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Interview mit den ARD Tagesthemen

Interview mit Mario Draghi, Präsident der EZB,
geführt von Thomas Roth and ausgestrahlt am 28. September 2016

Herr Draghi, als Sie heute bei den Bundestagsabgeordneten waren, haben Sie sich da wie auf der Anklagebank gefühlt?

Draghi: Nein, nein, ganz und gar nicht. Erst einmal war ich sehr dankbar für diese Möglichkeit, Ansichten auszutauschen mit Menschen, die in sehr engem Kontakt stehen mit dem Volk, mit den Menschen auf der Straße. Und außerdem hat mich dieser Austausch auch erfreut.

Haben Sie denn das Gefühl, dass sie die Abgeordneten auch ein Stück überzeugen konnten, dass Ihr Kurs der richtige ist?

Draghi: Natürlich kann ich jetzt nicht behaupten, dass ich Sie überzeugt hätte, aber mein Eindruck war doch, dass die meisten der Fragen, die gestellt wurden, im Allgemeinen darauf abzielten, zu verstehen, wie unsere Politik wirken soll, ob sie wirksam ist, welche Konsequenz sie hat und die hauptsächliche Kritik, die war eigentlich relativ wenig gestreut. Es war größtenteils Unterstützung, die ich erfahren habe für die Politik, die wir im Moment unternehmen.

Herr Draghi, was sagen Sie denn dem normalen deutschen Sparer, der inzwischen praktisch keine Zinsen mehr auf sein Sparkonto mehr bekommt und sich enteignet fühlt. Was sagen Sie dem?

Draghi: Lassen Sie mich zunächst einmal betonen, dass sowohl meine Kollegen im EZB-Rat, als auch ich selbst diese Bedenken sehr ernst nehmen. Da gibt es eigentlich nur eine aufrichtige Antwort mit verschiedenen Nuancen natürlich, aber die aufrichtige Antwort ist, dass wir zurückkehren müssen zu einem starken Wachstum. Wir brauchen mehr Wachstum. Durch mehr Wachstum wird sich auch die Arbeitslosenquote in ganz Europa reduzieren. Jetzt spreche ich natürlich für den gesamten Euroraum, nicht nur für Deutschland, wo die Situation ja schon eindeutig besser aussieht als in der Eurozone. Und wenn sich das einstellt, werden wir dann auch höhere nominelle Löhne haben und letzten Endes auch eine Inflationsrate in dem Bereich, den wir anstreben, nämlich bei etwa 2 % oder knapp darunter. Und dann werden auch die Zinsen wieder steigen und die Renditen auch bei den Ersparnissen. Natürlich kann man durchaus sagen, dass wenn wir uns die Haushalte insgesamt anschauen, dass dann deren Einsparungen, die sie erzielen – das gilt also für die Haushalte zum Beispiel, die eine Hypothek aufgenommen haben –, sie erzielen ja dort Einsparungen und diese Einsparungen, die sind höher als das, was diese Haushalte verlieren durch geringere Zinsen auf ihre Einlagen. Aber hier sprechen wir über die Haushalte insgesamt und dabei haben wir natürlich anderseits auch Sparer, die nur ein Sparkonto oder ein Girokonto haben und in deren Fall natürlich bedeutet das auch ein niedriges Einkommen.

Herr Draghi, die Banken müssen ja bei der EZB schon Strafzinsen bezahlen, wenn Sie ihr Geld bei Ihnen parken. Dabei geht’s vielen Banken sowieso nicht besonders gut. Die Deutsche Bank hat Ihnen vorgeworfen, die Probleme Europas sogar zu verschärfen. Steuern wir auf eine neue Bankenkrise zu?

Draghi: Zu einzelnen Instituten möchte ich mich nicht äußern. Darüber hinaus möchte ich anmerken, dass die Geschäftsmodelle der Banken in der Lage sein sollten, auch Zeiten niedriger Zinssätze durchaus auszuhalten. Wir haben verschiedenen Kategorien von Banken. Da gibt es Banken, die schwächer sind und es gibt Banken, denen es relativ gut geht. Die Sparkassen und auch die Genossenschaftsbanken beispielsweise haben eine Rendite, die eindeutig über dem Durchschnitt liegt, sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone. Und wir sollten dabei nie vergessen, dass die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um die Zinssätze nach unten zu bringen, Maßnahmen sind, die bereits jetzt den Zielen dienen, denen wir uns verschrieben haben, nämlich höheres Wachstum und höhere Inflation. Letzen Endes wird sich dies also vorteilhaft auch erweisen für die Banken selbst. Und wenn wir uns die Banken in der gesamten Eurozone anschauen, dann sehen wir das deren Gewinne im vergangen Jahr nach oben gegangen sind und das war das erste Jahr mit komplett negativen Zinssätzen. Und auch die Rendite aus dem Nettozinsüberschuss ist gestiegen und das zeigt, dass die Kategorie, dass die Banken insgesamt durchaus gut dastehen, aber wie gesagt, innerhalb dieser Kategorie gibt es schwächere Banken und auch stärkere. Vor diesem Hintergrund möchte ich sagen, dass natürlich die negativen Zinssätze nicht für immer so niedrig bleiben dürfen. Es ist also nicht eine Frage „ja“ oder „nein“. Es ist eher die Frage, in welchem Umfang und wie lange sind die Zinsen so niedrig.

Herr Draghi, der deutsche Bundesfinanzminister Schäuble sieht in der Niedrigzinspolitik eine der Ursachen dafür, dass die Rechtspopulisten in Europa Aufwind spüren. Wenn das so ist, ist das nicht ein sehr hoher Preis zu bezahlen?

Draghi: Ich möchte nun politische Aussagen nicht unbedingt selbst beurteilen. Es gibt ähnliche Aussagen, die auch in Südeuropa gemacht werden, wo gesagt wird, dass die Sparpolitik der Grund ist für den Aufwind von Rechtspopulisten in Spanien, Italien und in anderen Ländern und das kann man wirklich nicht eindeutig beurteilen. Wir haben natürlich alle unterschiedliche Aufgaben und die Aufgabe der Zentralbanken besteht darin, das Richtige zu tun, um ihr jeweiliges Ziel zu erreichen. Das Ziel der Politiker hingegen liegt darin, mit Wahrnehmungen umzugehen und die Maßnahmen der Zentralbanken zu erläutern.

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Europäische Zentralbank

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