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Fabio Panetta
Member of the ECB's Executive Board
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Interview mit Handelsblatt

Interview mit Fabio Panetta, Mitglied des Direktoriums der EZB, geführt von Andreas Kröner, Jan Mallien und Frank Wiebe

24. Januar 2023

Die Guidance der EZB vom Dezember wurde von den Märkten in letzter Zeit auf die Probe gestellt. Es herrscht offenbar eine gewisse Verwirrung über die nächsten Schritte der Währungshüter. Haben die Märkte überstürzt reagiert?

In unseren Projektionen vom Dezember gingen wir davon aus, dass die Inflation noch bis Mitte 2025 über unserem 2 %-Ziel liegen wird. Da die Inflation aber schon seit einiger Zeit hoch war, hat dies zu einer weiteren geldpolitische Anpassung geführt. Es war angemessen, die Leitzinsen im Dezember zu erhöhen und für Februar einen ähnlichen Schritt zu signalisieren. Aber über den Februar hinaus würde jede nicht an Bedingungen geknüpfte Guidance – d. h. eine von den Wirtschaftsaussichten entkoppelte Orientierungshilfe – von unserem datenbasierten Ansatz abweichen. Unsere Beschlüsse vom Dezember basierten auf den damals vorliegenden Projektionen. Im März werden uns neue Projektionen vorliegen, und dann sollten wir die Lage neu beurteilen.

Aber meinen Sie nicht, dass die EZB den Märkten etwas Orientierung im Hinblick auf ihre nächsten Schritte geben sollte?

Das schon, aber nicht in Form einer Guidance, die an keine Bedingungen geknüpft ist. Wir bemühen uns sehr um Berechenbarkeit. Aber in der aktuellen Lage dürfen wir uns nicht für einen zu langen Zeitraum auf einen bestimmten Zinspfad festlegen, ohne die Datenlage zu berücksichtigen. Eine langfristige Orientierung hinsichtlich der künftigen Geldpolitik (unsere sogenannte „Forward Guidance“) war früher gerechtfertigt, als die Zinssätze ihre Untergrenze erreicht hatten. Damals konnten wir die Erwartungen in Bezug auf die künftigen Zinssätze nur beeinflussen, indem wir signalisierten, dass wir die Leitzinsen über einen langen Zeitraum niedrig halten würden. Jetzt sieht die Sache anders aus. Derzeit bekämpfen wir eine zu hohe Inflation. Dabei können wir die Leitzinsen so weit erhöhen, wie wir es für angemessen halten, um unser Ziel zu erreichen.

Zudem ist die Unsicherheit in der Wirtschaft zu groß, um sich bedingungslos auf einen bestimmten Kurs festzulegen. Es besteht Unsicherheit über die Entwicklung des Krieges, die Rohstoffpreise für Energie und Nahrungsmittel und darüber, wie sie auf die Einzelhandelspreise durchschlagen, über die Wiederöffnung der Wirtschaft und deren Auswirkungen auf die Lieferketten, über die Weltwirtschaft (denken Sie an China und die Vereinigten Staaten), die Binnenwirtschaft (wird es eine Rezession geben?) und die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Produktionskapazitäten.

Also wie sollte Ihre Strategie vor diesem Hintergrund aussehen?

Wir sollten für Klarheit über unsere Reaktionsfunktion sorgen und uns von dieser leiten lassen. Sie beruht auf unserem Preisstabilitätsmandat und besteht aus zwei Hauptelementen. Das erste Element sind die Wirtschafts- und Inflationsaussichten: Wir werden reagieren, wenn die mittelfristige Inflation über unserem Zielwert bleibt. Das zweite Element besteht in den Risiken rund um diesen Ausblick. Derzeit hängen sie vor allem mit möglichen Zweitrundeneffekten zusammen. Wir wollen verhindern, dass sich die Inflationserwartungen entankern oder eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt wird.

Wonach richten sich Ihre nächsten Schritte?

Sie richten sich natürlich nach der Wirtschaftsentwicklung und deren Auswirkungen auf die beiden Elemente unserer Reaktionsfunktion. Je nach Einschätzung können wir entscheiden, dass mehr oder weniger Straffung nötig ist als im Dezember geplant. Wir sollten daher nicht überrascht sein, dass die Anleger ihre Erwartungen hinsichtlich der künftigen Zinssätze anpassen, sobald neue Daten vorliegen. Aber wir müssen ihnen erklären, wie wir diese Daten deuten.

In Ihren Projektionen gehen Sie davon aus, dass die Inflation 2023 rapide sinken wird. Für 2024 und 2025 haben Sie Ihre Inflationsprognosen aber nach oben korrigiert, und zwar über Ihren Zielwert von 2 %.

Das ist richtig. Nach den von Fachleuten des Eurosystems erstellten Projektionen vom Dezember 2022 wird die Inflation deutlich zurückgehen: von 8,4 % im Jahr 2022 auf 3,6 % bis Ende 2023. Grund hierfür sind vor allem niedrigere Energiepreise. 2024 wird sie aber bei ungefähr 3,4 % verharren und erst im dritten Quartal 2025 die 2 % erreichen.

Die Energiepreise sinken also, die Inflation wird aber weiterhin über Ihrem Zielwert bleiben. Was steckt dahinter?

Aus zwei Gründen bleibt die projizierte Inflationsrate 2024 und 2025 über dem Zielwert: Erstens gehen wir in den Projektionen davon aus, dass die Löhne in den kommenden Monaten steigen werden.

Die Kombination aus rasch steigenden Preisen und moderatem Lohnwachstum hat bislang dazu geführt, dass die Realeinkommen erheblich gesunken sind. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tragen also die Hauptlast der Terms of Trade-„Steuer“, die Putin Europa auferlegt hat. Ihr Anteil am Gesamteinkommen ist dadurch zurückgegangen. Im Laufe der Zeit könnte ein Ausgleich stattfinden. Das deutet aber nicht unbedingt darauf hin, dass eine Lohn-Preis-Spirale bevorsteht. Vielmehr könnte die Putin-„Steuer“ anders auf die Löhne und Gewinne verteilt werden. Das könnte zu einem einmaligen Aufholprozess bei den Löhnen führen. Bei den Unternehmen könnte dies durch Gewinnaufschläge, die in letzter Zeit gestiegen sind, oder durch einen Rückgang anderer Vorleistungskosten (z. B. Energie) aufgefangen werden.

Und was ist der zweite Grund?

Der zweite Grund hängt damit zusammen, wie unsere Fachleute die finanzpolitischen Maßnahmen einschätzen, mit denen die Auswirkungen des Energieschocks abgemildert werden sollen. Die Aufwärtskorrektur der Inflationsprognosen vom Dezember für die Jahre 2024 und 2025 spiegelt zu einem Großteil die Tatsache wider, dass die von den Regierungen angekündigten und ergriffenen Preismaßnahmen die Energiepreise und die Inflation 2023 voraussichtlich dämpfen werden, also dann, wenn sie eingeführt werden. Gleichzeitig dürften sie den gegenteiligen Effekt haben, wenn sie zurückgenommen werden, wahrscheinlich 2024. Dies dürfte die Inflation 2024 antreiben und 2025 mit Überhangeffekten verbunden sein, wodurch sich die Rückkehr zu unserem Zielwert verzögert. Die Auswirkungen auf die Inflation sind großteils darauf zurückzuführen, dass die meisten dieser finanzpolitischen Maßnahmen nicht auf bedürftige Bevölkerungsgruppen beschränkt sind. Sie stellen vielmehr eine allgemeine Unterstützung dar, die unter dem Strich die Inflation fördert.

Was folgt daraus?

Meine Sorge ist, dass dieser Effekt finanzpolitischer Maßnahmen – der in unserer Basisprojektion berücksichtigt wird – weitgehend auf Ermessensentscheidungen zurückzuführen und mit sehr hoher Unsicherheit behaftet ist. Ermessensbasierte finanzpolitische Maßnahmen lassen sich nur schwer vorhersagen. So dürften die Ausgaben für die Entlastung bei den Energiekosten niedriger ausfallen, wenn die Energiepreise weiter sinken. Tatsächlich hat die Bundesregierung in der letzten Woche angekündigt, dass sinkende Preise ihre Ausgaben für die Energiepreisbremsen verringern könnten.

Dabei ist dieses Zusammenspiel zwischen Geld- und Finanzpolitik äußerst ineffizient. Denn es besteht die Gefahr, dass finanzpolitische Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Verbraucher vor hohen Energiekosten zu schützen und ihre Kaufkraft zu bewahren, paradoxerweise eine kontraktive geldpolitische Reaktion auslösen, die wiederum die Realwirtschaft treffen, die Einkommen der privaten Haushalte schmälern und die Zinsbelastung der Regierungen erhöhen würde. Das wäre, als würde man mit der einen Hand geben und mit der anderen wieder nehmen.

Wie kann man das verhindern?

Die Regierungen können beschließen, ihre Maßnahmen zu überarbeiten. Sie könnten beispielsweise eine einkommensbasierte Unterstützung einführen, die sie gezielt auf bedürftige Bevölkerungsgruppen ausrichten, um diese unerwünschten Inflationsschwankungen zu vermeiden. Einige Mitgliedstaaten ziehen diese Möglichkeit aktuell in Betracht. Dies würde für die Geldpolitik einen großen Unterschied machen und die Kosten der Inflationsbekämpfung senken. Außerdem käme es den öffentlichen Haushalten zugute, indem die Kreditkosten der Staaten gesenkt würden.

Welche neuen wirtschaftlichen Entwicklungen gab es seit Dezember?

Es gab einige gute Nachrichten zur Inflationsentwicklung. Die Angebotsschocks, unter denen die Wirtschaft in den letzten Monaten zu leiden hatte, dürften sich allmählich umkehren. Wir dürfen „verhalten optimistisch“ sein, sollten aber auch vorsichtig und wachsam bleiben.

Der Preisauftrieb bei Energie könnte sich weiter abschwächen, wenn sich der jüngste Rückgang der Großhandelspreise für Strom und Gas – der bislang stärker ist als im Dezember angenommen – nachhaltig fortsetzt und in den Einzelhandelspreisen niederschlägt, was in der Regel eine Weile dauert. Niedrigere Energiepreise sind in jedem Fall eine gute Nachricht, sowohl für die Wirtschaft als auch für die Inflation. Sie senken die tatsächliche Inflation und dämmen die realen Einkommensverluste ein. Dadurch reduzieren sie das Risiko von Zweitrundeneffekten und tragen dazu bei, die Stimmung in der Wirtschaft zu verbessern.

Wie lange wird es dauern, bis die Bürgerinnen und Bürger konkrete Anzeichen einer Verbesserung werden wahrnehmen können?

Das wird dauern, und es wird womöglich Auf und Abs geben, aber bei der Inflation machen sich positive Anzeichen bemerkbar. So sind etwa die saisonbereinigten Inflationsraten über 3 Monate (die die aktuelle Dynamik der Inflation erfassen) nicht nur bei der Gesamtinflation, sondern auch bei der Kerninflation in den letzten Monaten zurückgegangen. Weitere Entwicklungen in jüngster Zeit könnten diesen Trend stützen: Seit unseren Dezember-Projektionen hat der Euro gegenüber dem Dollar um 6 % aufgewertet. Gleichzeitig trägt die Anpassung unseres geldpolitischen Kurses zu restriktiveren Finanzierungsbedingungen bei. Die Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte schwächt sich ab. Alle diese Faktoren werden in den März-Projektionen eine wichtige Rolle spielen.

Kann man also sagen, dass die Geldpolitik dabei ist, die Inflation zu besiegen?

Noch nicht. Es wird dauern, bis sich die Entwicklungen, von denen ich gerade gesprochen habe, in vollem Umfang auf die Einzelhandelspreise niederschlagen. Diese Entwicklungen könnten darüber hinaus zum Stillstand kommen oder sich umkehren. Gleichzeitig könnten die unlängst besseren Konjunkturdaten die Kerninflation verstärken. Zudem sind wir immer noch weit von unserem Zielwert entfernt. Wir müssen die Wirtschafts- und Inflationsaussichten genau im Auge behalten.

Was bedeutet dies nun für die Geldpolitik?

Wir müssen mit der Unsicherheit leben und jederzeit bereit sein, unseren geldpolitischen Kurs anzupassen. Die Inflation ist immer noch zu hoch, doch die jüngsten Entwicklungen deuten darauf hin, dass wir die Gefahr von Zweitrundeneffekten eindämmen und den Rückgang der Inflation erreichen können, indem wir unsere Leitzinsen weiterhin auf gut kalibrierte, nicht schematische Weise anpassen.

Geldpolitik wirkt mit einer zeitlichen Verzögerung. Das heißt, die Auswirkungen der schnellsten Straffung in der Geschichte der EZB sind noch nicht ansatzweise in vollem Umfang spürbar geworden. Wir müssen diese Verzögerungen berücksichtigen, um eine Kursumkehr zu vermeiden. Diese wäre teuer, da die Wirtschaft des Euroraums weniger flexibel ist als eine Volkswirtschaft wie die Vereinigten Staaten. Wir müssen unsere Politik weiterhin an den eingehenden Daten ausrichten und den Märkten die erforderliche an Bedingungen geknüpfte Guidance auf der Grundlage unserer Reaktionsfunktion zur Verfügung stellen. Wir sollten alles Notwendige tun, um die Inflation umgehend wieder auf 2 % zurückzuführen, mit möglichst geringen Kosten für die Wirtschaft.

Wie sollte ausgehend von Ihrer Analyse der nächste Schritt der EZB aussehen? Eine Zinserhöhung um 25 oder 50 Basispunkte?

Ich spreche gerne drüber, wie ich die Wirtschaftsentwicklung deute, und was dies meiner Auffassung nach allgemein für unsere Geldpolitik bedeutet. Aber eine eingehende öffentliche Diskussion über konkrete geldpolitische Maßnahmen – eine Diskussion über Basispunkte – wäre unangebracht. Diese Gespräche sollten innerhalb des EZB-Rats stattfinden.

In Ihrem Heimatland Italien sind die Beschlüsse der EZB vom Dezember kritisiert worden. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

Hier ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Länder mit einer höheren – staatlichen oder privaten – Verschuldung am meisten von einer konsequenten Inflationsbekämpfung profitieren. Schließlich führt eine niedrige Inflation bei genau diesen Ländern dazu, dass sie einen geringen Ausgleich für das Inflationsrisiko (also eine geringere Inflationsrisikoprämie) zahlen müssen und darum auch die Anleiherenditen niedrig sind. In den vergangenen beiden Jahrzehnten sind die Staaten des Euroraums insgesamt in den Genuss der niedrigen Finanzierungskosten gekommen, trotz der steigenden Schuldenquoten, die in zahlreichen Ländern zu verzeichnen waren. Dies ist weitestgehend darauf zurückzuführen, dass die EZB in der Lage war, die Preise stabil zu halten.

Sie glauben also nicht, dass die Geldpolitik eine Risikoquelle für Italien darstellt?

Ehrlich gesagt nicht. Die italienische Finanzpolitik ist vorsichtig geblieben. Die steigenden Zinsen waren schon im Haushalt einkalkuliert, und die aktuellen Marktbedingungen sind sogar etwas günstiger als die, die im Haushalt vorgesehen sind. Darüber hinaus beträgt die durchschnittliche Laufzeit italienischer staatlicher Schuldtitel 7,8 Jahre. Das bedeutet, dass ein unerwarteter Anstieg der Marktrenditen 2023 nur sehr begrenzte Auswirkungen auf die Zinsaufwendungen Italiens hätte. Und was nicht zu vergessen ist: Der wichtigste Faktor beim Schuldenabbau ist Wachstum. Das Wachstum in Italien war 2022 stärker als erwartet und lag über dem Durchschnitt des Euroraums. Das Land kann in Zukunft noch erhebliche Mittel investieren – etwa 9 % des BIP – dank des Programms „Next Generation EU“. Ein Länderrisiko ist also kaum auszumachen, wenn sich der Trend fortsetzt.

Nun zu einem anderen Thema, dem digitalen Euro. Inwieweit kann die EZB auf diesem Gebiet alleine Entscheidungen fällen?

Das ist ein hochpolitisches Projekt, und die EZB unternimmt hier nichts im Alleingang. Wir stimmen uns eng mit den europäischen Gesetzgebern ab. Die Europäische Kommission wird im Frühjahr einen Gesetzgebungsvorschlag vorlegen, der von den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament erörtert werden wird.

Welche Punkte sind schon geklärt?

Eines ist klar: Wir bereiten uns gerade darauf vor, öffentliches Geld in digitaler Form und gleichzeitig weiterhin in physischer Form anzubieten. Bargeld werden wir nach wie vor ausgeben. Wie beim Bargeld auch wollen wir sicherstellen, dass im Euroraum jeder leicht Zugang zum digitalen Euro hat. Aus diesem Grund werden wir mit beaufsichtigten Intermediären wie Banken zusammenarbeiten, da diese am besten in der Lage sind, mit den Endnutzern zu interagieren. Wir gestalten den digitalen Euro so, dass die Privatsphäre in höchstem Maß geschützt bleibt. Die EZB wird keinen Zugriff auf personenbezogene Daten haben.

In vielen Ländern ist es schon gang und gäbe, digital zu bezahlen. Wer braucht einen digitalen Euro überhaupt noch?

Im Euroraum ist es derzeit nicht gewährleistet, dass man überall mit einem einheitlichen Zahlungsmittel bezahlen kann. Bargeld kann nicht für Online-Zahlungen verwendet werden, und die bestehenden digitalen Lösungen können nicht in allen Ländern genutzt werden. Der digitale Euro ist der logische nächste Schritt für unsere gemeinsame Währung: Er würde die Fragmentierung des Zahlungsverkehrs innerhalb der Währungsunion mithilfe eines letztendlich von den Europäerinnen und den Europäern geregelten Zahlungsmittels beseitigen.

Wichtig ist auch, dass Bürgerinnen und Bürger, die lieber digital bezahlen möchten, die Option haben, mit Zentralbankgeld zu bezahlen. Das ist eine Frage der Souveränität. Und der digitale Euro würde einen monetären Anker darstellen: Jeder und jede kann sicher sein, dass ein Euro stets ein Euro ist. Denn jede Form von Geld, wie etwa Bankguthaben, kann immer in risikoloses Zentralbankgeld – sei es Bargeld oder ein digitaler Euro –umgewandelt werden.

Aber der digitale Euro bringt auch Risiken mit sich: Wenn die Menschen in einer Finanzkrise ihre Bankguthaben schnell in digitale Euro umtauschen, wird sich die Krise dadurch noch mehr verschärfen.

Wir werden dafür sorgen, dass durch einen digitalen Euro keine Risiken für die Finanzstabilität entstehen. Er wird so gestaltet sein, dass eine Obergrenze für Guthaben in digitalen Euro festgelegt werden kann; eine Entscheidung über den genauen Betrag wurde allerdings noch nicht getroffen. Wir wollen, dass der digitale Euro ein Zahlungsmittel ist und nicht für Anlagezwecke verwendet wird.

Und was geschieht, wenn jemand digitale Euro erhält, die Obergrenze für diese Person aber bereits erreicht ist?

Dann würde der darüber hinausgehende Betrag automatisch umgewandelt und einem vom Empfänger ausgewählten Bankkonto gutgeschrieben.

Was die technische Seite betrifft, wird der digitale Euro auf einer Blockchain basieren, so wie Bitcoin?

Das haben wir noch nicht entschieden, da die Technologie der Funktionalität folgen sollte. Außerdem ist unklar, ob eine dezentrale Lösung wie die Blockchain in der Lage wäre, die Volumina zu bewältigen, die generiert werden könnten. Wir führen zurzeit eine Marktforschung durch, um Meinungen über die möglichen technologischen Lösungen zu sammeln. Auf jeden Fall wird unsere Infrastruktur nichts mit Bitcoin zu tun haben, denn diese sind kein Geld und stützen sich auf eine Technologie, die überaus ineffizient ist und enorm viel Energie verschlingt.

Welche Fragen hinsichtlich der Konzeption sind noch offen?

Zum Beispiel ob der digitale Euro außerhalb des Euroraums genutzt werden kann und wenn ja, in welchem Umfang. Es gibt Stimmen, die fordern, dass er weltweit nutzbar sein soll. Aber selbst wenn wir die Guthaben auf sagen wir 3 000 € pro Person beschränken sollten, könnte dies in den Finanzsystemen mancher Länder außerhalb des Euroraums Spannungen verursachen.

Wer sollte die Kosten des digitalen Euro tragen, die Bürgerinnen und Bürger?

Nein, unsere Arbeitshypothese lautet, dass er für die Verbraucherinnen und Verbraucher kostenlos sein wird, so wie Banknoten. Es könnte sein, dass es einen Kostenausgleich geben wird, vergleichbar mit dem, der bei Kartenzahlungen zwischen der Bank des Händlers und der Bank des Zahlungspflichtigen erfolgt, und es könnte eine Händlergebühr geben. Wir erörtern diese Fragen derzeit mit der Kommission.

Ihre Amtszeit läuft noch bis Ende 2027. Glauben Sie, dass es den digitalen Euro bis dahin geben wird?

Bei all meiner Begeisterung für dieses Projekt: Bislang ist noch nicht entschieden, ob es einen digitalen Euro geben wird. Auf jeden Fall werden die Vorbereitungen noch ein paar Jahre dauern.

Sie glauben aber schon, dass das Projekt verspricht, ein Erfolg zu werden?

Ich möchte, dass der digitale Euro erfolgreich wird, nicht aber, dass er dominiert. Er sollte andere Zahlungsmethoden nicht ersetzen, sondern ergänzen. Wir möchten den Bürgerinnen und Bürgern ein öffentliches Gut bieten, das neben den anderen Zahlungsmitteln besteht. Die Bürgerinnen und Bürger werden dann entscheiden, ob sie es nutzen möchten. Darum müssen wir es für sie attraktiv machen, indem wir ihnen Benutzerfreundlichkeit, den Schutz ihrer Privatsphäre sowie Effizienz und Sicherheit garantieren.

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