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Interview zu den EUROPA-KULTURTAGEN der EZB – Lettland 2013

6. Oktober 2013

Interview mit Mario Draghi, Präsident der EZB, und Ilmārs Rimšēvičs, Präsident der Latvijas Banka, für die Sonderbeilage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, veröffentlicht am 6. Oktober 2013.

Herr Draghi und Herr Rimšēvičs, die Arbeit einer Zentralbank hat mit Zahlen, Regeln und wirtschaftlichen Mechanismen zu tun. Worin liegt die Verbindung zur Kultur in Ihren Institutionen?

Draghi: Jeder von uns nimmt an kulturellen Aktivitäten teil, sei es mit Freunden oder mit unseren Familien. Ich denke, für die meisten Menschen ist die Teilhabe am kulturellen Geschehen in irgendeiner Form unverzichtbar, denn dadurch wird man Teil der Gesellschaft. Abgesehen davon gibt es selbst in unserer täglichen Arbeit einen kulturellen Bezug – man denke an die künstlerischen Motive auf den Banknoten, den Baustil unserer Gebäude oder die Gestaltung unserer Publikationen. Als Arbeitgeber von hochqualifizierten Fachleuten haben wir ein großes Interesse an der Förderung unseres Umfelds, denn damit erhöht sich die Lebensqualität hier in Frankfurt – der Stadt, die von den Regierungen der Europäischen Union als Sitz der EZB gewählt wurde.

Rimšēvičs: Eine konkrete Verbindung zur Kultur gibt es in der Latvijas Banka durch unsere Münzen, unsere Gebäude und unseren Chor. Seit nunmehr 20 Jahren haben wir ein Sammlermünzen-Programm, in dem sich die Geschichte des Landes widerspiegelt und das unsere historischen, kulturellen und emotionalen Werte in künstlerischem Kleinformat darstellt. Einige unserer Gebäude stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts – unser Hauptsitz in Riga ist ein denkmalgeschütztes Gebäude –, andere wiederum wurden erst zu Beginn dieses Jahrtausends fertiggestellt, beispielsweise unser neuer Kassentresor. Sowohl die Gestaltung neuer Gebäude für eine moderne Zentralbank als auch der Erhalt historischer Strukturen erfordern ein gutes Verständnis der architektonischen Möglichkeiten und Stilarten. Und natürlich sind meine Kollegen zu nennen, die in unserer Bank einen Chor gegründet haben – wir singen leidenschaftlich gerne und sind dem Musikgenuss sehr zugetan.

Tatsächlich werden wir durch die EUROPA-KULTURTAGE ein ganzes Jahr lang lebendiger Teil des äußerst facettenreichen lettischen Kulturlebens! Die Kulturtage der EZB bieten die Möglichkeit, das Wissen über unser Land zu verbreiten. Die Einführung des Euro in Lettland in nur wenigen Monaten ist ein weiterer Schritt in die gleiche Richtung, und auch Rigas Status als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2014 lässt sich in diesem Zusammenhang erwähnen.

Draghi: In Frankfurt am Main hat die bloße Existenz der Europäischen Zentralbank zweifellos zur kulturellen Vielfalt der Stadt und der Region beigetragen. Seit dem Mittelalter ist Frankfurt ein Handelsplatz für Menschen aus allen Teilen des Kontinents gewesen, womit stets Impulse für bildende Kunst, Musik, Architektur und darstellende Kunst einhergingen. Die Rhein-Main Region ist mittlerweile eine internationale Metropole. Die EZB trägt zu dieser Entwicklung bei und profitiert gleichzeitig davon.

Welche Veranstaltungen während der Kulturtage sind Ihre persönlichen Favoriten?

Draghi: Besonders freue ich mich auf das Eröffnungskonzert, und danach werde ich sehen, was mein Terminkalender erlaubt. Das Geheimnis eines erfolgreichen Programms liegt in seiner Vielfalt. Wir bieten eine ganz besondere lettische Mischung mit klassischer und zeitgenössischer Musik, Theater, Film, Literatur, Fotografie und einer Reihe von Veranstaltungen für Kinder. Rimšēvičs: Es wäre nicht fair von mir, eine oder zwei Veranstaltungen besonders hervorzuheben. Eines lässt sich jedoch mit Sicherheit sagen: Lettland kann als Kompetenzzentrum in einer bestimmten Disziplin gelten – der Chormusik. Man sagt sogar, Riga sei die Welthauptstadt der Chöre. Einigen Berichten zufolge gibt es in Lettland mehr als 400 aktive Chöre, und darin sind die unzähligen Schulchöre noch nicht eingeschlossen. Von daher stehen die Chor-Aufführungen mit Sicherheit an der Spitze des Programms. Insgesamt hoffe ich, dass wir so etwas wie einen „Wow”-Effekt bei den Menschen aus Frankfurt und der Rhein-Main-Region hervorrufen können, wenn sie die verborgenen Schätze unseres Landes entdecken.

Die Frage muss gestellt werden: Ist es nicht eine Ablenkung von der schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation, wenn Sie Kulturveranstaltungen organisieren – zu einer Zeit, in der viele Menschen unter der Krise leiden?

Rimšēvičs: Die lettische Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008-2009 ist längst vorüber – keine Volkswirtschaft in der EU ist in den letzten drei Jahren schneller gewachsen als Lettland, und nach den Prognosen der Europäischen Kommission können wir auch in den nächsten Jahren eine vergleichbare Leistung erbringen. In den Kulturtagen sehe ich eine sehr gute Möglichkeit, diesen Erfolg und das Ergebnis der Anstrengungen zu feiern, und zudem einen Beitrag dazu zu leisten, Lettland näher an die anderen Länder Europas heranrücken zu lassen, insbesondere an Deutschland. Wir hatten unseren ganz eigenen Ansatz zur Lösung der Krise – einen durchaus interessanten und innovativen Ansatz, wie manche meinen. Ich hoffe, dass unsere Kultur, wie sie in den nächsten Wochen in Frankfurt zu erleben sein wird, ebenfalls als faszinierend und interessant aufgenommen wird.

Ihre Frage enthält die Annahme, dass Kultur eine Art Luxus sei, den man sich nur leisten könne, wenn die Wirtschaft boomt. Ich halte das für eine falsche Wahrnehmung. Kultur und Interaktion zwischen Menschen sind ein notwendiger Bestandteil unseres Lebens, unabhängig von den konjunkturellen Entwicklungen in der Wirtschaft.

Draghi: Dem stimme ich voll und ganz zu. Man könnte sogar sagen, dass Literatur, Musik sowie darstellende und bildende Künste eine Inspirationsquelle sind, die uns hilft, unseren Wohlstand zu mehren. Wirtschaft und Kultur sind gegenseitig abhängig voneinander!

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