Einführende Bemerkungen
Lucas Papademos
Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) und Vorsitzender der Jury im internationalen städte- und hochbaulichen Wettbewerb für den Neubau der EZB,
Vorabbesichtigung für die Presse im Deutschen Architektur Museum
Frankfurt am Main, 20. Februar 2004.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben Sie heute in das Deutsche Architektur Museum eingeladen, um Ihnen die drei Entwürfe vorzustellen, die im internationalen städte- und hochbaulichen Wettbewerb für den Neubau der EZB prämiert wurden. Außerdem haben Sie die Möglichkeit, sich vor der offiziellen Eröffnung der Ausstellung alle Entwürfe anzusehen, die im Rahmen des Wettbewerbs eingereicht wurden und der Öffentlichkeit hier im Deutschen Architektur Museum ab morgen bis zum 14. März 2004 präsentiert werden.
In meinen einführenden Bemerkungen möchte ich zunächst die wichtigsten Schritte beschreiben, die der Auswahl der Preisträger des Architekturwettbewerbs und der heutigen Veranstaltung vorangingen. Dann werde ich die drei prämierten Entwürfe im Einzelnen vorstellen, und schließlich werde ich einen Überblick über die weitere Planung geben und einen vorläufigen Zeitrahmen für die Umsetzung des Neubauprojekts der EZB vorschlagen. Anschließend stehe ich Ihnen für Fragen zur Verfügung. Auch die drei Preisträger geben Ihnen gerne Auskunft, wenn Sie spezielle Fragen zu den Entwürfen haben.
Die Entscheidung für die Großmarkthalle
Was wir heute in dieser Ausstellung sehen, dokumentiert einen längeren Prozess, der vor einigen Jahren mit der Entscheidung der EZB für ein eigenes Gebäude anfing. 1998 begann die Suche nach einer geeigneten Lösung. Nachdem 35 Standorte in ganz Frankfurt untersucht worden waren, kam die EZB zu dem Schluss, dass das Gelände der Großmarkthalle in vielerlei Hinsicht ihren Anforderungen gerecht würde:
Es bietet ausreichend Platz zu einem angemessenen Preis (insbesondere im Vergleich zum Bankenviertel);
es ist groß genug, um in Zukunft mögliche Erweiterungsmodule zu errichten und um die Sicherheitsanforderungen der EZB zu erfüllen;
es liegt hinsichtlich der öffentlichen Infrastruktur günstig; und
es verfügt mit der Großmarkthalle über ein historisches Gebäude von besonderer Bedeutung.
Im März 2002 haben die Stadt Frankfurt und die EZB den Kaufvertrag für diese Immobilie unterzeichnet. Dies war die Grundlage für den internationalen städte- und hochbaulichen Wettbewerb, der noch im November desselben Jahres ausgelobt wurde.
Die Phasen des Wettbewerbs
Zunächst hatten sich über 300 Architekten aus 31 Ländern und vier Kontinenten um die Teilnahme beworben. 80 Bewerber – 70 "etablierte" und 10 "junge" Architekten – wurden ausgewählt und zur ersten Wettbewerbsphase zugelassen, wobei nur 71 Bewerber auch tatsächlich Entwürfe für den EZB-Neubau abgaben. Alle Wettbewerbsbeiträge mussten anonym eingereicht werden. Unter notarieller Aufsicht wurde die Identität der Teilnehmer während des gesamten Wettbewerbs streng geheim gehalten.
Im August 2003 beurteilten die zwölf Mitglieder der internationalen Jury, die sich aus Architekten und Vertretern der Stadt Frankfurt, der EZB sowie der nationalen Zentralbanken zusammensetzte und in der ich den Vorsitz führte, die eingereichten Entwürfe. Zwölf der 71 Bewerber wurden für die Teilnahme an der zweiten Wettbewerbsphase ausgewählt, in der sie zur Einreichung eines detaillierteren Entwurfs aufgefordert waren.
Am 12. und 13. Februar 2004 trat die Jury erneut zusammen und beurteilte alle zwölf Entwürfe anhand der im Auslobungstext festgelegten Kriterien:
gesamte städtebauliche Planung, Architektur und Landschaftsgestaltung;
Einhaltung der wichtigsten Anforderungen des Raum- und Funktionsprogramms einschließlich der Erweiterbarkeit, entsprechend den Bedürfnissen der EZB;
Durchführbarkeit des Energie- und Umweltkonzepts sowie Einhaltung der wichtigsten Elemente der technischen Anforderungen der EZB; und
Einhaltung der relevanten Vorschriften in den Bereichen Bauordnungs- und Bauplanungsrecht.
Bei der Beurteilung achtete die Jury insbesondere darauf, ob die Entwürfe der EZB entsprachen und ihre Werte widerspiegelten und inwieweit der Erhalt der historischen Großmarkthalle gewährleistet war.
Mit einer deutlichen Mehrheit entschied sich die Jury für den Gewinner des 1. Preises (zehn von zwölf Mitgliedern sprachen sich für diesen Entwurf aus). Anschließend brachten die Mitglieder der Jury ihre Präferenzen für den 2. und 3. Preis zum Ausdruck, die Platzierung ergab sich klar aus der Abstimmung. Aufgrund des eindeutigen Ergebnisses wurde die Entscheidung über die endgültige Platzierung der drei prämierten Entwürfe in gegenseitigem Einvernehmen aller Jury-Mitglieder getroffen.
Nun möchte ich Ihnen kurz die drei erstplatzierten Entwürfe vorstellen. Ich freue mich sehr darüber, dass die Preisträger heute hier anwesend sind und sich bereit erklärt haben, im Anschluss an meine Bemerkungen detailliertere Fragen zu den Entwürfen zu beantworten.
Die drei prämierten Entwürfe
Der erste Preis ging an Coop Himmelb(l)au. Diesen Entwurf bewertete die Jury als eindrucksvoll, er spiegelt Werte der EZB wie Transparenz, Kommunikation, Effizienz und Stabilität wider. Es handelt sich um ein ebenso ansprechendes wie anspruchsvolles Konzept, das aussagekräftig ist und in der Frankfurter Skyline eine starke und eigene Identität haben wird. Bei dem Hochhauskomplex handelt es sich um eine skulpturale Hybridform aus zwei Türmen, die durch ein Atrium miteinander verbunden sind. Für uns symbolisiert dieses Mehrzweckatrium die Werte Transparenz und Kommunikation. Wir meinen auch, dass sich dieses Projekt gut in das städtebauliche Konzept der Stadt Frankfurt für das Gebiet am Main einfügt. Die Großmarkthalle selbst wird erhalten: sowohl der Blick auf dieses historische Gebäude wie auch die innenräumliche Qualität werden gewahrt. Die gesamte Funktionalität des Entwurfs – einschließlich der Qualität der Arbeitsplätze und der Erfüllung der technischen Anforderungen – wurde gewürdigt. Insgesamt kamen die Mitglieder der Jury zu dem Schluss, dass dieses Konzept den Ansprüchen an den künftigen Sitz der EZB in höchstem Maße entspricht
Auf den zweiten Platz kamen ASP Schweger Assoziierte. Dieser Entwurf ist ausdrucksstark. Er vereint drei Gebäude in einer Komposition, die ihre einzelnen Bestandteile in einer klaren und einfachen strukturellen Einheit zusammenführt. Das Gebäude stellt einen neuen urbanen Hochhaustyp dar, durch den die EZB ein einzigartiges und individuelles Äußeres erhält. Mitarbeiter und Besucher wären von der EZB eingenommen und inspiriert. Die Architekten schlagen vor, das Betondach der Großmarkthalle durch eine Glaskonstruktion zu ersetzen. Diese Veränderung ist machbar und verleiht der Großmarkthalle eine neue ästhetische Qualität. Der Kontrast zwischen der Großmarkthalle und den neuen Gebäuden ist ausgeprägt. Insgesamt war die Jury der Auffassung, dass dieser Entwurf sehr eigenständig ist.
Den dritten Preis erhielten 54f architekten gemeinsam mit T.R. Hamzah & Yeang. Durch den Gegensatz zwischen der Nord-Süd-Achse der Turmgebäude und der Horizontalität der niedrigeren Gebäude schafft dieser Entwurf einen deutlichen Kontrast zur Ost-West-Ausrichtung der Großmarkthalle. Die freistehende Lage des historischen Gebäudes berücksichtigt die örtliche städtebauliche Umgebung. Der Hochhauskomplex dieses Entwurfs fügt sich gut in die Frankfurter Skyline ein; aufgrund ihrer Ausrichtung sind die Gebäude zum Main hin offen und vom Stadtzentrum aus sichtbar. Während sich die besten Arbeitsplätze sonst in den südlichen Abschnitten befinden, sind hier die über mehrere Etagen angelegten Innengärten offen zugänglich. Die Jury fand die Idee, das Klimakonzept mit der Anordnung von Aufenthaltsbereichen zu kombinieren, sehr überzeugend. Insgesamt bewertete sie diesen Entwurf als effizient und empfehlenswert.
Die weiteren Schritte
In der nun folgenden Überarbeitungsphase wird der EZB-Rat einen oder mehrere Preisträger zur Überarbeitung der eingereichten Entwürfe auffordern. Der endgültige Entwurf wird in Zusammenarbeit mit der Stadt Frankfurt ausgewählt. Nach Abschluss der Überarbeitungsphase wird der EZB-Rat einen der drei ausgezeichneten Architekten mit der Planung des Neubaus beauftragen.
Ist diese Entscheidung getroffen, wird die EZB gemeinsam mit der Stadt Frankfurt die nächsten Schritte in Angriff nehmen. Dazu gehört unter anderem die Erarbeitung eines Stadtentwicklungsplans, der die Umsetzung der Entwürfe ermöglichen soll. Parallel hierzu wird mit der detaillierten Planung des Projekts begonnen.
Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass es zu diesem frühen Zeitpunkt sehr schwierig ist, genaue Angaben zum zeitlichen Rahmen für die nächsten Schritte zu machen. Geplant ist, dass die gegenwärtigen Nutzer der Großmarkthalle, die Großhändler, im Sommer dieses Jahres einen neuen Standort in Kalbach beziehen. Danach wird die Stadt Frankfurt das Gelände "aufräumen", so werden zum Beispiel angrenzende technische Anlagen, die nicht Teil der historischen Großmarkthalle sind, abgerissen. Wir gehen davon aus, dass die Stadt der EZB das Gelände wie vereinbart im Januar 2005 überlassen kann. Nach Abschluss der Planungsphase und Erhalt der entsprechenden behördlichen Genehmigungen hoffen wir, im Laufe des Jahres 2006 mit den Bauarbeiten beginnen und etwa 2008/2009 unser neues "Zuhause" beziehen zu können.
Sehr geehrte Damen und Herren,
abschließend möchte ich festhalten, dass der EZB-Rat sehr zufrieden ist und die Ergebnisse des internationalen Architekturwettbewerbs seine Erwartungen erfüllt haben. Unser neues "Zuhause" wird funktional und ästhetisch ansprechend sein und gleichzeitig die wichtigsten Werte unserer Institution widerspiegeln. Ich denke, dass wir alle - die EZB, die Stadt Frankfurt und der Berufsstand der Architekten – auf das neue EZB-Gebäude stolz sein können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich freue mich sehr, den drei Preisträgern nun die Preise überreichen zu dürfen:
1. Preis: Coop Himmelb(l)au, vertreten durch Prof. Wolf Prix
2. Preis: ASP Schweger Assoziierte, vertreten durch Prof. Peter Schweger
3. Preis: 54f architekten gemeinsam mit T.R. Hamzah & Yeang, vertreten durch Prof. Johann Eisele
Ich stehe Ihnen jetzt für Fragen zur Verfügung.
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