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Fabio Panetta
Member of the ECB's Executive Board
  • DER EZB-BLOG

Digitales Zentralbankgeld für die Menschen in Europa: für die Zukunft bereit sein

Blogbeitrag von Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Direktoriums, und Ulrich Bindseil, EZB-Generaldirektor für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr

Frankfurt am Main, 25. März 2021

Die Möglichkeit einer Digitalisierung des Euro weckt hohe Erwartungen. Sie wirft aber auch Fragen auf. Bei der EZB nehmen wir die Sorgen der Menschen ernst und müssen darum auch mit Missverständnissen aufräumen. Gegenwärtig kursieren drei Irrtümer zum digitalen Euro: Erstens, dass die EZB beabsichtigt, das Bargeld abzuschaffen und im Anschluss aus geldpolitischen Gründen die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich zu senken. Zweitens, dass ein digitaler Euro die Banken mit ihrem Einlagen- und Kreditgeschäft verdrängen würde. Drittens, dass dem digitalen Euro kein tragfähiges Geschäftsmodell zugrunde liegen würde.

Zunächst einmal ist noch gar nicht entschieden, ob ein digitaler Euro überhaupt eingeführt wird. Aktuell prüfen wir diese Möglichkeit noch und untersuchen, wie ein digitaler Euro aussehen könnte. Mitte dieses Jahres wird der EZB-Rat entscheiden, ob wir ein Projekt starten, das die Einführung eines digitalen Euro vorbereitet. Selbst wenn wir uns dafür aussprechen, so hieße dies lediglich, dass wir bereit sein wollen. Ob ein digitaler Euro dann tatsächlich eingeführt wird, würde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.

Integraler Bestandteil aller Erwägungen ist, dass ein digitaler Euro ein Zahlungsmittel wäre, das Bargeld ergänzen, es aber nicht ersetzen würde. Das Bargeld abzuschaffen steht nicht zur Diskussion. Das haben EZB-Präsidentin Christine Lagarde sowie andere Mitglieder des EZB-Direktoriums und des EZB-Rats mehrfach öffentlich bestätigt. Außerdem legt das Primärrecht der EU fest, dass Banknoten gesetzliches Zahlungsmittel sind. Und die EZB und die Europäische Kommission haben zugesichert, dass sie die weitere Verwendung von Bargeld unterstützen.

Die EZB plant keineswegs, über einen digitalen Euro Zinsen durchzusetzen, die deutlich tiefer im negativen Bereich liegen. Solange es Bargeld gibt, wird dieses auch immer zu einem Zins von null Prozent gehalten werden können. Die Einführung eines digitalen Euro kann für die Bürgerinnen und Bürger also gar nicht von Nachteil sein. Mit einem digitalen Euro sollen sie die Möglichkeit bekommen, Zentralbankgeld als ein praktisches Zahlungsmittel zu verwenden. Das hat nichts mit Geldpolitik zu tun.

Ähnlich unbegründet sind Bedenken, dass die EZB den Banken in großem Stil Kundeneinlagen abspenstig machen wollte. Wir sind überzeugt davon, dass Finanzierung der Wirtschaft über privatwirtschaftliche Kanäle effizienter funktioniert, also über Banken und Kapitalmärkte. Es liegt uns fern, das europäische Finanzsystem umzugestalten. Die Kundeneinlagen und die Rolle der Banken als Kreditgeber sind eng miteinander verknüpft. Ein digitaler Euro soll daran nicht rütteln. Wir haben uns bereits dazu geäußert, wie ein digitaler Euro ausgestaltet sein könnte, damit er nicht zu einem Anlageobjekt wird, das die Rolle der Banken als Finanzintermediäre schwächen könnte.

Stärker beachtet werden sollten stattdessen die Stabilitätsrisiken, falls die EZB keinen digitalen Euro bereitstellen sollte. Wir müssen verhindern, dass der europäische Zahlungsverkehr von Anbietern außerhalb Europas beherrscht wird, etwa von globalen Technologiegiganten, die in Zukunft Kunstwährungen anbieten. Das könnte nicht nur die Stabilität des Finanzsystems gefährden, auch Privatpersonen und der Handel wären ein paar wenigen marktbeherrschenden Anbietern ausgesetzt.

Durch die Vorbereitungen für einen digitalen Euro sichern wir zudem die Autonomie Europas. Er ist eine Absicherung, falls unerwünschte Szenarien einzutreten drohen. Auch wenn sich solche Szenarien nicht unmittelbar abzeichnen, müssen die Menschen sich darauf verlassen können, dass die verantwortlichen Instanzen solche Gefahren auf dem Radar haben und sich frühzeitig dagegen wappnen.

Dass manche Skeptiker den Nutzen eines digitalen Euro aktuell nicht erkennen, ist nicht verwunderlich. Die Aufgabe öffentlicher Institutionen ist es aber, sich mit den Herausforderungen der Zukunft zu befassen und sich frühzeitig darauf vorzubereiten. Sie müssen im Interesse aller vorausschauend handeln, auch wenn mit Prävention nicht immer Ruhm zu ernten ist.

Im Gegensatz zu privaten Unternehmen oder datenhungrigen Technologieunternehmen streben Zentralbanken nicht nach Gewinnmaximierung. Wir haben auch kein Interesse an personenbezogenen Daten oder an Marktmacht. Ein digitaler Euro soll ein alternatives, modernes und sicheres Zahlungsmittel für die Europäerinnen und Europäer sein, hinter dem das Stabilitätsversprechen einer unabhängigen Zentralbank steht. Er würde als Basis und integraler Bestandteil moderner Zahlungsdienstleistungen fungieren, nicht als Gegenentwurf dazu. Der digitale Euro würde, sollte er eingeführt werden, den Schutz der Privatsphäre gewährleisten, und er wäre kostenfrei. Dank seiner Verfügbarkeit wäre es möglich, in jedem Winkel des Euroraums digital zu bezahlen.

Dafür muss der digitale Euro natürlich benutzerfreundlich sein und auf breiter Ebene angenommen werden. Die EZB ist daher im Austausch mit Vertretern aus der Industrie, der Wissenschaft und mit der breiteren Öffentlichkeit, um die Bedürfnisse der Menschen genau zu verstehen und sicherzustellen, dass der digitale Euro breit akzeptiert wird.

Das braucht Zeit. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere gemeinsame Währung für die Zukunft und das digitale Zeitalter gerüstet ist – das gebietet unsere Verantwortung gegenüber den Europäerinnen und Europäern. Gründlichkeit ist ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit.

Dieser Blogbeitrag erschien zunächst am 25. März 2021 als Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung.