziele mit den Zielen des ESZB (nach Artikel 2 der ESZB‑Satzung) im Einklang stehen. Dies bedeutet unter anderem, dass gewisse innerstaatlich motivierte Ziele − zum Beispiel die Verpflichtung, die Geldpolitik im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik des betreffenden Mitgliedstaats durchzuführen − entsprechend abzuändern sind. Außerdem müssen auch die nachrangigen Ziele der NZBen mit ihrer Verpflichtung, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der EU zu unterstützen, um zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen (dies selbst ein Ziel, das das Ziel der Preisstabilität unbeschadet lässt), vereinbar sein und dürfen ihr nicht entgegenstehen.[153]

Aufgaben

Die Aufgaben der NZB eines Mitgliedstaats, dessen Währung der Euro ist, werden aufgrund des Status dieser NZB als integraler Bestandteil des Eurosystems in erster Linie durch den AEUV und die ESZB-Satzung bestimmt. Zur Erfüllung von Artikel 131 AEUV müssen daher die Aufgabenbeschreibungen in der Satzung einer NZB mit den betreffenden Bestimmungen im AEUV und in der ESZB-Satzung verglichen und Unvereinbarkeiten beseitigt werden.[154] Dies gilt für alle Bestimmungen, die nach der Einführung des Euro und der Integration in das Eurosystem die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB beeinträchtigen, vor allem für Bestimmungen, in denen die Zuständigkeit des ESZB nach Kapitel IV der ESZB-Satzung nicht berücksichtigt ist.

In den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Geldpolitik muss berücksichtigt sein, dass die Geldpolitik der Union durch das Eurosystem auszuführen ist.[155] In der Satzung einer NZB können Bestimmungen über das geldpolitische Instrumentarium enthalten sein. Diese Bestimmungen müssen mit den entsprechenden Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung vergleichbar sein und etwaige Unvereinbarkeiten beseitigt werden, um Artikel 131 AEUV zu entsprechen.

Die NZBen überwachen auf regelmäßiger Basis die Entwicklung der öffentlichen Finanzen, damit sie den künftig einzuschlagenden geldpolitischen Kurs angemessen beurteilen können. Gestützt auf diese Überwachungstätigkeit und die Unabhängigkeit ihrer Empfehlungen dürfen die NZBen zudem ihre Meinung zu relevanten Entwicklungen der öffentlichen Finanzen äußern, um zum reibungslosen Funktionieren der Europäischen Währungsunion beizutragen. Die Überwachung der Entwicklung der öffentlichen Finanzen durch die NZBen zu geldpolitischen Zwecken sollte auf der Grundlage eines uneingeschränkten Zugangs zu allen relevanten Daten über die öffentlichen Finanzen erfolgen. Die NZBen sollten daher einen vollständigen, zeitnahen und automatischen Zugang zu allen relevanten Finanzstatistiken erhalten. Ihre Rolle sollte sich jedoch auf Überwachungsaktivitäten beschränken, die sich aus der Erfüllung ihres geldpolitischen Mandats ergeben oder – direkt oder indirekt – damit in Verbindung stehen.[156] Wird einer NZB formal ein Mandat zur Beurteilung von Prognosen und der Entwicklung der öffentlichen Finanzen erteilt, so impliziert dies für die NZB eine Funktion (und damit auch eine entsprechende Verantwortung) im Rahmen der Finanzpolitik, wodurch die Erfüllung des geldpolitischen Mandats des Eurosystems und die Unabhängigkeit der NZB unterminiert werden können.[157]

Im Zusammenhang mit den innerstaatlichen Gesetzesinitiativen zur Beseitigung der Turbulenzen an den Finanzmärkten hat die EZB betont, dass jegliche Verzerrung an den nationalen Geldmärkten des Euro-Währungsgebiets zu vermeiden ist, da hierdurch die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik beeinträchtigt werden könnte. Dies gilt insbesondere für die Ausweitung staatlicher Garantien auf Interbankeneinlagen.[158]

Die Mitgliedstaaten müssen gewährleisten, dass innerstaatliche gesetzgeberische Maßnahmen zur Behebung von Liquiditätsproblemen bei Unternehmen oder professionellen Marktteilnehmern, etwa zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinstituten, keine negativen Auswirkungen auf die Marktliquidität haben. Insbesondere dürfen solche Maßnahmen nicht mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft im Sinne von Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union unvereinbar sein, da dies die Kreditvergabe behindern, die Stabilität von Finanzinstituten und -märkten wesentlich beeinflussen und somit die Wahrnehmung der Aufgaben des Eurosystems beeinträchtigen könnte.[159]

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die der jeweiligen NZB das alleinige Recht zur Ausgabe von Banknoten einräumen, müssen ab der Einführung des Euro das ausschließliche Recht des EZB-Rats zur Genehmigung der Ausgabe von Euro Banknoten gemäß Artikel 128 Absatz 1 AEUV und Artikel 16 der ESZB-Satzung anerkennen, während das Recht zur Ausgabe von Euro-Banknoten der EZB und den NZBen zusteht. Ferner müssen innerstaatliche Rechtsvorschriften, nach denen die Regierung Einfluss auf Euro-Banknoten, beispielsweise auf deren Stückelung, Herstellung, Umlauf und Einziehung, nehmen kann, entweder aufgehoben werden oder die Zuständigkeit der EZB für die Euro-Banknoten im Sinne der oben genannten Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung berücksichtigen. Ungeachtet der Aufgabenteilung zwischen den Regierungen und den NZBen in Bezug auf Münzen müssen die jeweiligen Bestimmungen nach der Einführung des Euro das Recht der EZB zur Genehmigung des Umfangs der Münzausgabe anerkennen. Ein Mitgliedstaat darf das sich im Umlauf befindliche Bargeld nicht als Verbindlichkeit seiner NZB gegenüber der Regierung dieses Mitgliedstaats betrachten, da dies das Konzept einer einheitlichen Währung zu Fall bringen würde und mit den Anforderungen an die rechtliche Integration in das Eurosystem unvereinbar wäre.[160]

Was die Verwaltung der Währungsreserven betrifft,[161] so verstößt ein Mitgliedstaat, der den Euro eingeführt hat und seine offiziellen Währungsreserven[162] nicht an die NZB überträgt, gegen den AEUV. Ferner ist jedwedes Recht eines Dritten, zum Beispiel der Regierung oder des Parlaments, Einfluss auf die Entscheidungen einer NZB hinsichtlich der Verwaltung der offiziellen Währungsreserven zu nehmen, mit Artikel 127 Absatz 2 dritter Gedankenstrich AEUV unvereinbar. Darüber hinaus müssen die NZBen entsprechend ihrem Anteil am gezeichneten Kapital der EZB Währungsreserven an die EZB übertragen. Dies bedeutet, dass die NZBen nicht durch rechtliche Bestimmungen daran gehindert werden dürfen, Währungsreserven an die EZB zu übertragen.

Im Hinblick auf Statistiken begründen zwar Verordnungen, die von der EZB nach Artikel 34.1 der ESZB-Satzung im Bereich der Statistiken erlassen wurden, keinerlei Rechte oder Verpflichtungen für jene Mitgliedstaaten, die den Euro nicht eingeführt haben; allerdings gilt Artikel 5 der ESZB-Satzung, der die Erhebung statistischer Daten betrifft, für alle Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob sie den Euro eingeführt haben. Dementsprechend sind Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, dazu verpflichtet, auf nationaler Ebene alle Maßnahmen zu treffen und umzusetzen, die sie für erforderlich halten, um die zur Erfüllung der statistischen Berichtspflichten gegenüber der EZB benötigten statistischen Daten zu erheben[163] und rechtzeitig alle Vorbereitungen zu treffen, die im statistischen Bereich erforderlich sind, um den Euro einführen zu können.[164] Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die den Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den NZBen und den nationalen Statistikämtern festlegen, müssen die Unabhängigkeit der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit dem statistischen Berichtsrahmen des ESZB gewährleisten.[165]

Finanzvorschriften

Die Finanzvorschriften der ESZB-Satzung enthalten Bestimmungen über die Jahresabschlüsse[166], Rechnungsprüfung[167], Kapitalzeichnung[168], Übertragung von Währungsreserven[169] und Verteilung der monetären Einkünfte[170]. Die NZBen müssen in der Lage sein, ihren Verpflichtungen aus diesen Bestimmungen nachzukommen; damit nicht in Einklang stehende innerstaatliche Vorschriften sind daher aufzuheben.

Wechselkurspolitik

Ein Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, kann innerstaatliche Rechtsvorschriften beibehalten, denen zufolge die Regierung für die Wechselkurspolitik dieses Mitgliedstaats zuständig ist, wobei der jeweiligen NZB ein Beratungsrecht und/oder die ausführende Rolle eingeräumt werden kann. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mitgliedstaat den Euro einführt, sind diese Bestimmungen jedoch dahingehend anzupassen, dass die Verantwortung für die Wechselkurspolitik des Euro-Währungsgebiets gemäß Artikel 138 und Artikel 219 AEUV auf der Ebene der EU liegt.

Internationale Zusammenarbeit

Im Hinblick auf die Einführung des Euro müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit Artikel 6.1 der ESZB-Satzung vereinbar sein, wonach im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, die die dem Eurosystem übertragenen Aufgaben betrifft, die EZB entscheidet, wie das ESZB vertreten wird. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die einer NZB die Beteiligung an internationalen Währungseinrichtungen erlauben, müssen eine solche Beteiligung unter den Zustimmungsvorbehalt der EZB stellen (Artikel 6.2 der ESZB-Satzung).

Sonstiges

Neben den oben genannten Punkten gibt es bei einigen Mitgliedstaaten noch andere Bereiche, in denen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften angepasst werden müssen (beispielsweise im Bereich der Verrechnungs- und Zahlungssysteme und des Informationsaustauschs).

3 Stand der wirtschaftlichen Konvergenz

Dieses Kapitel liefert einen horizontalen Überblick. Einige Faktoren, die für die Gesamtbeurteilung relevant sind, werden nicht an dieser Stelle, sondern in Kapitel 4 und 5 erörtert.

Hinsichtlich der Einhaltung der Konvergenzkriterien hielten sich die Fortschritte seit dem Konvergenzbericht 2020 der EZB in Grenzen, was hauptsächlich auf das schwierige wirtschaftliche Umfeld zurückzuführen war (siehe Tabelle 3.1). Wie bereits im Jahr 2020 liegt die Teuerung nach dem HVPI in fünf der sieben in diesem Bericht untersuchten Länder deutlich oberhalb des Referenzwerts. Seit April 2020 ist der Zwölfmonatsdurchschnitt des Abstands der langfristigen Zinsen gegenüber dem Euroraum in einem Land geringfügig zurückgegangen und in drei Ländern praktisch gleich geblieben, während er sich in den drei übrigen Ländern – wenn auch in recht unterschiedlichem Maße – vergrößert hat. In zwei Staaten lag der langfristige Zinssatz oberhalb und in einem weiteren deutlich oberhalb des Referenzwerts. Im Jahr 2020 hatte er lediglich in einem Land über dem Referenzwert gelegen. Zwei Länder (Bulgarien und Kroatien) traten im Juli 2020 dem WKM II bei. Die Wechselkurse der Währungen einiger in diesem Bericht untersuchter Staaten verzeichneten in den vergangenen Jahren beträchtliche Schwankungen gegenüber dem Euro, und manche Währungen haben seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 deutlich abgewertet. In den meisten Ländern wurden beim Abbau von Haushaltsungleichgewichten keine Fortschritte erzielt, da die Corona-Pandemie (Covid‑19) zu einer erheblichen Konjunktureintrübung führte und finanzpolitische Maßnahmen ergriffen wurden, um ihre Auswirkungen abzumildern.

Die Energie-, Rohstoff-, Devisen- und internationalen Kapitalmärkte wurden Ende Februar 2022 aufgrund des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine von heftigen Schocks erfasst. Diese Störungen dürften sich besonders stark auf die mittel- und osteuropäischen Länder ausgewirkt haben. So hat sich die Inflation aufgrund steigender Energie- und Rohstoffpreise weiter erhöht. Wie die jüngste Entwicklung der Teuerung zeigt, ist der Preisdruck auch zunehmend breit angelegt, und die Inflation könnte in den kommenden Monaten erhöht bleiben und weiterhin über den erwarteten Werten liegen, da der Krieg zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. Wie sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine in Zukunft auf die im vorliegenden Bericht untersuchten Länder und ganz allgemein auf die Wirtschaft in der EU auswirken wird, ist derzeit noch weitgehend ungewiss und hängt nicht zuletzt von der Dauer des Krieges und den politischen Reaktionen darauf ab. Die EU ist stark in globale Lieferketten eingebunden, die bereits durch die Pandemie unter Anspannung geraten sind. Der Krieg könnte zu einer dauerhaften Umgestaltung der Lieferketten führen, was sich mittelfristig auch in den wirtschaftlichen Aussichten und im Preisniveau niederschlagen würde. Die Transmission des kriegsbedingten Schocks wird in den hier betrachteten Ländern insgesamt unterschiedlich ausfallen und von den jeweiligen Handels- und Finanzverflechtungen, der Anfälligkeit gegenüber Rohstoffpreissteigerungen sowie dem Ausmaß des bereits bestehenden Inflationsanstiegs abhängen.

Tabelle 3.1

Übersicht über die Indikatoren der wirtschaftlichen Konvergenz

Quellen: Europäische Kommission (Eurostat, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen) und Europäisches System der Zentralbanken.
1) Durchschnittliche Veränderung gegen Vorjahr in %. Die Angaben für 2022 beziehen sich auf den Zeitraum von Mai 2021 bis April 2022.
2) Bezieht sich darauf, ob zumindest für einen Teil des Jahres ein Beschluss des Rates vorlag, wonach in diesem Land ein übermäßiges Defizit bestand.
3) Die Daten für 2022 beziehen sich auf den Zeitraum bis zum Stichtag der Statistiken des Berichts (25. Mai 2022).
4) In % des BIP. Die Angaben für 2022 wurden der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission entnommen.
5) Veränderung gegen Vorjahr in %. Eine positive (negative) Zahl zeigt eine Aufwertung (Abwertung) gegenüber dem Euro an. Die Angaben für 2022 beziehen sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 25. Mai 2022.
6) Durchschnittlicher Jahreszinssatz. Die Angaben für 2022 beziehen sich auf den Zeitraum von Mai 2021 bis April 2022.
7) Die Referenzwerte für die HVPI-Inflation und für die langfristigen Zinssätze beziehen sich auf den Zeitraum von Mai 2021 bis April 2022. Die Referenzwerte für den Finanzierungssaldo und die Verschuldung des Staates, auf die in Artikel 126 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Bezug genommen wird, sind im entsprechenden Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit festgelegt.

Nach der Veröffentlichung des letzten Konvergenzberichts (2020) war die EU einem länger als ursprünglich erwartet anhaltenden Schock infolge der Corona-Pandemie ausgesetzt, der 2020 zu einem Konjunktureinbruch führte, von dem sich jedoch alle untersuchten Länder gut erholt haben. Zuletzt allerdings hat der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, der im Februar 2022 begann, die Konjunktur belastet und trübt nun die wirtschaftlichen Aussichten mindestens für das laufende Jahr. Der Ausbruch der Covid‑19-Pandemie im März 2020 hatte im zweiten Quartal 2020 in allen untersuchten Ländern einen Konjunktureinbruch zur Folge. Die schrittweise Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen sowie die weitreichenden finanzpolitischen, aufsichtlichen und geldpolitischen Maßnahmen, die eingeführt wurden, um den wirtschaftlichen Schäden der Pandemie entgegenzuwirken, stützten jedoch die Belebung der Wirtschaftstätigkeit in den darauffolgenden Quartalen. Trotz der Lieferengpässe erholte sich die Konjunktur in den sieben untersuchten Ländern im Jahr 2021 deutlich, was vor allem auf die solide Inlandsnachfrage und die dynamische Arbeitsmarktentwicklung zurückzuführen war. In Kroatien spielte hierbei auch die starke Exportleistung eine Rolle. Die Lage am Arbeitsmarkt verbesserte sich rasch, als die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie gelockert wurden. Gestützt wurde diese Entwicklung durch die von den Behörden umgesetzten politischen Maßnahmen. Folglich blieben die Arbeitsmarktbedingungen zumeist angespannt. In einigen Ländern sind weitere Fortschritte bei der Korrektur außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte und der Reduzierung der Abhängigkeit von der Außenfinanzierung erzielt worden. Dadurch wurde die Widerstandsfähigkeit dieser Staaten gestärkt. Allerdings sind nach wie vor beträchtliche gesamtwirtschaftliche und finanzielle Verwundbarkeiten gegeben, die je nach Land unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Sofern diesen Verwundbarkeiten in Ländern mit niedrigerem Pro-Kopf-BIP nicht in angemessener Weise begegnet wird, dürften sie die Fortschritte im Konvergenzprozess – auch infolge negativer außenwirtschaftlicher Schocks – langfristig bremsen. Seit Anfang 2022 belastet der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine die Konjunktur und die Aussichten und verstärkt über höhere Energie- und Rohstoffpreise den Inflationsdruck. Die Rohstoffpreise sind beträchtlich gestiegen, und die Anfälligkeiten, die sich aus der starken Abhängigkeit von Energie- und einigen anderen Vorleistungsimporten aus einem einzelnen Land (in diesem Fall Russland) ergeben, treten immer mehr in den Vordergrund.

Was das Kriterium der Preisstabilität anbelangt, so lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate in fünf der sieben hier untersuchten Länder deutlich oberhalb des Referenzwerts von 4,9 % (siehe Abbildung 3.1). Während in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und Rumänien Inflationsraten deutlich über dem Referenzwert verzeichnet wurden, lag die Teuerung in Kroatien darunter und in Schweden deutlich darunter. Im Konvergenzbericht 2020 hatten Bulgarien, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und Rumänien Teuerungsraten deutlich oberhalb des damals geltenden Referenzwerts von 1,8 % verzeichnet.

Abbildung 3.1

HVPI-Inflation

(durchschnittliche Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quelle: Eurostat.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts ist nur Rumänien Gegenstand eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit. Obwohl vier der untersuchten Länder 2021 ein Defizit oberhalb des Referenzwerts aufwiesen, wurden keine neuen Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eingeleitet. Im Zuge der Covid‑19-Krise stiegen die Haushaltsdefizite 2020 in allen Ländern stark an und waren, außer in Schweden, im Jahr 2021 weiterhin hoch. Im Vergleich zum Vorjahr verbesserte sich der Haushaltssaldo 2021 in allen Ländern mit Ausnahme Bulgariens und der Tschechischen Republik. Dennoch wiesen vier der untersuchten Länder ein Haushaltsdefizit über dem Referenzwert von 3 % des BIP auf (siehe Abbildung 3.2). Am höchsten war das Defizit in Ungarn und Rumänien mit 6,8 % des BIP bzw. 7,1 % des BIP. In Bulgarien betrug es 4,1 % des BIP und in der Tschechischen Republik 5,9 % des BIP. Im Jahr 2022 dürfte sich die Defizitquote der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge in vier Ländern verbessern. Zugleich wird erwartet, dass sie in allen Ländern außer Kroatien und Schweden weiterhin oberhalb des Referenzwerts von 3 % liegen wird. Für 2023 wird mit einer erneuten Verbesserung des Haushaltssaldos in sechs Ländern gerechnet, doch dürfte der Saldo in der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und Rumänien den Referenzwert abermals überschreiten. Was das Schuldenstandskriterium betrifft, so belief sich die Schuldenquote in Bulgarien und Schweden im Jahr 2021 auf 25,1 % bzw. 36,7 % (siehe Abbildung 3.3). In der Tschechischen Republik, Polen und Rumänien betrug sie zwischen 40 % und 60 %. Kroatien und Ungarn waren die einzigen Länder, in denen die Schuldenquote im Jahr 2021 – wie bereits 2019 – über dem Referenzwert von 60 % lag. In beiden Ländern war der Schuldenstand im Zeitraum von 2014 bis 2019 rückläufig und näherte sich bis Ende 2019 rasch genug dem Referenzwert von 60 % des BIP. Infolge der Covid‑19-Pandemie stieg die Schuldenquote in beiden Ländern im Jahr 2020 um rund 15 Prozentpunkte an, bevor sie 2021 wieder sank. Eine besondere Bedeutung kommt der Beurteilung der mittelfristigen Tragfähigkeit der Staatsverschuldung zu, da die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts nunmehr im dritten Jahr in Folge angewandt wird (2020, 2021 und 2022). Sie dürfte auch im Jahr 2023 in Kraft bleiben. Die Europäische Kommission gelangte im Mai 2022 zu dem Schluss, dass das Defizitkriterium in Bulgarien, der Tschechischen Republik und Ungarn – basierend auf den Ergebnissen für 2021 – sowie in Polen – basierend auf dem für 2022 geplanten Defizit – nicht erfüllt wurde. Zudem wurde das Schuldenstandskriterium in Ungarn nicht erfüllt. Dennoch schlug die Kommission unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Unsicherheit, die auf die weiterhin außergewöhnlichen makroökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der Covid‑19‑Pandemie sowie den russischen Angriff auf die Ukraine zurückzuführen ist, nicht vor, zum aktuellen Zeitpunkt neue Defizitverfahren einzuleiten. Im Herbst 2022 wird sie jedoch neu bewerten, ob es sinnvoll ist, die Einleitung von Verfahren bei einem übermäßigen Defizit vorzuschlagen. Rumänien ist Gegenstand eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, das im April 2020 eingeleitet wurde, aber aufgrund des Erreichens der Vorgabe für das Defizitziel und die Konsolidierungsanstrengungen im Jahr 2021 ruht.

Abbildung 3.2

Finanzierungssaldo des Staates

(in % des BIP)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Die Daten für 2019 wurden gegenüber dem Konvergenzbericht 2020 leicht revidiert.

Abbildung 3.3

Bruttoverschuldung des Staates

(in % des BIP)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Die Daten für 2019 wurden gegenüber dem Konvergenzbericht 2020 leicht revidiert.

Was das Wechselkurskriterium anbelangt, so beschlossen die Vertragsparteien des WKM II am 10. Juli 2020 im gegenseitigen Einvernehmen, den bulgarischen Lew und die kroatische Kuna in den WKM II aufzunehmen; sie nahmen daher über weite Strecken des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 am WKM II teil. Für den bulgarischen Lew gilt im WKM II ein Leitkurs von 1,95583 Lewa je Euro und für die kroatische Kuna ein Leitkurs von 7,53450 Kuna je Euro.[171] Für beide Währungen gilt eine Standardschwankungsbandbreite von ±15 %. Bulgarien trat dem Wechselkursmechanismus mit seinem bestehenden Currency Board im Rahmen einer einseitigen Bindung bei, aus der keine zusätzlichen Verpflichtungen für die EZB erwachsen. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der bulgarischen und kroatischen Behörden; einige davon wurden bereits bis zur Aufnahme des Lew und der Kuna in den WKM II erfüllt („Vorabverpflichtungen“). So soll bis zum Zeitpunkt der Euro-Einführung ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht werden. Die EZB und die Europäische Kommission haben die effektive Umsetzung dieser Zusagen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche im Sinne der Verträge und des Sekundärrechts überwacht. Was Kroatien betrifft, so wurden alle Zusagen gemäß den Verpflichtungen nach dem Beitritt zum WKM II erfüllt. Bulgarien liegt weitgehend im Zeitplan. Gleichwohl sind weitere Fortschritte vonnöten, um die noch bestehenden Mängel im Bereich der Geldwäschebekämpfung in Kroatien zu beheben, die im jüngsten Bericht des Expertenausschusses des Europarates für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (MONEYVAL) aufgezeigt wurden. Während des zweijährigen Referenzzeitraums zeigte der Lew keine Abweichung von seinem Leitkurs, während die Kuna eine geringe Volatilität aufwies und in der Nähe ihres Leitkurses notierte. Seit der Aufnahme der kroatischen Kuna in den WKM II im Juli 2020 und über den gesamten Referenzzeitraum hinweg belief sich die maximale Abweichung vom Leitkurs auf 1,0 % nach oben und 0,8 % nach unten. Diese Abweichungen sind deutlich geringer als die Standardschwankungsbandbreite im WKM II. Was die Währungen betrifft, die nicht am WKM II teilnehmen, so wies der rumänische Leu eine sehr geringe Volatilität auf, während die übrigen Währungen über weite Strecken des Referenzzeitraums hinweg von einer relativ hohen Wechselkursvolatilität geprägt waren.

Abbildung 3.4

Bilaterale Wechselkurse gegenüber dem Euro

(Index: Monatsdurchschnitt Mai 2020 = 100; Tageswerte; 26. Mai 2020 bis 25. Mai 2022)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Eine Aufwärts- bzw. Abwärtsbewegung zeigt eine Aufwertung bzw. Abwertung der Währung an.

Was die Konvergenz der langfristigen Zinssätze anbetrifft, so lagen diese in zwei der sieben hier untersuchten Staaten oberhalb und in einem Land deutlich oberhalb des Referenzwerts von 2,6 % (siehe Abbildung 3.5). In Polen und Ungarn lagen die Zinssätze oberhalb und in Rumänien deutlich oberhalb des Referenzwerts. Am niedrigsten (unter 1 %) waren sie in Bulgarien, Kroatien und Schweden. Im Konvergenzbericht 2020 lag der langfristige Zinssatz im Vergleich dazu nur in Rumänien über dem damals geltenden Referenzwert von 2,9 %.

Abbildung 3.5

Langfristige Zinssätze

(in %; Jahresdurchschnitt)

Quellen: Eurostat und EZB.

Bei der Untersuchung der Einhaltung der Konvergenzkriterien ist Nachhaltigkeit von zentraler Bedeutung. Die Konvergenzkriterien sind nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auf Dauer einzuhalten. Die ersten zehn Jahre der WWU haben gezeigt, dass schwache Fundamentaldaten, ein übermäßig lockerer makroökonomischer Kurs und unzureichende statistische Ressourcen auf Länderebene sowie zu optimistische Einschätzungen bezüglich der Konvergenz der realen Einkommen nicht nur Risiken für die betroffenen Länder, sondern auch für das reibungslose Funktionieren des Euroraums insgesamt mit sich bringen. Im zweiten Jahrzehnt hat sich gezeigt, dass die wirtschaftliche Konvergenz herausfordernd und zeitaufwendig sein kann, wenn zu Beginn große makroökonomische Ungleichgewichte bestehen, sich Anpassungs‑ und Reformprozesse als schwierig erweisen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Schocks gering ist. Werden die numerischen Konvergenzkriterien zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt, so stellt dies allein keine Garantie für eine reibungslose Zugehörigkeit zum Euro‑Währungsgebiet dar. Länder, die dem Euroraum beitreten, sollten daher die Nachhaltigkeit ihrer Konvergenzprozesse und ihre Fähigkeit demonstrieren, den laufenden Verpflichtungen und Herausforderungen gerecht zu werden, die mit der Einführung der Gemeinschaftswährung einhergehen, und dabei berücksichtigen, dass noch keine vollständig ausgebildeten Risikoteilungsmechanismen in der WWU bestehen. Dies liegt sowohl im Interesse des Landes selbst als auch im Interesse des Eurogebiets.

Um eine nachhaltige Konvergenz zu erreichen, bedarf es in vielen der untersuchten Staaten einer dauerhaften Anpassung der Politik. Voraussetzungen für eine nachhaltige Konvergenz sind gesamtwirtschaftliche Stabilität, günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen mit effizienten Wirtschaftsstrukturen und öffentlichen Institutionen und vor allem eine solide Haushaltspolitik. Um makroökonomischen Schocks begegnen zu können, müssen die Güter- und Arbeitsmärkte in hohem Maße flexibel sein. Erforderlich ist eine Stabilitätskultur mit fest verankerten Inflationserwartungen, die dazu beitragen, ein von Preisstabilität geprägtes Umfeld zu schaffen. Zur Steigerung der totalen Faktorproduktivität und eines langfristigen Wirtschaftswachstums sind günstige Bedingungen für einen effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit vonnöten. Die Synchronisierung der Konjunkturzyklen erfordert ein hohes Maß an wirtschaftlicher Integration in den Euroraum. Zudem muss eine geeignete makroprudenzielle Politik festgelegt werden, um den Aufbau gesamtwirtschaftlicher und finanzieller Ungleichgewichte – etwa einen übermäßigen Anstieg der Vermögenspreise und mit hohen sozialen Kosten verbundene Boom-Bust-Zyklen bei Krediten – zu verhindern. Darüber hinaus müssen geeignete Rahmenbedingungen für die Bankenaufsicht vorliegen. Für Länder, die Gegenstand einer eingehenden Überprüfung durch die Europäische Kommission im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht sind, ist es von entscheidender Bedeutung, Ungleichgewichten in ihren Volkswirtschaften entgegenzuwirken. Abschließend spielt auch die Stärke des institutionellen Umfelds, so auch die Fähigkeit eines Landes, wirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen und eine solide Strukturpolitik durchzuführen, bei der wirtschaftlichen Integration und Konvergenz eine wichtige Rolle. Das Aufbaupaket „Next Generation EU“ (NGEU) bietet eine einzigartige Gelegenheit, den Prozess der Konvergenz mit dem Euro‑Währungsgebiet zu beschleunigen, wobei eine rasche und effektive Umsetzung für den Erfolg von entscheidender Bedeutung ist.

3.1 Das Kriterium der Preisstabilität

Im April 2022 lag in fünf der sieben untersuchten Länder der Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ging die Inflation im Euro-Währungsgebiet im Jahr 2020 erheblich zurück, bevor sie sich 2021 wieder kräftig erhöhte. Ausschlaggebend für diesen neuerlichen Anstieg waren vor allem Basiseffekte, hohe Energiepreissteigerungen (insbesondere Ende 2021), pandemiebedingte Lieferengpässe und die starke Zunahme der weltweiten Güternachfrage. Seit dem letzten Konvergenzbericht hat sich die Inflation in den meisten untersuchten Ländern ähnlich entwickelt. In Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und Rumänien fiel sie zwischen Mai 2021 und April 2022 jedoch höher aus, was auf die Verteuerung von Energie und Nahrungsmitteln sowie auf die Anspannung am Arbeitsmarkt zurückzuführen war. Vor diesem Hintergrund wiesen diese fünf Länder deutlich über dem Referenzwert liegende Inflationsraten auf. Im Gegensatz dazu lag die Teuerung in Kroatien unter dem Referenzwert und in Schweden deutlich darunter. Seit Anfang 2022 hat der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine den Inflationsdruck verstärkt, und zwar über höhere Energie- und Rohstoffpreise, aber auch durch die zusätzliche Belastung der ohnehin schon angespannten Lieferketten. Infolgedessen stieg die Inflation – wenn auch in unterschiedlichem Maße – in allen untersuchten Ländern Anfang 2022 weiter an.

In den zurückliegenden zehn Jahren gab es sowohl bei der Durchschnittsrate als auch bei der Volatilität der Teuerung erhebliche Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern (siehe Abbildung 3.6). Im genannten Zeitraum wurden in Ungarn und Rumänien durchschnittliche HVPI-Inflationsraten von über 2,0 % verbucht. In der Tschechischen Republik belief sich die durchschnittliche Teuerungsrate auf 2,0 % und in Polen auf einen Wert leicht unter diesem Niveau. In Bulgarien, Kroatien und Schweden betrug die Inflation im Schnitt rund 1,0 %. Während dieser Zeit schwankten die Inflationsraten in allen hier betrachteten Ländern – mit Ausnahme Schwedens – innerhalb eines relativ breiten Bandes. In Ländern mit positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Euroraum wurden in den vergangenen zehn Jahren nur begrenzte Konvergenzfortschritte erzielt. Unterdessen entwickelten sich die Inflationsunterschiede gegenüber dem Euroraum im Beobachtungszeitraum von Mai 2020 bis April 2022 in den geprüften Ländern heterogen.

Abbildung 3.6

Langfristige Entwicklung des HVPI und Ausblick

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quellen: Eurostat, Europäische Kommission (Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen) und EZB.
Anmerkung: Durchgezogene Linien zeigen die jährliche prozentuale Veränderung des monatlichen HVPI. In dem schattierten Bereich sind die Projektionen für die jährliche HVPI-Inflation aus der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission dargestellt.

Die längerfristige Preisentwicklung war in vielen Ländern Ausdruck eines volatileren gesamtwirtschaftlichen Umfelds. Eine Betrachtung der vergangenen zehn Jahre zeigt, dass die 2012 verzeichnete heterogene Preisentwicklung in den untersuchten Ländern zum Teil auf Unterschiede hinsichtlich der Stärke der Konjunkturerholung und der länderspezifischen Maßnahmen im Zusammenhang mit administrierten Preisen nach dem abrupten Konjunktureinbruch in eben diesem Jahr zurückzuführen war. In allen geprüften Ländern setzte 2013 jedoch ein Abwärtstrend bei der Teuerungsrate ein, wobei historische Tiefstände erreicht wurden und die Inflationsrate häufig sogar im negativen Bereich lag. Maßgeblich für diesen breit angelegten Prozess waren die Entwicklung der Rohstoffpreise am Weltmarkt, der geringe importierte Inflationsdruck und die anhaltend hohen Kapazitätsreserven in einigen Ländern. Besonders deutlich haben sich die Veränderungen der internationalen Rohstoffnotierungen auf die mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften ausgewirkt, da Energie und Nahrungsmittel dort ein relativ hohes Gewicht im jeweiligen HVPI-Warenkorb haben. In einigen der betrachteten Länder übten auch Senkungen administrierter Preise und indirekter Steuern oder ein Anstieg des nominalen effektiven Wechselkurses einen Abwärtsdruck auf die Inflation aus. Vor diesem Hintergrund wurden die geldpolitischen Zügel beträchtlich gelockert. Ab 2017 nahm die Teuerung infolge der erstarkenden Konjunktur, der soliden Binnennachfrage und der steigenden Energie- und Rohstoffpreise erheblich zu, woraufhin es in einigen der geprüften Länder zu einer Straffung der Geldpolitik kam. Im Jahr 2019 und Anfang 2020 blieb der Preisauftrieb in den meisten betrachteten Ländern trotz negativer außenwirtschaftlicher Einflüsse und niedrigerer Energiepreise auf einem erhöhten Niveau, was der robusten Inlandsnachfrage, der zunehmend angespannten Arbeitsmarktlage und den Nahrungsmittelpreisen zuzuschreiben war. Der Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 hatte im zweiten Quartal 2020 in allen untersuchten Ländern einen Konjunktureinbruch zur Folge. In einigen Ländern schwächte sich die Inflation deutlich ab. In anderen Ländern blieb sie indes besonders stabil, was auf höhere Nahrungsmittel- und Dienstleistungspreise sowie auf die Anspannung am Arbeitsmarkt zurückzuführen war. Die Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen sowie die weitreichenden finanzpolitischen, aufsichtlichen und geldpolitischen Maßnahmen, die von den nationalen Behörden ergriffen wurden, um den durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufenen wirtschaftlichen Schäden entgegenzuwirken, stützten jedoch die anschließende Belebung der Wirtschaftstätigkeit. Vor diesem Hintergrund stieg das Preisniveau im Jahr 2021 in allen untersuchten Ländern erheblich an. Maßgeblich hierfür waren vor allem starke Energiepreissteigerungen, insbesondere Ende 2021, sowie die durch die Pandemie ausgelösten Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage und die gesamtwirtschaftlichen Politikmaßnahmen. Seit Anfang 2022 hat der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine den Inflationsdruck noch verstärkt. Eine Reihe von Zentralbanken erhöhten ihre Leitzinsen im Jahresverlauf 2021 und Anfang 2022 mehrfach deutlich.

Für die kommenden Quartale wird eine weiterhin erhöhte Inflation erwartet, die aber anschließend im Verlauf des Prognosezeitraums in allen betrachteten Ländern allmählich sinken dürfte. Allerdings sind die Prognosen unter den aktuellen Umständen mit beträchtlicher Unsicherheit behaftet. Auf längere Sicht bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in der Mehrzahl der untersuchten Länder. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge wird die Inflation 2022 in allen untersuchten Ländern erheblich ansteigen und 2023 dann aufgrund niedrigerer Energie- und Rohstoffpreise und einer Entspannung bei den Lieferengpässen wieder sinken. In Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und Rumänien dürfte die Teuerung im Prognosezeitraum jedoch hoch und in Kroatien und Schweden erheblich über 2,0 % bleiben. Die Risiken für die Inflationsaussichten sind in allen untersuchten Ländern aufwärtsgerichtet. Grund hierfür ist, dass der sich aus dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ergebende Inflationsdruck länger als bisher erwartet andauern und zudem einen Anstieg des Lohnwachstums und der Inflationserwartungen auslösen könnte. Da das Pro‑Kopf-BIP und das Preisniveau in allen betrachteten mittel- und osteuropäischen Ländern nach wie vor niedriger sind als im Euroraum, dürfte der Aufholprozess auf längere Sicht zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, sofern dem nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses entgegenwirkt.

Um in den hier untersuchten Ländern ein Umfeld zu schaffen, das der Preisstabilität auf Dauer zuträglich ist, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik, struktureller Reformen und Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität. Um ein der Preisstabilität förderliches Umfeld zu schaffen oder zu wahren, sind weitere Strukturreformen sowie funktionierende Arbeitsmärkte von entscheidender Bedeutung. Mit Blick auf die Zukunft wird es vor allem darauf ankommen, wie die Löhne auf die hohe Inflation reagieren und inwiefern sie das Wachstum der Arbeitsproduktivität widerspiegeln und die Lage am Arbeitsmarkt sowie die Entwicklung in konkurrierenden Ländern berücksichtigen (siehe Abbildung 3.7). Es sind fortwährende Reformanstrengungen vonnöten, um die Funktionsweise der Arbeits- und Gütermärkte weiter zu verbessern und günstige Rahmenbedingungen für das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck sind Maßnahmen zur Stärkung des Steuerungsrahmens und weitere qualitative Verbesserungen der Institutionen unumgänglich. Angesichts des begrenzten geldpolitischen Handlungsspielraums, insbesondere in den beiden am WKM II teilnehmenden Ländern, ist die Unterstützung durch andere Politikbereiche zwingend erforderlich, um es diesen Volkswirtschaften zu ermöglichen, Preisstabilität zu gewährleisten, länderspezifische Schocks zu bewältigen und den Aufbau makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern. Ziel von Finanzmarktpolitik und -aufsicht sollte weiterhin die Sicherung der Finanzstabilität sein. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den nationalen Aufsichtsbehörden der anderen EU‑Mitgliedstaaten innerhalb der Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten.

Abbildung 3.7

Kumuliertes Wachstum des HVPI und der nominalen Lohnstückkosten im Zeitraum 2012-2021

(in Prozentpunkten)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Das kumulierte Wachstum der Lohnstückkosten ist auf der y-Achse dargestellt und das kumulierte Wachstum des HVPI auf der x-Achse. Die durchgezogene Linie ist die Winkelhalbierende und stellt also ein ausgeglichenes Verhältnis dar. Das HVPI-Wachstum wird anhand von Monatsdaten berechnet, die zu durchschnittlichen Jahresdaten aggregiert werden. Der blaue Punkt steht für das Aggregat des Euroraums, die gelben Punkte stellen die sieben geprüften Länder dar (jeweils gekennzeichnet), und die orangefarbenen Punkte stehen für die verbleibenden Mitgliedstaaten (ohne Kennzeichnung).

3.2 Das Kriterium der öffentlichen Finanzen

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts ist nur Rumänien Gegenstand eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit. Die Defizitquote in Rumänien überstieg 2019 den Referenzwert von 3 %. Im April 2020 wurde ein Defizitverfahren eröffnet. Das Verfahren ruht aufgrund des Erreichens der Vorgabe für das Defizitziel und die Konsolidierungsanstrengungen im Jahr 2021. Das übermäßige Defizit muss bis 2024 beseitigt werden. Im Jahr 2021 überschritt die Defizitquote in vier Ländern den Referenzwert. In Bulgarien und der Tschechischen Republik lag sie mit 4,1 % bzw. 5,9 % deutlich und in Ungarn und Rumänien mit 6,8 % bzw. 7,1 % erheblich über dem Referenzwert. In Kroatien blieb die Defizitquote mit 2,9 % knapp unterhalb des Referenzwerts, in Polen lag sie mit 1,9 % deutlich darunter. Schwedens Haushalt war mit einem Defizit von 0,2 % des BIP weiterhin nahezu ausgeglichen.

Die Haushaltsposition lag 2021 in allen in diesem Bericht untersuchten Ländern unter dem Stand von 2019. Ursächlich hierfür sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und die finanzpolitischen Maßnahmen, die aufgrund dessen ergriffen wurden. Im Jahr 2020 verschlechterte sich die Haushaltsposition in allen Ländern, da die Covid‑19-Krise zu einer erheblichen Konjunktureintrübung führte und finanzpolitische Maßnahmen ergriffen wurden, um ihre Auswirkungen abzumildern. Nachdem das gesamtstaatliche Defizit 2019 lediglich in Rumänien über dem Referenzwert von 3 % des BIP gelegen hatte, stieg es 2020 in sechs Ländern über diese Marke. Im Jahr 2021 verbesserte sich der Haushaltssaldo in allen Ländern außer Bulgarien und der Tschechischen Republik, da sich die Volkswirtschaften erholten und die fiskalischen Stützungsmaßnahmen zum Teil zurückgenommen wurden. Die weitere Verschlechterung in Bulgarien ist auf ein derzeit starkes Ausgabenwachstum zurückzuführen, während die ungünstigere Lage in der Tschechischen Republik mit einer Reform der Einkommensteuer zusammenhängt.

Für 2022 prognostiziert die Europäische Kommission, dass das gesamtstaatliche Defizit nur in Kroatien und Schweden unter dem Referenzwert von 3 % des BIP bleiben wird. Aufgrund einer weiteren Belebung der Wirtschaftstätigkeit und der Rücknahme der meisten noch bestehenden finanzpolitischen Stützungsmaßnahmen wird sich der öffentliche Finanzierungssaldo den Prognosen zufolge in vier Ländern erhöhen. Zwar dürfte er in Kroatien und Schweden unter dem Referenzwert von 3 % bleiben, doch wird davon ausgegangen, dass er in Bulgarien und Polen weiterhin über diesem Wert, in der Tschechischen Republik und Ungarn deutlich und in Rumänien erheblich darüber liegen wird.

Im Jahr 2021 lag die Schuldenquote in Kroatien und Ungarn über 60 %, während sie in den anderen betrachteten Ländern unterhalb oder deutlich unterhalb dieser Obergrenze lag (siehe Tabelle 3.1 und Abbildung 3.3). Die gesamtstaatliche Schuldenquote übertraf 2021 in allen untersuchten Ländern den Stand von 2019, was vor allem auf die Coronakrise zurückzuführen war. In Rumänien erhöhte sie sich um 13,5 Prozentpunkte, in der Tschechischen Republik um 11,8 Prozentpunkte, in Ungarn um 11,3 Prozentpunkte, in Kroatien um 8,7 Prozentpunkte, in Polen um 8,2 Prozentpunkte, in Bulgarien um 5,1 Prozentpunkte und in Schweden um 1,8 Prozentpunkte. In der längerfristigen Betrachtung (2012 bis 2021) zeigt sich ein starker Anstieg des öffentlichen Schuldenstands in Relation zum BIP in Rumänien (um 11,7 Prozentpunkte) und in Kroatien (um 10,4 Prozentpunkte) und ein erheblicher Anstieg in Bulgarien (um 8,5 Prozentpunkte), während sich die Schuldenquote in den anderen Ländern verringerte.

Für 2022 prognostiziert die Europäische Kommission einen Anstieg der Schuldenquote in drei Ländern. Zwar dürfte die Schuldenquote in vier Ländern zurückgehen, doch wird sie den Prognosen zufolge in Bulgarien und der Tschechischen Republik moderat und in Rumänien merklich steigen. Die Kommission rechnet damit, dass der öffentliche Schuldenstand in Relation zum BIP im laufenden Jahr in allen Ländern außer Kroatien und Ungarn unter bzw. deutlich unter dem Referenzwert von 60 % bleiben wird.

Obwohl die Europäische Kommission befand, dass mehrere Länder das Defizit- und das Schuldenstandskriterium im Jahr 2021 nicht eingehalten hatten, beschloss sie, keine neuen Verfahren bei einem übermäßigen Defizit einzuleiten. Am 23. Mai 2022 veröffentlichte die Europäische Kommission einen gemäß Artikel 126 Absatz 3 AEUV erstellten Bericht auf der Grundlage von Daten, die am 22. April 2021 von Eurostat bestätigt worden waren.[172] Sie stellte fest, dass das Haushaltsdefizit im Jahr 2021 in Bulgarien, der Tschechischen Republik und Ungarn über und nicht nahe dem Referenzwert von 3 % des BIP lag. Ferner stellte sie fest, dass in Polen für 2022 ein Defizit über und nicht nahe dem Referenzwert geplant ist. Die Überschreitung des Referenzwerts wurde in allen betrachteten Ländern als ausnahmsweise im Sinne des AEUV angesehen. Als nicht vorübergehend wurde sie mit Blick auf die Tschechische Republik, Ungarn bzw. Polen eingestuft. Insgesamt ergab die Analyse, dass das Defizitkriterium von Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen nicht erfüllt wurde. Darüber hinaus stellte die Europäische Kommission fest, dass der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand Ende 2021 in Kroatien und Ungarn den Referenzwert von 60 % des BIP überstiegen und von diesen beiden Ländern nur Kroatien den Richtwert für den Schuldenabbau eingehalten hatte. Demzufolge ergab die Analyse der Kommission, dass das Schuldenstandskriterium von Ungarn nicht erfüllt wurde. Dennoch war die Notwendigkeit der Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau aus Sicht der Kommission unter den derzeitigen außergewöhnlichen wirtschaftlichen Bedingungen nicht angezeigt, da sie eine zu anspruchsvolle vorgezogene Konsolidierungsanstrengung mit sich bringen würde, die das Wachstum beeinträchtigen könnte. Ferner wurde im Bericht der Kommission betont, dass die Covid‑19-Pandemie weiterhin außergewöhnliche makroökonomische und fiskalische Auswirkungen hat, die zusammen mit dem russischen Angriff auf die Ukraine zu außergewöhnlicher Unsicherheit geführt haben, auch im Hinblick auf die Gestaltung eines ausführlichen fiskalischen Anpassungspfads. Zudem führten die Pandemie und der damit verbundene schwere Konjunkturabschwung zur Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts und zu den Empfehlungen des Rates vom 20. Juli 2020 an alle Mitgliedstaaten, sämtliche erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Covid‑19-Pandemie wirksam zu bekämpfen, die Wirtschaft zu stützen und die anschließende Erholung zu fördern. Die Europäische Kommission legte daher in ihrer Mitteilung vom 23. Mai 2022[173] dar, dass sie zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorschlägt, neue Defizitverfahren einzuleiten. Im Herbst 2022 wird sie jedoch neu bewerten, ob es sinnvoll ist, die Einleitung von Verfahren bei einem übermäßigen Defizit vorzuschlagen.

Mit Blick auf die Zukunft sollte die Finanzpolitik in ihrer Reaktion auf die Pandemieentwicklung und angesichts der geopolitischen Lage zwar agil bleiben, doch kommt es auch entscheidend darauf an, dass die im vorliegenden Bericht betrachteten Staaten solide und tragfähige öffentliche Finanzen erzielen bzw. beibehalten. Rumänien ist Gegenstand eines Defizitverfahrens und sollte dafür sorgen, die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten, und sein übermäßiges Defizit bis 2024 korrigieren. Die anderen Länder sollten ihren Finanzierungssaldo wieder unter den Referenzwert von 3 % senken, sobald die Pandemielage dies zulässt, und die erforderlichen fiskalischen Reserven aufbauen, um die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. Darüber hinaus sollten Kroatien und Ungarn, deren Schuldenquote den Referenzwert übersteigt, sicherstellen, dass sich ihre Quote in hinreichendem Maße verringert, um fiskalische Puffer für den Fall eines künftigen Konjunkturabschwungs aufzubauen. Eine besondere Bedeutung kommt der Beurteilung der mittelfristigen Tragfähigkeit der Staatsverschuldung zu, da die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts nunmehr im dritten Jahr in Folge angewandt wird (2020, 2021 und 2022). Sie dürfte auch im Jahr 2023 in Kraft bleiben. Darüber hinaus hat die Kommission Leitlinien für die Haushaltspolitik im Jahr 2023 für die EU vorgelegt. Diese sind weitgehend qualitativer Art und enthalten keine zahlenmäßigen Vorgaben für die Haushaltsanpassung, die sich üblicherweise aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt ableiten lassen. Hierin kommt auch zum Ausdruck, dass der Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung derzeit einer Prüfung unterzogen wird, die möglicherweise eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts nach sich zieht. In Ermangelung zahlenmäßiger Vorgaben für die Haushaltsanpassung sollte bei einer Beurteilung der mittelfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen besonders darauf geachtet werden, inwieweit die Länder in der Lage sind, ihre Haushaltsungleichgewichte abzubauen. Generell würde eine weitere Haushaltskonsolidierung zudem die Bewältigung der Belastungen, die den öffentlichen Haushalten aus der ungünstigen demografischen Entwicklung erwachsen, erleichtern. Strikte nationale Haushaltsregeln, die vollständig im Einklang mit den EU-Vorschriften stehen und effektiv umgesetzt werden, sollten zur Haushaltskonsolidierung beitragen und ein übermäßiges Ausgabenwachstum sowie ein erneutes Auftreten gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte verhindern. Insgesamt sollten die finanzpolitischen Strategien mit umfassenden Strukturreformen vereinbar sein, um das Potenzialwachstum und die Beschäftigung zu steigern. Das NGEU-Programm muss effektiv umgesetzt werden, um die Erholung zu unterstützen und die Anpassung an den gegenwärtigen Strukturwandel zu fördern.[174]

3.3 Das Wechselkurskriterium

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts nehmen der bulgarische Lew und die kroatische Kuna am WKM II teil. Für die Währungen der anderen hier betrachteten Mitgliedstaaten gelten unterschiedliche Wechselkursregime.

Am 10. Juli 2020 beschlossen die Vertragsparteien des WKM II im gegenseitigen Einvernehmen, den bulgarischen Lew in den WKM II aufzunehmen; er nahm daher über weite Strecken des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 am WKM II teil. Für den bulgarischen Lew gilt im WKM II ein Leitkurs von 1,95583 Lewa je Euro mit einer Standardschwankungsbandbreite von ±15 %. Bulgarien trat dem Wechselkursmechanismus mit seinem bestehenden Currency Board im Rahmen einer einseitigen Bindung bei, aus der keine zusätzlichen Verpflichtungen für die EZB erwachsen. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der bulgarischen Behörden (einige davon wurden bereits bis zur Aufnahme des Lew in den WKM II erfüllt). So soll bis zum Zeitpunkt der Euro‑Einführung ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht werden. Die EZB und die Europäische Kommission haben die effektive Umsetzung dieser Zusagen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche im Sinne der Verträge und des Sekundärrechts überwacht. Im Referenzzeitraum wies der Lew keine Abweichung vom Leitkurs auf.

Am 10. Juli 2020 beschlossen die Vertragsparteien des WKM II im gegenseitigen Einvernehmen, die kroatische Kuna in den WKM II aufzunehmen; sie nahm daher über weite Strecken des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 am WKM II teil. Für die kroatische Kuna gilt im WKM II ein Leitkurs von 7,53450 Kuna je Euro mit einer Standardschwankungsbandbreite von ±15 %. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der kroatischen Behörden (einige davon wurden bereits bis zur Aufnahme der Kuna in den WKM II erfüllt). So soll bis zum Zeitpunkt der Euro-Einführung ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht werden. Die EZB und die Europäische Kommission haben die effektive Umsetzung dieser Zusagen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche im Sinne der Verträge und des Sekundärrechts überwacht. Ungeachtet der Tatsache, dass alle Zusagen gemäß den Verpflichtungen nach dem Beitritt zum WKM II erfüllt wurden, sind weitere Fortschritte vonnöten, um die noch bestehenden Mängel im Bereich der Geldwäschebekämpfung zu beheben, die im jüngsten Bericht des Expertenausschusses des Europarates für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (MONEYVAL) aufgezeigt wurden. Im Referenzzeitraum wies der Wechselkurs der kroatischen Kuna eine geringe Volatilität auf und notierte in der Nähe des Leitkurses. Die Abweichungen vom Leitkurs waren deutlich geringer als die Standardschwankungsbandbreite im WKM II.

Die nicht am WKM II teilnehmenden Währungen wurden zu flexiblen Wechselkursen oder mit einem kontrollierten Floating gehandelt; dabei war in den meisten Ländern eine relativ hohe Wechselkursvolatilität zu verzeichnen. Der rumänische Leu, bei dem ein kontrolliertes Floating Anwendung fand, wies eine sehr geringe Volatilität auf. Die anderen Währungen, die nicht am WKM II teilnehmen, wurden indes zu flexiblen Wechselkursen gehandelt und waren von einer relativ hohen Wechselkursvolatilität geprägt.

3.4 Das Kriterium des langfristigen Zinssatzes

Zwei der sieben geprüften Länder verzeichneten im Referenzzeitraum im Durchschnitt langfristige Zinssätze, die oberhalb des Referenzwerts von 2,6 % lagen; der Zinssatz eines Landes lag knapp über dem Referenzwert. Die Länder mit den niedrigsten durchschnittlichen Langfristzinsen waren Schweden mit 0,4 %, Bulgarien mit 0,5 % und Kroatien mit 0,8 %. In der Tschechischen Republik wurde mit 2,5 % im Schnitt ein langfristiger Zinssatz knapp unterhalb des Referenzwerts verzeichnet, während die entsprechenden Zinsen in Polen und Ungarn mit 3,0 % bzw. 4,1 % darüber blieben. In Rumänien lag der durchschnittliche Zinssatz mit 4,7 % deutlich über dem Referenzwert von 2,6 %. Aufgrund des erhöhten Inflationsdrucks und der Auswirkungen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine war seit dem Schlussquartal 2021 in nahezu allen Ländern ein nicht unerheblicher Anstieg des Zwölfmonatsdurchschnitts der Langfristzinsen zu beobachten. Angesichts der hohen Unsicherheit hinsichtlich der Dauer des ursprünglichen Schocks und dessen Einflusses auf die Preisentwicklung und die Konjunktur lässt sich die künftige Entwicklung der langfristigen Zinssätze nur recht schwer abschätzen.

Die Differenz der Langfristzinsen gegenüber dem Durchschnitt des Euro‑Währungsgebiets weitete sich seit dem Konvergenzbericht 2020 in allen betrachteten Ländern aus. Dies ist auf die Auswirkungen der Pandemie auf die Finanz- und Geldpolitik sowie auf die Position einiger Länder im Konjunkturzyklus (im Vergleich zum Euroraum), eine raschere wirtschaftliche Erholung und einen stärkeren Aufwärtsdruck auf die Preise zurückzuführen. Gleichwohl ist der Abstand der langfristigen Zinsen gegenüber dem Euroraum in den betrachteten Ländern nach wie vor sehr unterschiedlich. Grund hierfür ist, dass sowohl die konjunkturelle Lage der einzelnen Länder als auch die Einschätzung der Finanzmarktteilnehmer hinsichtlich der jeweiligen außen- und binnenwirtschaftlichen Anfälligkeit unter Berücksichtigung der Haushaltsentwicklung und der Aussichten für eine dauerhafte Konvergenz voneinander abweichen. Im April 2022 lag der langfristige Zinssatz in Schweden 10 Basispunkte und in Bulgarien 20 Basispunkte über dem Niveau im Euroraum. Schweden ist eine fortgeschrittene Volkswirtschaft, deren Finanzsystem mit dem Eurogebiet eng verflochten ist. Bulgariens Bankensystem befindet sich überwiegend im Eigentum von Kreditinstituten mit Sitz im Eurogebiet, und die Zentralbank wendet ein Currency Board an, wodurch in Bulgarien de facto die geldpolitischen Bedingungen des Euroraums gelten. In der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und Rumänien weitete sich die Zinsdifferenz im Beobachtungszeitraum am stärksten aus, und zwar um 170 bis 350 Basispunkte. Dabei wiesen Ungarn und Rumänien unter den hier betrachteten Ländern mit jeweils 520 Basispunkten am Ende des Referenzzeitraums den größten Zinsabstand auf.

3.5 Sonstige einschlägige Faktoren

Nach Einschätzung der Europäischen Kommission erzielten die meisten der untersuchten Länder Fortschritte beim Abbau ökonomischer Ungleichgewichte, bis dieser Korrekturprozess durch den Covid-19-Schock unterbrochen wurde. In ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 verweist die Europäische Kommission – vor dem Hintergrund günstiger makroökonomischer Bedingungen im Jahr 2021 – insbesondere auf den Rückgang der Schuldenquoten. Sie gelangte zu dem Schluss, dass Kroatien, Rumänien und Schweden einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden sollten. Mit Blick auf Kroatien befand die Kommission, dass die Ungleichgewichte im Zusammenhang mit einer hohen Auslandsverschuldung wie auch einer hohen privaten und öffentlichen Verschuldung vor dem Hintergrund eines niedrigen Potenzialwachstums 2021 weiter zurückgingen und die vor der Pandemie verzeichnete günstige Entwicklung wieder aufgenommen wurde. In Bezug auf Rumänien stellte die Kommission fest, dass das Land zu Beginn der Covid-19-Krise Anfälligkeiten im Zusammenhang mit einer Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits, einer Verschlechterung der außenwirtschaftlichen Position und hohen Verlusten der kostenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit aufwies. Im Zuge der Covid-19-Krise ist der gesamtstaatliche Schuldenstand gestiegen, wenn auch ausgehend von einem niedrigen Niveau. Im Fall Schwedens befand die Kommission, dass das Land zu Beginn der Covid-19-Krise Anfälligkeiten aufwies; diese betrafen Risiken aus einer Überbewertung der Preise für Wohnimmobilien verbunden mit einer hohen und weiter steigenden Verschuldung der privaten Haushalte. Im Zuge der Covid-19-Krise sind die private Schuldenquote, die Wohnimmobilienpreise und die Arbeitslosenquote gestiegen. Obschon die Kommission in den übrigen im vorliegenden Bericht betrachteten Ländern keine Ungleichgewichte festgestellt hat, bestehen auch in diesen Ländern verschiedene Herausforderungen.

Die außenwirtschaftlichen Positionen der meisten untersuchten Länder haben sich in den vergangenen Jahren stabilisiert. Aus dem Scoreboard zur Überwachung gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte geht hervor, dass die Leistungsbilanzen im Dreijahresdurchschnitt in fast allen untersuchten Ländern 2020 und 2021 weiterhin einen Überschuss aufwiesen; eine Ausnahme bildeten Ungarn, das ein geringes Defizit verzeichnete, und Rumänien, dessen Defizit weiter zunahm (siehe Tabelle 3.2).

In fast allen untersuchten Ländern verringerten sich zwar die negativen Werte des Netto-Auslandsvermögensstatus gemessen am BIP, lagen aber weiterhin auf hohem Niveau. Die Nettoverbindlichkeiten der mittel- und osteuropäischen Länder gegenüber dem Ausland spiegeln vorwiegend Kapitalzuflüsse aus Direktinvestitionen wider, die als vergleichsweise stabile Finanzierungsform gelten. Im Jahr 2021 hatten Ungarn, Polen und Rumänien einen Netto-Auslandsvermögensstatus jenseits des indikativen Schwellenwerts von -35 % des BIP. Am niedrigsten fielen die Nettoverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland in der Tschechischen Republik (15,6 % des BIP) und Bulgarien (19,8 % des BIP) aus, während Schweden einen positiven Wert beim Netto-Auslandsvermögensstatus verbuchte (17,8 % des BIP).

Was die preisliche und kostenmäßige Wettbewerbsfähigkeit anbelangt, so stiegen die HVPI-deflationierten realen effektiven Wechselkurse der meisten untersuchten Länder von 2019 bis 2021 in unterschiedlichem Maße an, wobei Schweden die einzige Ausnahme bildete. Die dreijährige Wachstumsrate der Lohnstückkosten, die in den Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie in fast allen untersuchten Ländern ein sehr hohes Niveau aufgewiesen hatte, war zwar rückläufig, lag aber in Bulgarien, der Tschechischen Republik und Ungarn noch immer über dem indikativen Schwellenwert von 12 %. Im Fünfjahreszeitraum von 2016 bis 2021 konnte die Mehrheit der Länder ihre Exportmarktanteile ausbauen.

Die Wohnimmobilienpreise stiegen in allen betrachteten Ländern erneut an. Die Wohnimmobilienmärkte in der EU, die bereits vor der Corona-Pandemie ein dynamisches Wachstum aufgewiesen hatten, gewannen 2020 und 2021 weiter an Schwung, wobei in verschiedenen Ländern Risiken einer Überbewertung zu beobachten sind. Dies gibt Anlass zur Sorge, insbesondere dort, wo eine hohe oder rasch steigende Verschuldung der privaten Haushalte zu beobachten ist. In einigen der hier betrachteten Länder beschleunigte sich der Preisauftrieb bei Wohnimmobilien weiter, und es wurden die höchsten Wachstumsraten bei den Wohnimmobilienpreisen seit der globalen Finanzkrise verzeichnet. In der Tschechischen Republik, Ungarn und Schweden lagen die Preissteigerungen bei Wohnimmobilien 2021 jenseits des indikativen Schwellenwerts von 6 %. Der Anstieg der Wohnimmobilienpreise war von einer Vielzahl von Faktoren getrieben, durch die sich die Nachfrage erhöht und das Angebot verringert. Die Aussichten für den Wohnimmobilienmarkt hängen weiterhin von der pandemiebedingten Unsicherheit und der Ungewissheit im Zusammenhang mit dem gesamtwirtschaftlichen Ausblick ab.

Tabelle 3.2

Scoreboard für die Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte

Tabelle 3.2a – Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte und Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit


Tabelle 3.2b – Binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte und Indikatoren der Arbeitslosigkeit

Quellen: Europäische Kommission (Eurostat, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen) und Europäisches System der Zentralbanken.
Anmerkung: Die Tabelle enthält die zum 25. Mai 2022, dem Redaktionsschluss dieses Berichts, vorliegenden Daten und weicht daher vom Scoreboard ab, das in dem im November 2021 veröffentlichten Warnmechanismus-Bericht 2022 zu finden ist.
1) Dreijahresdurchschnitt in % des BIP.
2) In % des BIP.
3) Prozentuale Veränderung in einem Dreijahreszeitraum gegenüber 41 anderen Industrieländern. Ein positiver Wert zeigt einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit an.
4) Prozentuale Veränderung in einem Fünfjahreszeitraum.
5) Prozentuale Veränderung in einem Dreijahreszeitraum.
6) Veränderung gegenüber Vorjahr in %.
7) Dreijahresdurchschnitt.
8) Veränderung in einem Dreijahreszeitraum in Prozentpunkten.

Eine relativ lang anhaltende Phase der Kreditexpansion im Vorfeld der Finanzkrise führte in einigen der untersuchten Länder zum Aufbau hoher – wenn auch leicht rückläufiger – Schuldenstände im privaten nichtfinanziellen Sektor. Dies stellt für die betreffenden Länder weiterhin eine zentrale Anfälligkeit dar, obwohl sich das private Kreditwachstum abgeschwächt hat und in keinem der untersuchten Länder über dem indikativen Schwellenwert von 14 % lag. In Schweden war die Verschuldung des privaten Sektors im Jahr 2020 mit über 200 % des BIP allerdings weiterhin besonders hoch.

In Bezug auf den Finanzsektor sollten die geprüften Länder eine Politik verfolgen, die einen soliden Beitrag der Finanzbranche zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum und anhaltender Preisstabilität gewährleistet; im Bereich der Bankenaufsicht sollten die Bemühungen auf die Gewährleistung eines finanziell gesunden und widerstandsfähigen Bankensystems als Grundvoraussetzung für den Beitritt zum Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) ausgerichtet sein. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den nationalen Aufsichtsbehörden der anderen EU-Mitgliedstaaten innerhalb der Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten. Mit dem Inkrafttreten des Rahmens für die enge Zusammenarbeit mit der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) und der Hrvatska narodna banka am 1. Oktober 2020 übernahm die EZB die Zuständigkeit für a) die direkte Aufsicht über die bedeutenden Institute in den beiden Ländern, b) die gemeinsamen Verfahren für alle beaufsichtigten Unternehmen und c) die indirekte Aufsicht (Oversight) über weniger bedeutende Institute, die weiterhin von den jeweiligen nationalen zuständigen Behörden beaufsichtigt werden. Seit der Aufnahme einer engen Zusammenarbeit mit der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) und der Hrvatska narodna banka hat die EZB mit diesen eng kooperiert, um eine reibungslose Integration in den SSM zu gewährleisten.

In fast allen betrachteten Ländern wies die Arbeitslosenquote – unter anderem dank befristeter Freistellungen und anderer staatlicher Maßnahmen während der Pandemie – weiterhin eine rückläufige Entwicklung auf. Im Betrachtungszeitraum ist die Arbeitslosenquote in den meisten Ländern (außer Schweden) weiter gesunken; in allen untersuchten Staaten lag sie nach wie vor unter dem indikativen Schwellenwert von 10 %. Die Arbeitslosenquoten in der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen verzeichnen ein historisch niedriges Niveau, und einige Länder sind zunehmend mit einem Arbeitskräftemangel in bestimmten Segmenten des Arbeitsmarkts konfrontiert.

Auch die Stärke des institutionellen Umfelds spielt bei der Analyse der Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Integration und Konvergenz eine wichtige Rolle. So können sich eine geringe institutionelle Qualität sowie eine unzureichende wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung beispielsweise in Form schwacher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, einer ineffizienten öffentlichen Verwaltung, Steuerhinterziehung, Korruption, fehlender sozialer Teilhabe, mangelnder Transparenz, fehlender Unabhängigkeit des Justizwesens und/oder eines schlechten Zugangs zu Onlinediensten widerspiegeln. In mehreren Ländern würde eine Verbesserung der institutionellen Qualität dazu beitragen, bestehende Rigiditäten und Hindernisse, die einer effizienten Nutzung und Allokation der Produktionsfaktoren im Wege stehen, zu beseitigen, und würde somit das langfristige Potenzialwachstum stärken. Wenn das Potenzialwachstum eines Landes durch ein schwaches institutionelles Umfeld behindert wird, kann dies auch die Schuldendienstfähigkeit beeinträchtigen und wirtschaftliche Anpassungen erschweren. Ebenso kann es die Fähigkeit eines Landes zur Umsetzung notwendiger politischer Maßnahmen beeinflussen.

Mit Ausnahme Schwedens ist die Qualität der Institutionen und der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung in allen geprüften Ländern – insbesondere in Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Ungarn – relativ schwach. Dies kann Risiken für die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und die Dauerhaftigkeit der Konvergenz bergen. Der Gesamteindruck einer in den meisten Ländern schwachen Qualität der Institutionen und der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung wird bei Betrachtung spezifischer institutioneller Indikatoren überwiegend bestätigt, wenngleich einige nennenswerte Unterschiede erkennbar sind (siehe Abbildung 3.8 und 3.9).[175] In dieser Hinsicht gehören Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Ungarn zu den Ländern in der EU, die vor den größten Herausforderungen stehen.

Abbildung 3.8

Rangfolge der EU-Länder in Bezug auf die institutionelle Qualität

Quellen: Worldwide Governance Indicators 2021 (Weltbank), The Global Competitiveness Report 2019 (Weltwirtschaftsforum) und Corruption Perceptions Index 2021 (Transparency International).
Anmerkung: Die Länder sind von Position 1 (bestes Ergebnis in der EU) bis Position 27 (schlechtestes Ergebnis in der EU) entsprechend ihrer durchschnittlichen Position in den jeweils aktuellen Rangfolgen angeordnet.

Abbildung 3.9

Rangfolge der EU-Länder in Bezug auf die institutionelle Qualität nach Indikatoren

Quellen: Worldwide Governance Indicators 2021 (Weltbank), The Global Competitiveness Report 2019 (Weltwirtschaftsforum) und Corruption Perceptions Index 2021 (Transparency International).
Anmerkung: Die Länder sind von Position 1 (bestes Ergebnis in der EU) bis Position 27 (schlechtestes Ergebnis in der EU) entsprechend ihrer durchschnittlichen Position in den jeweils aktuellen Rangfolgen angeordnet.

In den meisten der untersuchten Länder sind weitreichende Strukturreformen erforderlich, um das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Durch eine Verbesserung der lokalen Institutionen, der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie weitere Fortschritte bei der Reform und Privatisierung staatlicher Unternehmen und der effizienten Absorption von Mitteln aus dem EU-Haushalt ließe sich das Produktivitätswachstum beschleunigen. Dies würde wiederum den Wettbewerb in wichtigen regulierten Sektoren (z. B. Energie und Transport) befördern, Zugangsbeschränkungen verringern und dringend benötigte private Investitionen anregen.

Auch institutionelle Merkmale im Zusammenhang mit der Qualität der Statistiken sind für einen reibungslosen Konvergenzprozess von wesentlicher Bedeutung. Dies bezieht sich unter anderem auf die rechtliche Unabhängigkeit der nationalen Statistikämter, ihre Aufsicht in Verwaltungsangelegenheiten, ihre Haushaltsautonomie, ihren gesetzlich verankerten Auftrag zur Datenerhebung sowie die Rechtsvorschriften im Hinblick auf die statistische Geheimhaltung. Diese Aspekte werden in Kapitel 6 der englischen Gesamtfassung näher ausgeführt.

4 Zusammenfassung der Länderprüfung

4.1 Bulgarien

Im April 2022 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Bulgarien 5,9 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Diese Rate dürfte sich in den kommenden Monaten schrittweise erhöhen, vor allem, weil der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. In den zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ breiten Bandes von ‑1,7 % bis 5,9 %; mit 0,9 % fiel die durchschnittliche Rate in diesem Zeitraum gemäßigt aus. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Bulgarien auf längere Sicht. Der Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Bulgarien weiterhin erheblich niedriger sind als im Euroraum. Um das Entstehen eines übermäßigen Preisdrucks und makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess durch geeignete Maßnahmen flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Bulgariens überstieg 2021 den Referenzwert von 3 % deutlich, während die Schuldenquote deutlich unterhalb des Referenzwerts von 60 % lag. Bulgarien unterliegt seit 2012 dem präventiven Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Im Mai 2022 stellte die Europäische Kommission fest, dass das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2021 über und nicht nahe dem Referenzwert von 3 % des BIP lag. Die Überschreitung des Referenzwerts wurde als ausnahmsweise und vorübergehend angesehen. Dennoch schlug die Kommission unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Unsicherheit, die auf die weiterhin außergewöhnlichen makroökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sowie den russischen Angriff auf die Ukraine zurückzuführen ist, nicht vor, zum aktuellen Zeitpunkt neue Defizitverfahren einzuleiten. Vor der Covid‑19-Krise hatte Bulgarien von 2012 bis 2019 sowohl das Defizitkriterium (mit einer Ausnahme im Jahr 2014) als auch das Schuldenstandskriterium problemlos eingehalten. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge wird sich die Lage der öffentlichen Finanzen ab 2022 verbessern, was sowohl dem allmählichen Auslaufen der während der Krise ergriffenen finanzpolitischen Maßnahmen als auch einer Konjunkturaufhellung zuzuschreiben ist. Das Haushaltsdefizit dürfte im Jahr 2022 jedoch weiterhin über 3 % des BIP betragen, bevor es 2023 voraussichtlich wieder unter diesen Stand sinkt. Laut der jüngsten Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die Europäische Kommission bestehen in Bulgarien auf mittlere und lange Sicht mittlere Risiken für deren Tragfähigkeit. Zwar sollte die Finanzpolitik in ihrer Reaktion auf die Pandemieentwicklung und angesichts der geopolitischen Lage agil bleiben, doch sind effiziente und zielgerichtete Maßnahmen sowie eine umsichtige und wachstumsfreundliche Finanzpolitik für die zukünftige Sicherstellung einer soliden Haushaltslage von entscheidender Bedeutung.

Am 10. Juli 2020 beschlossen die Vertragsparteien des WKM II im gegenseitigen Einvernehmen, den bulgarischen Lew in den WKM II aufzunehmen; er nahm daher über weite Strecken des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 am WKM II teil. Für den bulgarischen Lew gilt im WKM II ein Leitkurs von 1,95583 Lewa je Euro mit einer Standardschwankungsbandbreite von ±15 %. Bulgarien trat dem Wechselkursmechanismus mit seinem bestehenden Currency Board im Rahmen einer einseitigen Bindung bei, aus der keine zusätzlichen Verpflichtungen für die EZB erwachsen. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der bulgarischen Behörden (einige davon wurden bereits bis zur Aufnahme des Lew in den WKM II erfüllt). So soll bis zum Zeitpunkt der Euro‑Einführung ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht werden. Die EZB und die Europäische Kommission haben die effektive Umsetzung dieser Zusagen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche im Sinne der Verträge und des Sekundärrechts überwacht. Im Referenzzeitraum wies der Lew keine Abweichung vom Leitkurs auf. Im Juli 2020 schloss die Българска народна банка (Bulgarische Nationalbank) eine vorsorgliche Swap-Vereinbarung mit der EZB ab. Im Rahmen dieser Vereinbarung konnte die Българска народна банка (Bulgarische Nationalbank) bis zu 2 Mrd € gegen bulgarische Lewa bei der EZB aufnehmen, um den sich möglicherweise aus der Pandemie ergebenden Bedarf bulgarischer Finanzinstitute an Liquidität in Euro zu decken. Die Vereinbarung trug zur Verringerung des potenziellen Risikos von Schwachstellen im Finanzsystem bei und könnte so auch die Stabilität des Wechselkurses im Berichtszeitraum weiter gefördert haben.

Im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 lagen die langfristigen Zinsen in Bulgarien bei durchschnittlich 0,5 % und damit deutlich unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 2,6 %. Die Langfristzinsen sind seit dem Jahr 2012 gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von 5,3 % auf 0,5 % zurückgegangen.

Um in Bulgarien ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so wählte die Europäische Kommission in ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 das Land nicht für eine eingehende Überprüfung aus. Weitreichende Reformen zur Stärkung der strukturellen Widerstandsfähigkeit, der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der Finanzstabilität, der institutionellen Qualität und der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung würden der Dauerhaftigkeit der Konvergenz und der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit zugutekommen. Die im Rahmen der engen Zusammenarbeit in der Bankenaufsicht erreichte Konvergenz stellt die Anwendung einheitlicher Aufsichtsstandards sicher und trägt somit zur Sicherung der Finanzstabilität bei. Seit dem Inkrafttreten des Rahmenwerks zwischen der EZB und der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) am 1. Oktober 2020 ist die EZB für die direkte Aufsicht über fünf bedeutende Institute und die indirekte Aufsicht (Oversight) über 13 weniger bedeutende Institute in Bulgarien zuständig.

Das bulgarische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Bulgarien alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.2 Tschechische Republik

Im April 2022 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in der Tschechischen Republik 6,2 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Diese Rate dürfte sich in den kommenden Monaten schrittweise erhöhen, vor allem, weil der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. In den zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ breiten Bandes von 0,2 % bis 6,2 %; mit 2,0 % fiel die durchschnittliche Rate in diesem Zeitraum moderat aus. Für die Zukunft bestehen einige Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in der Tschechischen Republik auf längere Sicht. Der Aufholprozess könnte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro‑Kopf-BIP und das Preisniveau in der Tschechischen Republik weiterhin niedriger sind als im Euroraum, sofern dem nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses entgegenwirkt. Um das Entstehen eines übermäßigen Preisdrucks und makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess durch eine gezielte Wirtschaftspolitik flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit der Tschechischen Republik überstieg den Referenzwert von 3 % im Jahr 2021 deutlich, während die Schuldenquote unterhalb des Referenzwerts von 60 % lag. Die Tschechische Republik unterliegt seit 2014 dem präventiven Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Im Mai 2022 stellte die Europäische Kommission fest, dass das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2021 über und nicht nahe dem Referenzwert von 3 % des BIP lag. Die Überschreitung des Referenzwerts wurde als ausnahmsweise, aber nicht vorübergehend angesehen. Dennoch schlug die Kommission unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Unsicherheit, die auf die weiterhin außergewöhnlichen makroökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sowie den russischen Angriff auf die Ukraine zurückzuführen ist, nicht vor, zum aktuellen Zeitpunkt neue Defizitverfahren einzuleiten. In der Zeit vor der Covid‑19-Krise wurden das Defizitkriterium wie auch das Schuldenstandskriterium problemlos eingehalten. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge wird sich die Lage der öffentlichen Finanzen ab 2022 verbessern, was sowohl auf die Konjunkturaufhellung als auch auf das teilweise Auslaufen der während der Krise ergriffenen finanzpolitischen Maßnahmen zurückzuführen ist. Das Haushaltsdefizit dürfte bis zum Ende des Prognosehorizonts im Jahr 2023 jedoch weiterhin über 3 % des BIP betragen. Laut der jüngsten Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die Europäische Kommission bestehen in der Tschechischen Republik auf mittlere Sicht mittlere Risiken für deren Tragfähigkeit. Auf lange Sicht bestehen der Beurteilung zufolge hohe Risiken, die in erster Linie mit Haushaltsbelastungen aufgrund der Bevölkerungsalterung und der anfänglichen Haushaltsposition zusammenhängen. Zwar sollte die Finanzpolitik in ihrer Reaktion auf die Pandemieentwicklung und angesichts der geopolitischen Lage agil bleiben, doch sind effiziente und zielgerichtete Maßnahmen sowie eine umsichtige und wachstumsfreundliche Finanzpolitik für die zukünftige Sicherstellung einer soliden Haushaltslage von entscheidender Bedeutung.

Die tschechische Krone nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs der tschechischen Krone wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine relativ hohe Volatilität auf. Am 25. Mai 2022 lag er bei 24,6480 Kronen je Euro und damit 9,6 % über seinem Durchschnittswert vom Mai 2020.

Im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 lagen die langfristigen Zinsen in der Tschechischen Republik bei durchschnittlich 2,5 % und damit knapp unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 2,6 %. Die Langfristzinsen sind seit dem Jahr 2012 gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von 3,5 % auf 2,5 % zurückgegangen.

Um in der Tschechischen Republik nachhaltige Konvergenz aufrechtzuerhalten, bedarf es einer gezielten Wirtschaftspolitik – einschließlich Strukturreformen – zur Förderung von Preisstabilität und gesamtwirtschaftlicher Stabilität. Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so wählte die Europäische Kommission in ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 das Land nicht für eine eingehende Überprüfung aus. Mittel- bis langfristige Anfälligkeiten ergeben sich aus Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit des gegenwärtigen Wachstumsmodells des Landes und einer ungeordneten Reallokation von Kapital und Kapazitäten in der Volkswirtschaft, die das Wachstum in den von der Pandemie besonders betroffenen Sektoren beeinträchtigen könnten. Mithilfe der Wirtschafts- und Finanzpolitik sollten breite Effizienzgewinne erzielt und die Produktivität durch eine angemessene Kapitalreallokation gesteigert werden. Dazu wird es wichtig sein, die administrativen und institutionellen Kapazitäten (z. B. in Bereichen wie der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung und des Insolvenzrechts) zu stärken und Ineffizienzen bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzugehen; diese belasten das Potenzialwachstum, indem sie Innovationen und die Entwicklung neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten verhindern. Außerdem sollte mittels gezielter Strukturmaßnahmen und Investitionen der Mangel an (qualifizierten) Arbeitskräften behoben werden, und kleine und mittlere Unternehmen sollten leichter Zugang zu Beteiligungsfinanzierungen und Risikokapital erhalten, um das Wachstumspotenzial des Landes zu erhöhen. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den anderen nationalen Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten innerhalb der jeweiligen Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten.

Das tschechische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU‑Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss die Tschechische Republik alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.3 Kroatien

Im April 2022 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Kroatien 4,7 % und lag somit unterhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Diese Rate dürfte sich in den kommenden Monaten schrittweise erhöhen, vor allem, weil der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. In den zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ breiten Bandes von ‑0,8 % bis 4,7 %; mit 1,1 % fiel die durchschnittliche Rate in diesem Zeitraum gemäßigt aus. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Kroatien auf längere Sicht. Der Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Kroatien weiterhin niedriger sind als im Euroraum. Um das Entstehen eines übermäßigen Preisdrucks und makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess durch geeignete Maßnahmen flankiert werden.

Der öffentliche Finanzierungssaldo Kroatiens lag im Jahr 2021 knapp unterhalb des Defizit-Referenzwerts von 3 % und die Schuldenquote oberhalb des Referenzwerts von 60 %, wobei sie nach unten tendierte. Kroatien unterliegt seit Juni 2017 dem präventiven Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Da das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2021 unterhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP lag, und den Prognosen zufolge auch im Jahr 2022 darunter bleiben wird, war das Defizitkriterium erfüllt. Die Schuldenquote belief sich 2021 auf 79,8 %. Dies entsprach einem Rückgang von rund 7,5 Prozentpunkten gegenüber dem 2020 verzeichneten Höchststand von 87,3 %. Damit wurden der Richtwert für den Schuldenabbau eingehalten und das Schuldenstandskriterium demzufolge erfüllt. Im Zeitraum von 2017 bis 2019 wurde das Defizitkriterium eingehalten, und die Schuldenquote war rückläufig. In Bezug auf das Jahr 2020 stellte die Europäische Kommission im Juni 2021 jedoch fest, dass das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit über und nicht nahe dem Referenzwert von 3 % des BIP lag. Die Überschreitung des Referenzwerts wurde als ausnahmsweise, aber nicht vorübergehend angesehen. Darüber hinaus überschritt die öffentliche Verschuldung Kroatiens den Referenzwert von 60 % des BIP und verringerte sich nicht rasch genug. Dennoch war die Kommission unter Berücksichtigung der hohen Unsicherheit, der vereinbarten finanzpolitischen Reaktion auf die Covid‑19-Krise und der Ratsempfehlungen vom 20. Juli 2020 der Auffassung, dass zum damaligen Zeitpunkt kein Beschluss zur Einleitung von Defizitverfahren gegen Mitgliedstaaten gefasst werden sollte. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge werden die Defizit- und Schuldenstandskriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts nach wie vor erfüllt. Laut der jüngsten Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die Europäische Kommission bestehen in Kroatien auf mittlere wie auch auf lange Sicht mittlere Risiken für die Schuldentragfähigkeit. Zwar sollte die Finanzpolitik angesichts der geopolitischen Lage agil bleiben, doch sind effiziente und zielgerichtete Maßnahmen, eine umsichtige und wachstumsfreundliche Finanzpolitik sowie die Umsetzung der im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans vorgesehenen fiskalischen Reformen für die zukünftige Sicherstellung einer soliden Haushaltslage und die Einleitung eines lang anhaltenden Rückgangs der Schuldenquote von entscheidender Bedeutung.

Am 10. Juli 2020 beschlossen die Vertragsparteien des WKM II im gegenseitigen Einvernehmen, die kroatische Kuna in den WKM II aufzunehmen; sie nahm daher über weite Strecken des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 am WKM II teil. Für die kroatische Kuna gilt im WKM II ein Leitkurs von 7,53450 Kuna je Euro mit einer Standardschwankungsbandbreite von ±15 %. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der kroatischen Behörden (einige davon wurden bereits bis zur Aufnahme der Kuna in den WKM II erfüllt). So soll bis zum Zeitpunkt der Euro-Einführung ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht werden. Die EZB und die Europäische Kommission haben die effektive Umsetzung dieser Zusagen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche im Sinne der Verträge und des Sekundärrechts überwacht. Im Referenzzeitraum wies der Wechselkurs der kroatischen Kuna in Relation zum Euro eine geringe Volatilität auf und notierte in der Nähe des Leitkurses. Die Abweichungen vom Leitkurs waren deutlich geringer als die Standardschwankungsbreite im WKM II. Am 25. Mai 2022 lag der Wechselkurs bei 7,5355 Kuna je Euro und damit praktisch auf Höhe des WKM‑II‑Leitkurses. Im April 2020 schloss die Hrvatska narodna banka eine vorsorgliche Swap-Vereinbarung mit der EZB ab. Im Rahmen dieser Vereinbarung konnte die Hrvatska narodna banka bis zu 2 Mrd € gegen kroatische Kuna bei der EZB aufnehmen, um den sich möglicherweise aus der Pandemie ergebenden Bedarf kroatischer Finanzinstitute an Liquidität in Euro zu decken. Die Vereinbarung trug zur Verringerung des potenziellen Risikos von Schwachstellen im Finanzsystem bei und könnte so auch die Stabilität des Wechselkurses im Berichtszeitraum weiter gefördert haben.

Im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 lagen die langfristigen Zinsen in Kroatien bei durchschnittlich 0,8 % und damit weiterhin unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 2,6 %. Die Langfristzinsen sind seit dem Jahr 2012 gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von knapp 7 % auf unter 1,0 % zurückgegangen.

Um in Kroatien ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so unterzog die Europäische Kommission das Land im Nachgang zu ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 einer eingehenden Überprüfung, wobei hervorgehoben wurde, dass die Ungleichgewichte im Zusammenhang mit einer hohen Auslandsverschuldung wie auch einer hohen privaten und öffentlichen Verschuldung vor dem Hintergrund eines niedrigen Potenzialwachstums 2021 weiter zurückgingen. Kroatien würde von Strukturreformen profitieren, die darauf abzielen, das institutionelle Umfeld und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, den Wettbewerb am Gütermarkt zu fördern, die Diskrepanz zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage am Arbeitsmarkt wie auch Engpässe beim Arbeitskräfteangebot zu verringern sowie die Effizienz in der öffentlichen Verwaltung und im Justizwesen zu steigern. Seit dem Inkrafttreten des Rahmenwerks für die enge Zusammenarbeit zwischen der EZB und der Hrvatska narodna banka am 1. Oktober 2020 ist die EZB für die direkte Aufsicht über acht bedeutende Institute und die indirekte Aufsicht (Oversight) über 15 weniger bedeutende Institute in Kroatien zuständig.

Das kroatische Recht steht gemäß Artikel 131 AEUV mit den Verträgen und der ESZB-Satzung im Einklang.

4.4 Ungarn

Im April 2022 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Ungarn 6,8 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Diese Rate dürfte sich in den kommenden Monaten schrittweise erhöhen, vor allem, weil der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. In den zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ breiten Bandes von ‑0,3 % bis 6,8 %; mit 2,5 % fiel die durchschnittliche Rate in diesem Zeitraum erhöht aus. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Ungarn auf längere Sicht. Der Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Ungarn weiterhin niedriger sind als im Euroraum, sofern dem nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses entgegenwirkt. Um das Entstehen eines übermäßigen Preisdrucks und makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess durch geeignete Maßnahmen flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Ungarns lag 2021 deutlich über dem Referenzwert von 3 % und die Verschuldung über dem Referenzwert von 60 %. Ungarn unterliegt seit 2013 dem präventiven Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In Bezug auf das Jahr 2021 stellte die Europäische Kommission fest, dass das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit über und nicht nahe dem Referenzwert von 3 % des BIP lag. Die Überschreitung des Referenzwerts wurde als ausnahmsweise, aber nicht vorübergehend angesehen. Darüber hinaus überschritt die öffentliche Verschuldung Ungarns den Referenzwert von 60 % des BIP und verringerte sich nicht rasch genug. Dennoch schlug die Kommission unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Unsicherheit, die auf die weiterhin außergewöhnlichen makroökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie sowie den russischen Angriff auf die Ukraine zurückzuführen ist, nicht vor, zum aktuellen Zeitpunkt neue Defizitverfahren einzuleiten. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge dürfte sich die Lage im Hinblick auf das Defizit – nach der drastischen Verschlechterung 2020 und 2021 – wieder verbessern. Laut der Prognose wird die Defizitquote 2023 jedoch bei deutlich über 3 % bleiben. In der jüngsten Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die Europäische Kommission wird darauf hingewiesen, dass in Ungarn auf mittlere Sicht ein mittleres und auf lange Sicht ein hohes Risiko besteht, dass es zu fiskalischem Stress kommen wird. Dabei stellt die Bevölkerungsalterung eine Herausforderung für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dar. Zwar sollte die Finanzpolitik in ihrer Reaktion auf die Pandemieentwicklung und angesichts der geopolitischen Lage agil bleiben, doch sind effiziente und zielgerichtete Maßnahmen sowie eine umsichtige und wachstumsfreundliche Finanzpolitik für die zukünftige Sicherstellung einer soliden Haushaltslage und die Einleitung eines lang anhaltenden Rückgangs der Schuldenquote von entscheidender Bedeutung.

Der ungarische Forint nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs des ungarischen Forint in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine hohe Volatilität auf. Am 25. Mai 2022 lag er bei 388,25 Forint je Euro und damit 10,7 % unter seinem Durchschnittswert vom Mai 2020. Im Juni 2020 schloss die Magyar Nemzeti Bank eine Vereinbarung über eine Repo-Linie mit der EZB ab. Im Rahmen dieser Repo-Linie kann die Magyar Nemzeti Bank bis zu 4 Mrd € gegen angemessene auf Euro lautende Sicherheiten bei der EZB aufnehmen, um den sich möglicherweise aus der Pandemie ergebenden Bedarf ungarischer Finanzinstitute an Liquidität in Euro zu decken. Die Vereinbarung trug zur Verringerung des potenziellen Risikos von Schwachstellen im Finanzsystem bei und könnte so auch die Wechselkursentwicklung im Berichtszeitraum beeinflusst haben.

Im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 lagen die langfristigen Zinsen in Ungarn bei durchschnittlich 4,1 % und damit oberhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 2,6 %. Bei den Langfristzinsen ist seit dem Jahr 2012 ein Abwärtstrend zu verzeichnen, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von rund 8 % auf rund 4 % zurückgegangen.

Um in Ungarn ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so wählte die Europäische Kommission in ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 das Land nicht für eine eingehende Überprüfung aus. Allerdings übermittelte die Europäische Kommission am 27. April 2022 im Rahmen der allgemeinen Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union den ungarischen Behörden eine schriftliche Mitteilung über Bedenken hinsichtlich der Achtung der Rechtsstaatlichkeit, die zu einer Aussetzung oder Verringerung der Auszahlung von EU-Mitteln führen könnte. Ungarn würde von Strukturreformen profitieren, die darauf abzielen, die Qualität der öffentlichen Institutionen und Verwaltung zu verbessern; auch die Umsetzung angemessener Maßnahmen für die Gütermärkte würde dem Land zugutekommen. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den anderen nationalen Aufsichtsbehörden der EU‑Mitgliedstaaten innerhalb der Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten.

Das ungarische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung, die Anforderungen an die einheitliche Schreibweise des Euro und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Ungarn alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.5 Polen

Im April 2022 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Polen 7,0 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Diese Rate dürfte sich in den kommenden Monaten schrittweise erhöhen, vor allem, weil der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. In den zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ breiten Bandes von -0,7 % bis 7,0 %; mit 1,7 % fiel die durchschnittliche Rate in diesem Zeitraum moderat aus. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Polen auf längere Sicht. Der Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Polen weiterhin niedriger sind als im Euroraum, sofern dem nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses entgegenwirkt. Um das Entstehen eines übermäßigen Preisdrucks und makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess durch geeignete Maßnahmen flankiert werden.

Der öffentliche Finanzierungssaldo Polens lag 2021 deutlich unterhalb des Defizit-Referenzwerts von 3 % und die Schuldenquote unterhalb des Referenzwerts von 60 %. Polen unterliegt seit 2015 dem präventiven Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Bis 2019 wurde das Defizitkriterium eingehalten, und die Schuldenquote war rückläufig. Im Jahr 2021 belief sich das Haushaltsdefizit auf 1,9 % des BIP. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge wird sich der Finanzierungssaldo im Jahr 2022 jedoch merklich verschlechtern und das Haushaltsdefizit über dem Referenzwert von 3 % liegen. Ursächlich hierfür sind die Kosten für die Unterstützung ukrainischer Geflüchteter, höhere Zinsaufwendungen, vorübergehende Hilfsmaßnahmen zur Abfederung der hohen Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln sowie geringere Einnahmen aufgrund der Einkommensteuerreform. Im Mai 2022 sah die Europäische Kommission die von Polen geplante Überschreitung des Referenzwerts als ausnahmsweise, aber nicht vorübergehend an. Dennoch schlug sie unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Unsicherheit, die auf die weiterhin außergewöhnlichen makroökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie sowie den russischen Angriff auf die Ukraine zurückzuführen ist, nicht vor, zum aktuellen Zeitpunkt neue Defizitverfahren einzuleiten. Im Juni 2021 stellte die Europäische Kommission fest, dass das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2020 über und nicht nahe dem Referenzwert von 3 % des BIP lag, während die Schuldenquote unter der Obergrenze von 60 % blieb. Dennoch leitete die Kommission angesichts der außergewöhnlichen Lage aufgrund der Covid‑19-Pandemie kein Defizitverfahren ein. Im Jahr 2021 ging das Defizit zurück, da die meisten Notfallmaßnahmen ausgelaufen waren, woraufhin die Schuldenquote auf 53,8 % sank. Die Schuldenquote indes wird sich laut den Prognosen merklich verbessern und unterhalb des Referenzwerts von 60 % bleiben. Laut der jüngsten Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die Europäische Kommission bestehen in Polen auf mittlere und lange Sicht mittlere Risiken für deren Tragfähigkeit, die auf Haushaltsbelastungen aufgrund der Bevölkerungsalterung und der ungünstigen anfänglichen Haushaltsposition zurückzuführen sind. Zwar sollte die Finanzpolitik in ihrer Reaktion auf die Pandemieentwicklung und angesichts der geopolitischen Lage agil bleiben, doch sind effiziente und zielgerichtete Maßnahmen sowie eine umsichtige und wachstumsfreundliche Finanzpolitik für die zukünftige Sicherstellung einer soliden Haushaltslage von entscheidender Bedeutung.

Der polnische Zloty nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs des polnischen Zloty in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine relativ hohe Volatilität auf. Am 25. Mai 2022 lag er bei 4,6210 Zloty je Euro und damit 2,1 % unter seinem Durchschnittswert vom Mai 2020. Ende März 2022 schloss die Narodowy Bank Polski eine Swap-Vereinbarung mit der EZB ab. Im Rahmen dieser Vereinbarung kann die Narodowy Bank Polski bis zu 10 Mrd € gegen polnische Zloty bei der EZB aufnehmen, um den möglichen Bedarf an Liquidität in Euro im polnischen Finanzsystem zu decken. Die Vereinbarung trug zur Verringerung des potenziellen Risikos von Schwachstellen im Finanzsystem bei und könnte so auch die Wechselkursentwicklung zum Ende des Berichtszeitraums beeinflusst haben.

Im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 lagen die langfristigen Zinsen in Polen bei durchschnittlich 3,0 % und damit oberhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 2,6 %. Die Langfristzinsen sind seit dem Jahr 2012 gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von etwa 6 % auf 3 % zurückgegangen.

Um in Polen ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik, gezielter Strukturreformen und politischer Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität. Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so wählte die Europäische Kommission in ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 das Land nicht für eine eingehende Überprüfung aus. Es ist unabdingbar, die derzeit gute Finanzlage des Bankensektors zu bewahren, sodass dieser das Vertrauen ausländischer Anleger aufrechterhält und einen soliden Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten kann. Gestützt werden sollte dies durch zielgerichtete Strukturreformen zur Verringerung von Friktionen am Arbeitsmarkt, zur Förderung des Wettbewerbs am Gütermarkt sowie zur Beschleunigung von Innovationen und der Modernisierung der Infrastruktur. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den anderen nationalen Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten innerhalb der Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten.

Das polnische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, die Geheimhaltung, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU‑Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Polen alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.6 Rumänien

Im April 2022 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Rumänien 6,4 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Diese Rate dürfte sich in den kommenden Monaten schrittweise erhöhen, vor allem, weil der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. In den zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ breiten Bandes von ‑1,7 % bis 6,4 %; mit 2,2 % fiel die durchschnittliche Rate in diesem Zeitraum moderat aus. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Rumänien auf längere Sicht. Der Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Rumänien weiterhin niedriger sind als im Euroraum, sofern dem nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses entgegenwirkt. Um das Entstehen eines übermäßigen Preisdrucks zu verhindern und makroökonomische Ungleichgewichte zu reduzieren, muss der Aufholprozess durch geeignete Maßnahmen flankiert werden.

Während die Defizitquote Rumäniens im Jahr 2021 erheblich über dem Referenzwert von 3 % lag, ruht das im April 2020 eingeleitete Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Seit April 2020 unterliegt Rumänien einem Defizitverfahren, da der Finanzierungssaldo im Jahr 2019 über dem Referenzwert von 3 % lag. Das gesamtstaatliche Defizit belief sich 2021 auf 7,1 % des BIP und lag damit unter dem empfohlenen Zielwert, wobei die geforderten Konsolidierungsanstrengungen erfüllt wurden. Daher ruht das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge dürften die Zielwerte für den Zeitraum 2022-2024 nur mit einer Änderung der Politik erreicht werden. Daher müssten eine mittelfristige Konsolidierungsstrategie entwickelt und entsprechende Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden. Die Schuldenquote liegt unterhalb des Referenzwerts von 60 %, steigt aber seit 2019 an. Laut der jüngsten Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die Europäische Kommission bestehen in Rumänien auf kurze Sicht geringe, auf mittlere Sicht hohe und auf lange Sicht mittlere Tragfähigkeitsrisiken; das Land sollte die aus der Bevölkerungsalterung erwachsenden Herausforderungen angehen. Zwar sollte die Finanzpolitik in ihrer Reaktion auf die Pandemieentwicklung und angesichts der geopolitischen Lage agil bleiben, doch sind effiziente und zielgerichtete Maßnahmen sowie eine umsichtige und wachstumsfreundliche Finanzpolitik im Sinne der Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts von entscheidender Bedeutung, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen auf mittlere Sicht zu gewährleisten.

Der rumänische Leu nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 nicht am WKM II teil, sondern wurde im Regime eines kontrollierten Floatings zu bedingt flexiblen Wechselkursen gehandelt. Der Wechselkurs des rumänischen Leu wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine sehr geringe Volatilität auf. Am 25. Mai 2022 lag er bei 4,9416 Lei je Euro und damit 2,2 % unter seinem Durchschnittswert vom Mai 2020. Im Juni 2020 schloss die Banca Naţională a României eine Vereinbarung über eine Repo-Linie mit der EZB ab. Im Rahmen dieser Repo-Linie kann die Banca Naţională a României bis zu 4,5 Mrd € gegen hochwertige auf Euro lautende Sicherheiten bei der EZB aufnehmen, um den sich möglicherweise aus der Pandemie ergebenden Bedarf rumänischer Finanzinstitute an Liquidität in Euro zu decken. Die Vereinbarung trug zur Verringerung des potenziellen Risikos von Schwachstellen im Finanzsystem bei und könnte so auch die Wechselkursentwicklung im Berichtszeitraum beeinflusst haben.

Im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 lagen die langfristigen Zinsen in Rumänien bei durchschnittlich 4,7 % und damit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 2,6 %. Die Langfristzinsen sind seit dem Jahr 2012 gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von gut 7 % auf rund 4,5 % zurückgegangen.

Um in Rumänien ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so unterzog die Europäische Kommission das Land im Nachgang zu ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 einer eingehenden Überprüfung, wobei sie Probleme im Zusammenhang mit der außenwirtschaftlichen Position und kostenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit hervorhob. Rumänien hat zwar seit Anfang der 2010er-Jahre gute Fortschritte bei der Erfüllung der Voraussetzungen für die wirtschaftliche Konvergenz erzielt, es gibt aber noch Bedenken hinsichtlich des niedrigen Produktivitätsniveaus. Die relativ schwache Qualität der Institutionen und der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung sowie die schwachen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Rumänien beeinträchtigen weiterhin das Wachstumspotenzial des Landes. Zudem bleibt die effiziente Absorption von Mitteln aus dem EU‑Haushalt für die Förderung des Wirtschaftswachstums auf mittlere Sicht und die Unterstützung der Wirtschaft beim bevorstehenden ökologischen und digitalen Wandel entscheidend. Des Weiteren bedarf es Reformbemühungen bei der Korruptionsbekämpfung, der Verbesserung des Wettbewerbs und der Stärkung der Berechenbarkeit des Steuersystems, des Justizwesens, der Regulierung und der Verwaltung. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den anderen nationalen Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten innerhalb der Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten.

Das rumänische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Rumänien alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.7 Schweden

Im April 2022 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Schweden 3,7 % und lag somit deutlich unterhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 4,9 %. Diese Rate dürfte sich in den kommenden Monaten schrittweise erhöhen, vor allem, weil der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, einer Ausweitung des Preisdrucks und einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe führt. In den zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines Bandes von 0,2 % bis 3,7 %; mit 1,2 % fiel die durchschnittliche Rate in diesem Zeitraum gemäßigt aus. Das Pro-Kopf-BIP in Schweden liegt bereits über dem Niveau des Euroraums insgesamt, sodass das Land nicht mit Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem Aufholprozess konfrontiert ist. Für die Zukunft sollten die Geldpolitik und der stabilitätsorientierte institutionelle Rahmen weiterhin das Erreichen von Preisstabilität in Schweden unterstützen.

Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Schwedens lag 2021 deutlich unterhalb des Referenzwerts von 3 % und die Schuldenquote deutlich unterhalb des Referenzwerts von 60 %. Schweden war noch nie Gegenstand eines Defizitverfahrens. Der Frühjahrsprognose 2022 der Europäischen Kommission zufolge werden die Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts erfüllt. Laut der jüngsten Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die Europäische Kommission bestehen in Schweden auf mittlere und lange Sicht geringe Risiken. Zwar sollte die Finanzpolitik in ihrer Reaktion auf die Pandemieentwicklung und angesichts der geopolitischen Lage agil bleiben, doch lässt sich durch effiziente und zielgerichtete Maßnahmen sowie die Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels auch in den nächsten Jahren gewährleisten, dass Schweden mit Blick auf solide öffentliche Finanzen auf seinem bislang erfolgreichen Kurs noch weiter vorankommen wird.

Die schwedische Krone nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom 26. Mai 2020 bis zum 25. Mai 2022 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs der schwedischen Krone in Relation zum Euro wies in den zwei Jahren im Schnitt eine relativ hohe Volatilität auf. Am 25. Mai 2022 lag er bei 10,5419 Kronen je Euro und damit 0,5 % über seinem Durchschnittswert vom Mai 2020. Im Referenzzeitraum bestand zwischen der Sveriges riksbank und der EZB eine Swap-Vereinbarung, in deren Rahmen die Sveriges riksbank bis zu 10 Mrd € gegen schwedische Kronen bei der EZB aufnehmen kann. Diese Vereinbarung besteht seit dem 20. Dezember 2007 und hat das Ziel, die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu fördern und diesen bei Bedarf Liquidität in Euro bereitzustellen. Die Vereinbarung trug zur Verringerung des potenziellen Risikos von Schwachstellen im Finanzsystem bei und könnte so auch den Wechselkurs der schwedischen Krone zum Euro im Berichtszeitraum beeinflusst haben.

Im Referenzzeitraum von Mai 2021 bis April 2022 lagen die langfristigen Zinsen in Schweden bei durchschnittlich 0,4 % und damit weiterhin deutlich unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 2,6 %. Die Langfristzinsen sind seit dem Jahr 2012 gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von rund 2 % auf rund 0,5 % zurückgegangen.

Um in Schweden ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld aufrechtzuerhalten, bedarf es der Fortführung der stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik, der gezielten Strukturreformen und der Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität. Trotz der erheblichen Auswirkungen der Pandemie auf die Realwirtschaft sind die Wohnimmobilienpreise in Schweden seit dem Frühjahr 2020 vor allem aufgrund der höheren Nachfrage stark gestiegen. Dieser Preisauftrieb scheint von den historischen Fundamentaldaten wie den Hypothekenzinsen oder dem verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte deutlich abzuweichen. Die Europäische Kommission unterzog das Land im Nachgang zu ihrem Warnmechanismus-Bericht 2022 vor allem aufgrund der makroökonomischen Ungleichgewichte, die sich aus der Entwicklung am Wohnimmobilienmarkt ergeben, einer eingehenden Überprüfung. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den anderen nationalen Aufsichtsbehörden der EU‑Mitgliedstaaten innerhalb der Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten.

Das schwedische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Schweden alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen. Gemäß AEUV besteht für Schweden seit dem 1. Juni 1998 eine Verpflichtung zur Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Integration in das Eurosystem. Die zuständigen Stellen in Schweden haben bislang keine gesetzgeberischen Maßnahmen getroffen, um die in diesem und in den vorangegangenen Berichten aufgezeigten Unvereinbarkeiten zu beheben.

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Übersetzt von der Deutschen Bundesbank im Auftrag der Europäischen Zentralbank. In Zweifelsfällen gilt der englische Originaltext.

Alle Rechte vorbehalten. Die Anfertigung von Kopien für Ausbildungszwecke und nichtkommerzielle Zwecke ist mit Quellenangabe gestattet.

Redaktionsschluss für die in diesem Konvergenzbericht enthaltenen Statistiken war am 25. Mai 2022.

Zu Terminologie und Abkürzungen siehe das Glossar der EZB.

HTML ISBN 978-92-899-5213-2, ISSN 1725-9509, doi: 10.2866/33195, QB-AD-22-001-DE-Q

In den Tabellen verwendete Abkürzungen und Zeichen

- Daten werden nicht erhoben/Nachweis nicht sinnvoll

. Daten noch nicht verfügbar


  1. Bei Abschluss des Maastricht-Vertrags im Jahr 1992 wurde Dänemark eine Ausnahmeregelung oder Opting-Out-Klausel gewährt, die besagt, dass Dänemark nicht an der dritten Stufe der WWU teilnehmen und somit den Euro nicht einführen muss.

  2. Sofern nicht anders angegeben, bezeichnet „Vertrag“ im vorliegenden Bericht den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, sämtliche Verweise auf Artikelnummern beziehen sich auf die seit 1. Dezember 2009 geltende Nummerierung. Sofern nicht anders angegeben, bezeichnet „Verträge“ stets den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Weitere Informationen hierzu finden sich im Glossar, das auf der Website der EZB abrufbar ist.

  3. An diesem Tag übernahm die EZB die ihr übertragenen Aufgaben nach Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63). Siehe Artikel 33 Absatz 2 dieser Verordnung.

  4. Siehe Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (EZB/2014/17) (ABl. L 141 vom 14.5.2014, S. 1).

  5. Siehe Beschluss (EU) 2020/1015 der Europäischen Zentralbank vom 24. Juni 2020 zur Eingehung einer engen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und der Българска народна банка (Bulgarische Nationalbank) (EZB/2020/30) (ABl. L 224I vom 13.7.2020, S. 1); Beschluss (EU) 2020/1016 der Europäischen Zentralbank vom 24. Juni 2020 zur Eingehung einer engen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und der Hrvatska narodna banka (EZB/2020/31) (ABl. L 224l vom 13.7.2020, S. 4). Die Vereinbarung über die Aufnahme des bulgarischen Lew und der kroatischen Kuna in den Wechselkursmechanismus II (WKM II) trat gleichzeitig in Kraft.

  6. Siehe EZB, EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2020, insbesondere Abschnitt 4.1 (Erweiterung des SSM durch enge Zusammenarbeit).

  7. Europäische Kommission, Warnmechanismus-Bericht 2022 (COM(2021) 741 final).

  8. Das Konzept des „Ausreißers“ wurde bereits in früheren Konvergenzberichten der EZB sowie in den Konvergenzberichten des EWI behandelt. Entsprechend diesen Berichten gilt ein Mitgliedstaat dann als Ausreißer, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens liegt der Zwölfmonatsdurchschnitt seiner Inflationsrate erheblich unterhalb der vergleichbaren Raten der anderen Mitgliedstaaten, und zweitens wurde seine Preisentwicklung stark durch außergewöhnliche Faktoren beeinflusst. Zur Identifizierung von Ausreißern wird kein mechanischer Ansatz herangezogen, sondern es wurde ein Ansatz eingeführt, der angemessen auf potenzielle signifikante Verzerrungen der Inflationsentwicklung in einzelnen Ländern reagiert.

  9. Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6).

  10. Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 33).

  11. Der SKS-Vertrag findet auch auf die ratifizierenden Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung Anwendung, und zwar ab dem Tag, an dem der Beschluss zur Aufhebung der Ausnahmeregelung wirksam wird, oder ab einem früheren Zeitpunkt, falls der betreffende Mitgliedstaat erklärt, dass er ab einem solchen früheren Zeitpunkt an alle oder einige Bestimmungen des SKS-Vertrags gebunden sein will.

  12. Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1).

  13. Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 41).

  14. Siehe Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

  15. Siehe Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011.

  16. Siehe Erwägungsgrund 17 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011.

  17. Stellungnahme CON/2010/37 und CON/2010/91. Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind über EUR‑Lex abrufbar.

  18. Entscheidung 98/317/EG des Rates vom 3. Mai 1998 gemäß Artikel 109j Absatz 4 des Vertrags (ABl. L 139 vom 11.5.1998, S. 30). Anmerkung: Die Bezeichnung der Entscheidung 98/317/EG bezieht sich auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (vor der neuen Nummerierung der Artikel dieses Vertrags gemäß Artikel 12 des Vertrags von Amsterdam); diese Bestimmung wurde durch den Vertrag von Lissabon aufgehoben.

  19. Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 33).

  20. Zu Bulgarien und Rumänien siehe Artikel 5 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. L 157 vom 21.6.2005, S. 203). Zu Kroatien siehe Artikel 5 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. L 112 vom 24.4.2012, S. 21).

  21. Im Einzelnen sind dies die Konvergenzberichte der EZB vom Juni 2020 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2018 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2016 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2014 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2013 (über Lettland), vom Mai 2012 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2010 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2008 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien, die Slowakei und Schweden), vom Mai 2007 (über Zypern und Malta), vom Dezember 2006 (über die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Ungarn, Malta, Polen, die Slowakei und Schweden), vom Mai 2006 (über Litauen und Slowenien), vom Oktober 2004 (über die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien, die Slowakei und Schweden), vom Mai 2002 (über Schweden) und vom April 2000 (über Griechenland und Schweden) sowie der Konvergenzbericht des EWI vom März 1998.

  22. Was Aufgaben und Befugnisse betrifft, die teilweise der EZB übertragen wurden, so dürfen innerstaatliche Rechtsvorschriften den der EZB übertragenen Aufgaben und Befugnissen nicht entgegenstehen. Siehe Stellungnahme CON/2020/15.

  23. Siehe unter anderem EuGH, Rechtssache C-265/95, Kommission gegen Französische Republik, EU:C:1997:595.

  24. ABl. L 189 vom 3.7.1998, S. 42.

  25. Dies gilt auch für die Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB; siehe Abschnitt 2.1.4 des vorliegenden Konvergenzberichts.

  26. Stellungnahme CON/2011/104.

  27. Siehe Ziffer 2.3 der Stellungnahme CON/2019/15 sowie EuGH, Rechtssache C-11/00, Kommission gegen Europäische Zentralbank, EU:C:2003:395, Rn. 134 bis 136.

  28. Stellungnahme CON/2019/23.

  29. Siehe Ziffer 2.2 der Stellungnahme CON/2011/104 und Ziffer 3.2.2 der Stellungnahme CON/2017/34.

  30. Siehe Ziffer 2.2 der Stellungnahme CON/2021/35.

  31. Stellungnahme CON/2010/31.

  32. Stellungnahme CON/2009/93.

  33. Stellungnahme CON/2010/94.

  34. Stellungnahme CON/2016/33.

  35. Stellungnahme CON/2014/25 und CON/2015/57.

  36. Stellungnahme CON/2018/17.

  37. Siehe EuGH; Rechtssache C-3/20, LR Ģenerālprokuratūra (Generalstaatsanwaltschaft der Republik Lettland), ECLI:EU:C:2021:969, Rn. 43.

  38. Siehe EuGH, Rechtssache C-202/18, Rimšēvičs gegen Republik Lettland, EU:C:2019:139, Rn. 76.

  39. Siehe EuGH, Rechtssache C-202/18, Rimšēvičs gegen Republik Lettland, EU:C:2019:139, Rn. 52, sowie Stellungnahme CON/2011/9.

  40. Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2010/56, CON/2010/80, CON/2011/104, CON/2011/106 und CON/2021/9.

  41. Stellungnahme CON/2018/23.

  42. Stellungnahme CON/2012/89.

  43. Stellungnahme CON/2018/17, CON/2019/19 und CON/2019/36.

  44. Stellungnahme CON/2018/53.

  45. Siehe Stellungnahme CON/2019/36 sowie die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache C-202/18, Rimšēvičs gegen Republik Lettland, EU:C:2018:1030, Rn. 77.

  46. Siehe EuGH, Rechtssache C-202/18, Rimšēvičs gegen Republik Lettland, EU:C:2019:139, Rn. 96.

  47. Stellungnahme CON/2004/35, CON/2005/26, CON/2006/32, CON/2006/44, CON/2007/6, CON/2019/19 und CON/2019/24.

  48. Siehe EuGH, Rechtssache C-202/18, Rimšēvičs gegen Republik Lettland, EU:C:2019:139, Rn. 76.

  49. In diesem Zusammenhang steht es den Mitgliedstaaten frei, die Anforderungen festzulegen, die sie für die Ernennung der Mitglieder der Beschlussorgane ihrer NZB für erforderlich halten, sofern diese nicht den sich aus den Verträgen ergebenden Grundsätzen der Zentralbankunabhängigkeit zuwiderlaufen. Siehe Stellungnahme CON/2018/23, CON/2020/19 und CON/2021/9.

  50. Stellungnahme CON/2021/7.

  51. Stellungnahme CON/2014/24, CON/2014/27, CON/2014/56 und CON/2017/17.

  52. Artikel 30.4 der ESZB-Satzung findet nur innerhalb des Eurosystems Anwendung.

  53. Artikel 33.2 der ESZB-Satzung findet nur innerhalb des Eurosystems Anwendung.

  54. Stellungnahme CON/2016/55, CON/2020/11 und CON/2020/13.

  55. Stellungnahme CON/2020/13.

  56. Stellungnahme CON/2018/17.

  57. ABl. L 115 vom 16.5.2000, S. 1.

  58. Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 13. Dezember 2010 über die Erhöhung des Kapitals der Europäischen Zentralbank (EZB/2010/26) (ABl. L 11 vom 15.1.2011, S. 53).

  59. Die grundlegenden Stellungnahmen der EZB in diesem Bereich sind im Wesentlichen: CON/2002/16, CON/2003/22, CON/2003/27, CON/2004/1, CON/2006/38, CON/2006/47, CON/2007/8, CON/2008/13, CON/2008/68 und CON/2009/32.

  60. Stellungnahme CON/2019/12.

  61. Stellungnahme CON/2019/19.

  62. Zur Arbeit der unabhängigen externen Rechnungsprüfer der NZBen siehe Artikel 27.1 der ESZB‑Satzung.

  63. Stellungnahme CON/2011/9, CON/2011/53, CON/2015/57 und CON/2018/17.

  64. Stellungnahme CON/2015/8, CON/2015/57, CON/2016/24, CON/2016/59 und CON/2018/17.

  65. Stellungnahme CON/2017/17 und CON/2018/17.

  66. Stellungnahme CON/2009/85 und CON/2017/17.

  67. Stellungnahme CON/2009/26 und CON/2013/15.

  68. Stellungnahme CON/2009/59 und CON/2009/63.

  69. Stellungnahme CON/2009/53, CON/2009/83 und CON/2019/21.

  70. Stellungnahme CON/2009/26, CON/2012/69 und CON/2020/13.

  71. Stellungnahme CON/2021/7.

  72. Stellungnahme CON/2019/19.

  73. Stellungnahme CON/2008/9, CON/2008/10 und CON/2012/89.

  74. Stellungnahme CON/2019/19.

  75. Stellungnahme CON/2010/42, CON/2010/51, CON/2010/56, CON/2010/69, CON/2010/80, CON/2011/104, CON/2011/106, CON/2012/6, CON/2012/86 und CON/2014/7.

  76. Stellungnahme CON/2014/38.

  77. Stellungnahme CON/2021/16.

  78. Stellungnahme CON/2015/8 und CON/2015/57.

  79. ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 1. Artikel 104 und Artikel 104b 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft entsprechen Artikel 123 bzw. Artikel 125 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

  80. Siehe Konvergenzbericht 2008, Fußnote 13, in der eine Reihe grundlegender Stellungnahmen des EWI/der EZB, die zwischen Mai 1995 und März 2008 in diesem Bereich verabschiedet wurden, aufgeführt sind.

  81. Erwägungsgrund 14 und Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93. Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2016/21, CON/2017/4, CON/2020/37 und CON/2021/23.

  82. Siehe Stellungnahme CON/2021/39.

  83. Eine solche Prüfung ist nicht notwendig, wenn die der NZB zu übertragende Aufgabe lediglich eine bereits bestehende Funktion der NZB ergänzt und nicht als wirklich neue Aufgabe eingestuft werden kann.

  84. Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2016/54.

  85. Stellungnahme CON/2011/30, CON/2015/36, CON/2015/46 und CON/2021/29.

  86. Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2015/22.

  87. Zu konkreten Beispielen siehe den Abschnitt „Finanzielle Unterstützung für Abwicklungsfonds oder Finanzierungsmechanismen sowie für Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme“.

  88. Stellungnahme CON/2015/36, CON/2015/46, CON/2016/49, CON/2016/57 und CON/2018/57.

  89. Stellungnahme CON/2015/12.

  90. Stellungnahme CON/2016/45.

  91. Stellungnahme CON/2016/54.

  92. Stellungnahme CON/2017/19.

  93. Stellungnahme CON/2017/32.

  94. Stellungnahme CON/2018/43.

  95. Stellungnahme CON/2021/29.

  96. Stellungnahme CON/2020/2 und CON/2021/35.

  97. Stellungnahme CON/2021/9.

  98. Stellungnahme CON/2007/29, CON/2016/31, CON/2017/3 und CON/2017/12.

  99. Stellungnahme CON/2019/27.

  100. Stellungnahme CON/2015/45.

  101. Stellungnahme CON/2016/31.

  102. Stellungnahme CON/2015/54, CON/2016/34 und CON/2017/3.

  103. Stellungnahme CON/2019/07.

  104. Stellungnahme CON/2019/02.

  105. Stellungnahme CON/2017/52.

  106. Stellungnahme CON/2018/2 und CON/2018/5.

  107. Stellungnahme CON/2016/38 und CON/2020/23.

  108. Stellungnahme CON/2021/34.

  109. Stellungnahme CON/2021/34.

  110. Stellungnahme CON/2017/2.

  111. Stellungnahme CON/2021/9. Eine nähere Erläuterung hierzu findet sich im nachstehenden Abschnitt „Finanzielle Unterstützung für Abwicklungsfonds oder Finanzierungsmechanismen sowie Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme“.

  112. Stellungnahme CON/2016/42.

  113. Stellungnahme CON/2012/4.

  114. Stellungnahme CON/2011/91 und CON/2011/99.

  115. Stellungnahme CON/2009/59 und CON/2009/63.

  116. Stellungnahme CON/2013/56.

  117. Stellungnahme CON/2015/22.

  118. Stellungnahme CON/2019/20 und CON/2021/7.

  119. Stellungnahme CON/2013/5.

  120. Stellungnahme CON/2012/50, CON/2012/64 und CON/2012/71.

  121. In Stellungnahme CON/2012/4, Fußnote 42, finden sich Verweise auf weitere einschlägige Stellungnahmen aus diesem Bereich. Siehe auch Stellungnahme CON/2016/55 und CON/2017/1.

  122. Stellungnahme CON/2020/24 und CON/2021/17.

  123. Stellungnahme CON/2015/22, CON/2016/28 und CON/2019/16.

  124. Stellungnahme CON/2011/103, CON/2012/99, CON/2015/3 und CON/2015/22.

  125. Stellungnahme CON/2015/33, CON/2015/35 und CON/2016/60.

  126. Erwägungsgrund 27 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 149).

  127. Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. L 84 vom 26.3.1997, S. 22).

  128. Stellungnahme CON/2020/24 und CON/2021/17.

  129. Stellungnahme CON/2011/83 und CON/2015/52.

  130. Stellungnahme CON/2011/84.

  131. Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 und Stellungnahme CON/2013/2.

  132. Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93.

  133. Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93.

  134. Stellungnahme CON/2013/3.

  135. Stellungnahme CON/2009/23, CON/2009/67 und CON/2012/9.

  136. Siehe unter anderem Stellungnahme CON/2010/54, CON/2010/55 und CON/2013/62.

  137. Stellungnahme CON/2012/9.

  138. Siehe hierzu EuGH, Rechtssache C-201/14, Smaranda Bara u. a. gegen Casa Naţională de Asigurări de Sănătate u. a., EU:C:2015:638, Rn. 22; EuGH, Rechtssache C-62/14, Peter Gauweiler u. a. gegen Deutscher Bundestag, EU:C:2015:400, Rn. 100.

  139. Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung des Verbots des bevorrechtigten Zugangs gemäß Artikel 104a des Vertrages [zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft] (ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 4). Artikel 104a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist heute Artikel 124 AEUV.

  140. Artikel 3 Absatz 2 und Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93.

  141. Stellungnahme von Generalanwalt Elmer in der Rechtssache C-222/95, Société civile immobilière Parodi gegen Banque H. Albert de Bary et Cie., EU:C:1997:345, Rn. 24.

  142. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1); Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).

  143. Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013.

  144. Artikel 8 der Richtlinie 2013/36/EU.

  145. Dies wird auch durch Artikel 3 Absatz 2 und Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 gestützt.

  146. Leitlinie (EU) 2015/510 der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) (ABl. L 91 vom 2.4.2015, S. 3).

  147. Je höher die Mindestreservepflicht ist, desto weniger Mittel kann die Bank verleihen, was zu einer geringeren Geldschöpfung führt.

  148. Siehe Artikel 19 der ESZB-Satzung; Verordnung (EG) Nr. 2531/98 des Rates vom 23. November 1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die Europäische Zentralbank (ABl. L 318 vom 27.11.1998, S. 1); Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank vom 12. September 2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2003/9) (ABl. L 250 vom 2.10.2003, S. 10); Verordnung (EU) Nr. 1071/2013 der Europäischen Zentralbank vom 24. September 2013 über die Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute (EZB/2013/33) (ABl. L 297 vom 7.11.2013, S. 1).

  149. In der den Verträgen beigefügten „Erklärung der Republik Lettland, der Republik Ungarn und der Republik Malta zur Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung in den Verträgen“ heißt es: „Unbeschadet der in den Verträgen enthaltenen vereinheitlichten Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung der Europäischen Union, wie sie auf den Banknoten und Münzen erscheint, erklären Lettland, Ungarn und Malta, dass die Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung – einschließlich ihrer abgeleiteten Formen, die in der lettischen, der ungarischen und der maltesischen Sprachfassung der Verträge benutzt werden – keine Auswirkungen auf die geltenden Regeln der lettischen, der ungarischen und der maltesischen Sprache hat.“

  150. ABl. L 139 vom 11.5.1998, S. 1.

  151. Stellungnahme CON/2012/87.

  152. Stellungnahme CON/2020/2.

  153. Stellungnahme CON/2010/30 und CON/2010/48.

  154. Siehe insbesondere Artikel 127 und Artikel 128 AEUV sowie Artikel 3 bis 6 und Artikel 16 der ESZB‑Satzung.

  155. Artikel 127 Absatz 2 erster Gedankenstrich AEUV.

  156. Stellungnahme CON/2012/105, CON/2013/90 und CON/2013/91.

  157. Beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 41). Siehe Stellungnahme CON/2013/90 und CON/2013/91.

  158. Stellungnahme CON/2009/99, CON/2011/79 und CON/2017/1.

  159. Stellungnahme CON/2010/8.

  160. Stellungnahme CON/2008/34.

  161. Artikel 127 Absatz 2 dritter Gedankenstrich AEUV.

  162. Ausgenommen davon sind Arbeitsguthaben in Fremdwährungen, die die Regierungen der Mitgliedstaaten nach Artikel 127 Absatz 3 AEUV halten dürfen.

  163. In diesem Zusammenhang müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Übereinstimmung mit den im Unionsrecht festgelegten Berichtspflichten gewährleisten. Siehe Stellungnahme CON/2020/29.

  164. Stellungnahme CON/2013/88.

  165. Stellungnahme CON/2015/5 und CON/2015/24.

  166. Artikel 26 der ESZB-Satzung.

  167. Artikel 27 der ESZB-Satzung.

  168. Artikel 28 der ESZB-Satzung.

  169. Artikel 30 der ESZB-Satzung.

  170. Artikel 32 der ESZB-Satzung.

  171. Für die Zwecke dieses Berichts werden die Wechselkurse in nationalen Währungseinheiten je Euro angegeben. Folglich entspricht ein Rückgang (Anstieg) des Wechselkurses einer Aufwertung (Abwertung) der jeweiligen Währung gegenüber dem Euro. Die entsprechende prozentuale Veränderung gibt an, wie stark die Währung auf- oder abgewertet hat.

  172. Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (COM(2022) 630 final).

  173. Europäische Kommission, Europäisches Semester 2022 - Frühjahrspaket (COM(2022) 600 final).

  174. Eine Analyse der potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen von NGEU findet sich in: The economic impact of Next Generation EU: a euro area perspective, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 291, April 2022.

  175. Die Messung der institutionellen Qualität ist nach wie vor schwierig und umstritten.
    Einerseits können auf Wahrnehmungen beruhende Indikatoren im Vergleich zu anderen Indikatoren gewisse Vorzüge haben. Ein Vorteil liegt darin, dass Umfragen, die auf Wahrnehmungen basieren, sämtliche Aspekte umfassen, während spezifischere Messgrößen möglicherweise stark verzerrte Informationen liefern. Zwar kann der absolute Wert der auf Wahrnehmungen basierenden Indikatoren fragwürdig sein, doch sind die Indikatoren für länderübergreifende Vergleiche hilfreich, sofern nicht eindeutig gegenüber einem bestimmten Land oder gegenüber mehreren spezifischen Ländern eine systematische Verzerrung vorliegt. Ferner können Indikatoren, die ausschließlich auf Gesetzesinhalten und nicht auf detaillierter Kenntnis der tatsächlichen Umsetzung basieren, in die Irre führen. Da kein institutionelles Modell vorab bevorzugt werden darf, können auf Wahrnehmungen beruhende Umfragen zudem Messfehler verhindern, wenn verschiedene Dimensionen der wirtschaftspolitischen Steuerung direkt gemessen werden.
    Andererseits sind auch auf Wahrnehmungen basierende Umfragen mit Verzerrungen behaftet. So können eine zurückliegende Episode oder schlecht formulierte Fragen diese Umfragen stark beeinflussen.
    Angesichts der jeweiligen Schwächen und komparativen Vorteile der auf Wahrnehmungen beruhenden Indikatoren (z. B. zu Korruption) und der objektiveren Indikatoren (z. B. zur Wettbewerbsfähigkeit) sind in Abbildung 3.8 und 3.9 beide Arten von institutionellen Indikatoren dargestellt.
    Außerdem hat der institutionelle Fokus mit Blick auf die EU-Länder erst in den vergangenen Jahren an analytischer und politischer Bedeutung gewonnen. Daher gibt es generell noch sehr viel Spielraum, was die Verbesserung der Messungen betrifft. Zudem sind länderübergreifende Ansätze, die ein so komplexes Thema wie die institutionelle Qualität oder gute wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung behandeln, zwangsläufig in gewissen Bereichen nicht ausreichend und müssen zweifellos durch länderspezifischere und längerfristige Beurteilungen ergänzt werden. Zugleich sollten Messschwierigkeiten nicht dazu führen, diese entscheidenden Bestimmungsgrößen für langfristigen Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und soziales Wohlergehen herabzusetzen.