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Interview mit dem Deutschlandfunk

7. September 2014

Sabine Lautenschläger, Mitglied des Exekutivdirektoriums der EZB,
gab dem Deutschlandfunk am 4. September folgendes Interview, das am 7. September ausgestrahlt wurde.

Frau Lautenschläger, Sie sind Mitglied im sechsköpfigen Direktorium der Europäischen Zentralbank, so eine Art Vorstand der EZB. In wenigen Wochen beginnt für Ihr Haus fast eine neue Zeitrechnung. Sie übernehmen die Aufsicht über die wichtigsten europäischen Banken. Das ist eine Bilanzsumme von mehr als 21 Billionen Euro. Frage also: Sind Sie fit für die Aufgabe? Sind Sie bereit zum abheben?

Wir sind startklar oder wir werden startklar sein im November. Wir haben wirklich eine ganz erstaunliche Anzahl an sehr hochqualifizierten Mitarbeitern eingestellt. 28 Nationen sind bisher hier vertreten.

Wie viele Leute werden denn dort arbeiten in der neuen Aufsicht?

Wir werden 800 Aufseher haben und dann noch mal 250 Mitarbeiter, die letztendlich, im Englischen sagt man, den Support darstellen. Also Kollegen, die juristische Arbeit machen, Kollegen die mit IT oder mit Einstellungen/Personaleinstellungen beschäftigt sind. Und das sind also 1050 zusammen.

Und wie leicht war es denn, die Stellen zu besetzen? Hatten Sie viele Bewerbungen?

Knapp 20.000, habe ich letzte Woche gehört. Also da bin ich sehr stolz drauf. Wir scheinen sehr attraktiv zu sein – kann ich nachvollziehen. Es ist eine tolle Arbeit. Und es haben sich nicht nur Bankenaufseher aus ganz vielen Ländern gemeldet, sondern auch Mitarbeiter aus Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Unternehmensberater und auch sehr viele Banker.

Wie muss man sich das praktisch jetzt vorstellen? Wie werden die Banken dann kontrolliert? Sind das dann Teams, die so eine Bank untersuchen, aus verschiedenen Nationen oder wie machen Sie das?

Es kommt ein bisschen darauf an, was es für eine Bank ist. Also es ist zweigeteilt. Wir werden 120 Institute im Euroraum direkt beaufsichtigen, da gibt es diese gemischten Aufseherteams. Das stellt dann insgesamt 80 Prozent der aggregierten Bilanzsumme der Banken im Euroraum dar. Also das ist schon eine ganze Menge. Und dann gibt es noch die indirekte Aufsicht. Das sind ungefähr 3.500 Institute, die die restlichen 20 Prozent der aggregierten Bilanzsumme der Banken im Euroraum darstellen. Und dort werden wir die Aufsichtsstandards setzen, damit es eine einheitliche Aufsicht gibt. Aber die Aufsicht selbst, die Entscheidungen et cetera, die werden die nationalen Aufsichtsbehörden treffen.

Der Finanzplatz Frankfurt ist ja eigentlich so ein bisschen eine Männerdomäne. Also hier, wenn man aus dem Fenster schaut, in den Türmen – Deutsche Bank, Commerzbank – haben Männer das Sagen. Aber bei der Bankenaufsicht sind es ja erstaunlich viele Frauen. Also Danièle Nouy, die neue Bankenchefaufseherin, Elke König, Präsidentin der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und natürlich Sie selbst. Können Frauen besser auf Banken aufpassen?

Ja, also ich würde mal sagen, es ist halt ein tougher Job und dafür sind wir geeignet.

Wäre Frauen denn die Finanzkrise nicht passiert?

Da tue ich mich schwer. Ich denke ungern in solchen Kasten/Schubkasten. Es gibt risikobereite Männer und es gibt risikobereite Frauen und es gibt halt auch durchaus risikoärmere Geschäftstätigkeiten, die Frauen wie auch Männer verfolgen. Also bitte nicht so in Schubladen denken.

Wobei, Sie haben mal gesagt, Sie können sich vorstellen, dass es mit dem Beginn der neuen Bankenaufsicht auch eine neue europäische Aufsichtskultur geben könnte.

Ja.

Was verstehen wir da drunter?

Also das will ich doch hoffen. Also das erwarte ich. Und daran arbeiten wir seit Monaten.

Und was ist da neu an dieser Kultur?

Na ja, diese Aufsichtskultur soll letztendlich die Erfahrung, die Erkenntnisse, das Wissen aus 19 verschiedenen Aufsichtsbehörden mit einbringen – eigentlich sind es sogar 28, wenn Sie sich überlegen, dass wir 28 Nationen derzeit vertreten haben unter den Mitarbeitern. Sie soll letztendlich die Erfahrungen aus der Krise mit verarbeiten. Sie soll dafür sorgen, dass wir über ein Zusammenwachsen dieser verschiedenen Traditionen aus den „best practices“, die wir aus diesen verschiedenen Aufsichtskulturen bilden werden, wir eine bessere Aufsicht machen. Und diese Aufsichtskultur soll ganz sicherlich durchsetzungsfähig sein. Sie soll mit den Instituten im direkten Kontakt ganz klar eng an der Bank sein, die Bank herausfordern – hier sagt man challengen – in ihren Bewertungen und soll frühzeitig Risiken entdecken und dann auch handeln. Also nicht nur Informationen sammeln und bewerten, sondern hinterher auch was tun.

Wie gut sind denn die europäischen Großbanken auf diese Aufsicht vorbereitet? Also man hört: Deutsche Bank hat sich viel Kapital schon besorgt und so weiter. Was würden Sie sagen, sind die gut vorbereitet?

Na, das Kapital hat ja eher was damit zu tun, ob man auf den Gesundheitscheck vorbereitet ist. Da würde ich sagen, da haben einige ihre Hausaufgaben gemacht. Seit Juli 2013 sind gut 140 Milliarden an zusätzlichem Kapital oder Abbau von Geschäften et cetera hinzugekommen. Also das ist schon eine ganze Hausnummer. Aber Aufsicht ist ja nicht nur dieser Gesundheitscheck, sondern es geht ja darum: Ich muss mich als Bank auf einen neuen Aufseher einstellen. Was hat der denn für eine Aufsichtskultur? Wie tough ist er denn? Wie ernst nimmt er bestimmte Dinge? Wie schnell will er tatsächlich Beseitigung von Mängeln sehen et cetera? Und da bereiten sich die Banken drauf vor. Und es geht zum Schluss auch darum: 'Ich muss jetzt alles in Englisch machen und nicht in Deutsch.'

Wenn wir schon beim Gesundheitscheck sind – der läuft ja dieses Mal etwas anders ab als frühere. Sie machen zuerst eine Prüfung der Bilanzen der Banken. Warum?

Na ja, die Stresstests, die wir bisher gesehen haben, die haben aufgesetzt auf den Bewertungen, die die Bank selber vorgenommen hat für ihre Geschäftstätigkeiten, also für die einzelnen Verträge, für die einzelnen Geschäfte. Ob diese Bewertungen nicht ab und zu etwas zu positiv waren, man also letztendlich vom Startpunkt her zu positiv angefangen hat, auf den man den Stress dann aufgesetzt hat, also mehr oder minder angenommen hat, das sich eine Wirtschaftskrise entwickelt und wie sich dann der Wert dieser Geschäfte entwickelt, da würde ich doch ein Fragezeichen dahinter machen. Und deswegen haben wir dieses Mal uns die wesentlichsten, die riskantesten Geschäfte in den Banken angeschaut und haben uns einen Eindruck über die Bewertungsstandards verschafft und auch einzelne Geschäfte selber bewertet um zusehen: Wo müssen wir vielleicht die Bewertung von einzelnen Geschäften herunter setzen und von diesem heruntergesetzten Wert dann einen Stress drauf setzen.

Werden denn Banken durchfallen?

Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Wir sind gerade mitten in der Qualitätssicherung. Und so leid es mir tut – ich mag den Deutschlandfunk natürlich sehr gern –, aber da gibt es kein Insiderwissen für Sie.

Aber es gibt ja eine Studie, die sagt: Von den 130 Banken, so neun, zehn, die würden es wahrscheinlich nicht schaffen?

Na ja, die Studien, die haben natürlich nicht unsere Erkenntnisse. Und ich werde sie auch nicht weitergeben.

Ganz generell gesprochen, ohne einzelne Banken oder Zahlen zu nennen, aber wie gut sind denn die deutschen Banken?

Auch das werde ich nicht sagen. Sie können gerne noch fünfmal fragen. Wir werden die Ergebnisse in der zweiten Hälfte des Oktobers diesen Jahres bekanntgeben, und dann werden wir sehen, was mit den deutschen Banken und auch mit den anderen Banken so los ist.

Also angenommen, die Ergebnisse wären veröffentlich, es sind doch ein paar Banken dabei, die durchgefallen sind, was machen die denn dann? In Windeseile Kapital besorgen?

Also wenn Banken tatsächlich im Bilanzcheck oder im Stresstest ein Kapitalbedarf sehen, das heißt, dass sie letztendlich unsere Benchmark von 5,5 Prozent im Stresstest und zwar im adversen Stresstest und von 8 Prozent …

… „Adversen Stresstest“ müssen Sie dann erklären, wenn wir den Begriff verwenden.

Oh, das tut mir Leid. Advers, das heißt: Mit einem ganz besonderen, einem sehr strengen Szenario einer wirtschaftlichen Flaute. Also wenn sie diese 5,5 Prozent Kapitalquote und zwar Kernkapitalquote nicht mehr erfüllen oder die 8 Prozent Kernkapitalquote nicht mehr erfüllen in dem nicht ganz so strengen Stressszenario oder im Bilanzcheck, dann haben die Institute zwei Wochen Zeit, uns einen Kapitalplan vorzulegen. Dieser Kapitelplan muss uns dann ganz plausibel erläutern, wie sie denn in den nächsten sechs beziehungsweise neun Monaten diese Lücke im Kapital füllen wollen. Das heißt, jede Bank hat dann noch mal sechs beziehungsweise neun Monate Zeit, den Kapitalbedarf zu decken.

Können wir denn als Steuerzahler, als Anleger dann sicher sein, wenn Sie dann die Aufsicht übernehmen, dass es nicht mehr zu Bankencrashs kommt, zu solchen Dingen, wie bei Espìrito Santo – das ist ja die portugiesische Bank, die jetzt im Sommer in Schwierigkeiten kam? Können wir uns sicher sein, es kommt zu keinen Bankencrashs mehr?

Zu einzelnen Banken werde ich natürlich nichts sagen. Und ich bin auch der Meinung, dass es selbstverständlich sein muss, dass man eine Bank auch abwickeln kann. Stellen Sie sich vor, wir haben 4.000 Banken im Euroraum und es dürfte nicht eine irgendwie wirtschaftlich den Bach heruntergehen, um es mal so deutlich zu sagen.

Aber Frau Lautenschläger, steckt da nicht ein Systemfehler drin? Wir haben ja das Abwicklungsregime noch gar nicht. Das ist zwar auf den Weg gebracht, aber es existiert noch nicht. Wenn jetzt eine Bank in den nächsten Monaten abgewickelt werden müsste, existiert der Rahmen doch noch gar nicht?

Also in Deutschland existiert ein Rahmen mit dem deutschen Restrukturierungsgesetz.

Aber in Deutschland werden ja alle Banken den Test schaffen?

Ich habe nichts dazu gesagt, welche Bank aus welchem Land womöglich den Test nicht schafft! Und Sie werden mich auch nicht dazu kriegen!

Okay.

Nein, wir haben in Deutschland ein Restrukturierungsgesetz. Es gibt in vielen anderen Ländern auch Restrukturierungsgesetze. In manchen Ländern nicht, dann gilt das jeweilige nationale Insolvenzrecht. Also man kann schon eine Bank abwickeln. Unser Ehrgeiz ist es jedoch, dass man eine Bank auch ordentlich abwickelt, also ohne Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Und darum geht es natürlich in dem europäischen Restrukturierungsgesetz, dass Sie, glaube ich, eben angesprochen haben. Das wird es tatsächlich erst 2016 geben. Nichts desto Trotz. Für mich ist es ganz wichtig verständlich zu machen: Einzelne Banken müssen auch aus dem Markt austreten können, sonst hätten wir keinen anständigen Markt. Denn dann würden wir nie Banken ohne ein gesundes Geschäftsmodell letztendlich aus dem Markt entlassen. Sie hatten mich aber gefragt, ob wir denn sicherer sind in der Gesamtheit, das möchte ich natürlich gerne beantworten. Ich denke, wir werden eine bessere Aufsicht darstellen. Das heißt, wir werden natürlich unseren Beitrag leisten, um Finanzstabilität zu sichern. Das bedeutet aber eben nicht, dass nicht die eine oder andere Bank aus dem Markt austritt.

Generell gesagt: Sind die Banken eigentlich demütiger geworden? Also, sie (die Banken) haben ja im Moment ziemlich viel mit Stresstest, Strafen, Regulierung zu tun, Sie haben ihr ganzes Berufsleben mit Banken zu tun gehabt – hat sich da etwas verändert?

Also ich würde das jetzt nicht mit Demut gleichsetzen, aber ich würde vielleicht das Wort Vorsicht nennen oder größeres Bewusstsein dafür, was auch gesellschaftlich letztendlich an Unverständnis gezeigt wird. Ganz klar auch ein größeres Bewusstsein dafür, dass die Regeln sehr, sehr viel enger geworden sind und dass Staaten, wie Regulierer, wie Aufseher letztendlich sehr viel kritischer geworden sind und sich insgesamt das Rahmenwerk als zu locker, als zu weich herausgestellt hat und dass wir jetzt alle die Zügel anziehen – und zurecht.

Gibt es nicht die Gefahr – die EZB ist ja jetzt Aufseherin und auch gleichzeitig Notenbank –, dass sich das irgendwie doch vermischt?

Auf der einen Seite sollte man Synergien heben. Es tut gut, als Aufseher auch Erkenntnisse zu haben, die eine Notenbank zum Beispiel über ein ökonomisches Umfeld hat, über die Märkte hat, über Infrastrukturen, wie Zahlungsverkehr. Also in dem Bereich kann man Synergien heben, indem man halt Informationen austauscht. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass sie, wenn sie Geldpolitik betreiben, sie den Transmissionskanal Banken immer im Blick haben, und dann kann man natürlich Interessenskonflikte annehmen. Sagen wir mal, sie vergeben sogenannten Emergency Liquidity Assistance, also sie vergeben Notfallliquidität an Banken und gleichzeitig sind sie als Bankenaufseher halt in der Frage: Ist diese Bank überhaupt noch solvent? Das wäre so ein Fall beispielsweise. Da haben wir hier für diesen Fall sehr, sehr klar Regeln. Die sind uns einmal von dem europäischen Gesetzgeber vorgegeben worden, die setzen wir uns aber auch selbst. Es geht nämlich darum, dass letztendlich die Entscheidungswege bis zum Governing Council, bis zum EZB-Rat völlig getrennt gehalten werden. Das heißt, die Zentralbankseite weiß – mit Ausnahme des EZB-Rates – nicht, was in der Bankenaufsicht entschieden und vorbereitet wird und die Bankenaufsichtsseite weiß nicht, was auf der Zentralbankseite vorbereitet wird.

Deshalb sitzen die in zwei Türmen so weit voneinander weg. Einer in dem neuen Turm in Frankfurt – die EZB – und die Aufsicht sitzt in dem alten Turm.

Genau. Ja, sie sitzen – genau – in zwei verschiedenen Gebäuden. Es gibt aber auch ganz klare Entscheidungswege, die voneinander getrennt sind. Auf der Zentralbankseite bereitet der sogenannte Executive Board, der Vorstand, die Entscheidungen vor. Auf der Aufsichtsseite bereitet das Aufsichtsgremium, das zusammengesetzt ist aus den Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden und Vertretern der EZB, die eben nicht in der Zentralbankseite zu finden sind – mit einer Ausnahme –, diese Entscheidungen vor. Und damit aber durchaus die eine Seite weiß, was die andere Seite weiß, gibt es einen Menschen, der die Brücke darstellt zwischen beiden Dingen und mit dem reden Sie gerade.

Und darüber freuen wir uns sehr, denn Sie sind bei uns hier im Interview der Woche im Deutschlandfunk. Sabine Lautenschläger, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank. Und die eine Seite, die ist ja diese Woche ganz aktiv geworden und hat – doch für viele überraschend – eine Zinssenkung auf den Weg gebracht. Der Leitzins liegt jetzt nur noch bei 0,05 Prozent. Das hat viele überrascht. Was bringt das denn, ein so niedriger Zins?

Nun ja, zunächst einmal sind die niedrigen Zinsen gerechtfertigt. Ich weiß, dass das sehr, sehr viele Ihrer Zuhörer vielleicht nicht immer ganz nachvollziehen können. Tatsächlich ist es aber so, dass das Wirtschaftswachstum, das wir in der Eurozone in der Gesamtheit sehen, einfach zu moderat ist, um nicht doch über niedrige Zinsen letztendlich einen Wachstumsschub generieren zu wollen. Darüber hinaus – das wissen Sie auch – haben wir sehr niedrige Inflationsraten. Und deswegen sind diese niedrigen Zinsen auch gerechtfertigt. Dieser Zinsschritt, den Sie gerade angesprochen haben, der sorgt letztendlich dafür, dass wir jetzt am ganz unteren Rand angekommen sind. Das ist also im Hinblick auf den Zinsschritt jetzt die untere Grenze. Und das war damit auch bezweckt.

Aber andere mögen vielleicht sagen: 'So, jetzt sind die am unteren Ende, jetzt können die gar nichts mehr machen.' Ist das nicht ein Eingeständnis, dass man sozusagen jetzt nichts mehr machen kann? Ist das nicht auch ein Eingeständnis der Hilflosigkeit der EZB?

Das wäre es, wenn es nicht neben den Zinsschritten auch noch andere Maßnahmen gäbe, mit denen man letztendlich Inflationsrate wie auch Wirtschaftswachstum beeinflussen kann.

Zu den anderen Maßnahmen kommen wir gleich. Um nochmal ganz kurz bei den niedrigen Zinsen zu bleiben, weil das viele unserer Hörerinnen und Hörer wirklich interessiert, die auf ihr Sparguthaben gucken, auf ihre Lebensversicherungen und die sagen: 'Was macht die EZB? Macht die eigentlich eine Geldpolitik gegen mich als Sparer?' Was sagen Sie denen?

Da sage ich: Sie macht keine Geldpolitik gegen Ihre Zuhörer als Sparer. Ich habe ganz großes Verständnis dafür, dass die Sparer sich Sorgen machen. Ich bin im Übrigen auch eine Sparerin. Aber ich glaube, wir dürfen nicht ganz so kurzfristig denken, sondern eher mittel- und langfristig. Und da muss man einfach sehen: Man kann nicht sparen, wenn man keinen Arbeitsplatz hat. Und wenn das wirtschaftliche Umfeld letztendlich so schwach ist, dass Wirtschaftswachstum nicht generiert werden kann, dann muss man sich als EZB darüber Gedanken machen: Wie kann ich dafür sorgen, dass Wirtschaftswachstum generiert wird, dass Inflation steigt – wie gesagt, sehr niedrige Inflationsrate von 0,3 Prozent? Wie kann ich dafür sorgen, dass Arbeitsplätze sicher sind und erhalten bleiben oder auch neu geschaffen werden? Und jetzt eben nicht nur für Deutschland, sondern für den Euroraum in der Gesamtheit. Wir machen also nicht Geldpolitik allein für Deutschland – das ist ganz wichtig! Und mit diesem Zinssenkungsschritt, der ja eine Maßnahme aus einem Paket von Maßnahmen ist – ganz, ganz wichtig auch! –, wird letztendlich nochmal ein kleiner Input gegeben und wird die untere Grenze erreicht. Nochmal, die niedrigen Zinsen sind leider jetzt zur Zeit gerechtfertigt. Ich bin der Überzeugung, dass sie natürlich auch Risiken mit sich bringen und deswegen bin ich auch der Überzeugung, dass, sollte sich die Verhältnisse bessern, dann sollten wir natürlich auch wieder die Zinsen steigen lassen.

Also können Sie ein bisschen Hoffnung machen, dass wenn Menschen auf Ihre Sparbücher schauen, auf Ihre Altersvorsorge, dass das nicht so bleiben wird, dass Sie auch wieder aktiv werden und Zinserhöhungen vornehmen?

Na ja, es wir so lange so bleiben, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ändern werden. Wir habe eine zu niedrige Inflation über einen zu langen Zeitraum in der Projektion. Und darauf müssen wir reagieren, weil unser Mandat Preisstabilität ist und Preisstabilität bedeutet: Nach oben wie nach unten. Das heißt, haben wir zu niedrige Inflation, mit all den Gefahren, die ich Ihnen schon dargelegt habe, dann müssen wir auch darauf reagieren.

Drohen wegen des billigen Geldes Blasen, zum Beispiel an den Immobilienmärkten?

Also das wird oft erwähnt als eine der Risiken. Und: Ja, es gibt solche Nebeneffekte. Wenn wir über mögliche Blasen im deutschen Immobiliensektor reden, dann kann ich Ihnen sagen, bisher können wir das nicht erkennen, auch die Bundesbank sieht das nicht. Wir können hier und dort Überhitzungen an bestimmten Lokationen, in bestimmten Städten in Deutschland erkennen. Aber eine Blase entsteht eben nicht nur dadurch, dass Preise sich erhöhen, sondern auch, dass das Kreditwachstum, das letztendlich die Finanzierung von solchen Blasen, von solchen Überhitzungen mit ansteigt. Und das kann man eben nicht erkennen. Das Kreditwachstum in Deutschland im Immobiliensektor war zumindest bis, ich würde sagen, Mitte des Jahres – die ganz neuen Zahlen habe ich jetzt noch nicht – nicht außergewöhnlich, sondern eher im unteren Bereich.

Dann gehen wir von Deutschland wieder weg ins große Europa, und da ist das Kreditwachstum bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen, besonders in Südeuropa, nicht zufriedenstellend. Deshalb hat die Europäische Zentralbank jetzt beschlossen, sogenannte Kreditverbriefungen anzukaufen. Damit können Banken ihre Portfolios, also das, was sie ausgegeben haben, aus ihren Bilanzen bereinigen und wieder neue Kredite vergeben. So ist, glaube ich, die Grundidee dieser Maßnahme. Hat das denn Aussicht auf Erfolg? Viele sagen: Es gibt gar keinen richtigen Markt für diese Kreditverbriefungen, die jetzt angekauft werden sollen, der Markt ist nicht groß genug?

Nun, also zum Einen gibt es einen Markt. Es gibt einen Markt für die sogenannten besten Tranchen, aber auch für die mittel gerateten Tranchen – ich weiß leider gar nicht, wie man es wirklich in Deutsch sagt. Das sind englische Worte, die man einfach benutzt – es tut mir sehr Leid, da bitte ich um Verständnis. Es gibt einen Markt. Aber es geht nicht nur darum zu zeigen, man will etwas, was bereits existiert, aufkaufen, sondern es geht darum ein Signal in den Markt zu senden: Wir werden über einen bestimmten Zeitraum bestimmte Papiere aufkaufen, und deswegen macht es Sinn, sie zu generieren, also sie herzustellen. Also man darf nicht nur auf den Markt schauen, der bereits da ist, sondern auch auf das, was man als Signal für zukünftige Geschäftsaktivitäten herausgibt.

Diese Kreditverbriefungen waren ja in Amerika der Brandsatz für die Immobilienkrise, deshalb haben sie so ein bisschen einen Makel an sich. Wie kommen wir denn da raus?

Also ich glaube, worauf wir sehr achten müssen ist, dass wir nicht jede Verbriefung mit jeder Verbriefung über einen Kamm scheren. Es gibt Verbriefungen, die letztendlich nichts anderes sind, als dass sie eine große Gruppe an sehr transparenten Krediten, die sie gut bewerten können, die sehr einfach strukturiert sind, die sie standardisiert haben, in einer Gruppe zusammenlegen und diese dann verbriefen. Die empfinde ich als nicht so gefährlich. Die empfinde ich eigentlich als gar nicht gefährlich, wenn sie denn dann simpel sind in der Struktur, transparent in der Struktur sind und einer Bewertung im Einzelfall – und zwar für jeden einzelnen Kredit – zugänglich sind. Das, was in den USA so hochgepoppt ist und letztendlich zu dieser Vergiftung geführt hat, das waren sehr, sehr komplexe Strukturen. Also da sind Verbriefungen auf Verbriefungen gemacht worden, sogenannte CDO-Squared.

Ein englisches Wort, das wir jetzt mal so stehen lassen.

Ein englisches Wort – deswegen habe ich ja „Verbriefungen auf Verbriefungen“ gesagt. Also diese Verbriefungen, die waren nicht mehr transparent. Da wussten die Institute, da wussten die Investoren gar nicht mehr, was haben sie eigentlich an Einzelkreditwert gekauft. Sondern sie haben letztendlich in der Diversifikation einfach angenommen, dass das Risiko sich in Grenzen hält. Und darüberhinausgehend – und jetzt kommt der wesentlich Faktor mit dem amerikanischen Hypothekenrecht – hat keiner mehr oder minder darauf geachtet, dass das, was wir beispielsweise in Deutschland an Sicherheitsstandards haben, bevor man einen derartigen Hypothekenkredit vergeben darf, in den USA mitnichten vorhanden war – das wurde auch nicht beaufsichtigt, Hypothekargeschäfte.

Wird denn die EZB noch einen Schritt weiter gehen – das sind jetzt Kreditverbriefungen –, wird sie irgendwann auch Staatsanleihen in großem Umfang aufkaufen, ein riesiges Anleihekaufprogramm starten?

Also jetzt haben wir ein Paket von Maßnahmen entschieden, nämlich dass wir ABS kaufen werden, dass wir Covered Bonds …

ABS sind diese Kreditverbriefungen.

Entschuldigung ... Kreditverbriefungen kaufen werden, dass wir Pfandbriefe kaufen werden, dass wir noch mal die Zinsen gesenkt haben. Jetzt werde ich nicht über irgendetwas mögliche Zukünftiges mit Ihnen reden.

In dieser Woche hat der Präsident der EZB, Herr Draghi, auch von geopolitischen Risiken gesprochen, die man im Auge behalten müsse. Sind damit die Risiken durch die Ukraine-Krise gemeint?

Also was er nun genau gemeint hatte, müssten jetzt eigentlich Sie Herrn Draghi fragen, aber ich nehme es an.

Sehen Sie geopolitische Risiken?

Ja, natürlich. Also, sicher ergibt sich aus der Ukraine-Krise auch ein Risiko, ein Vertrauensrisiko für bestimmte Wachstumsaussichten. Das hat sich bisher noch nicht so manifestiert in den wirtschaftlichen Kennzahlen, aber dass es letztendlich ein Risiko ist, dass sich irgendwann einmal manifestieren könnte, das lässt sich nicht negieren.

Allerletzte Frage. Sie sind außerordentlich aktiv, jetzt gibt es auch noch einen neuen 10-Euro-Schein in diesem Monat. Ist da alles gut auf dem Weg? Weil: beim letzten Mal hat es ja so ein bisschen Probleme mit Automaten und so gegeben. Jetzt soll der am 23. September kommen – kommt er?

Ich denke, er wird kommen. Ich hoffe auch, dass alle gut vorbereitet sind. Wir haben hier in der EZB unser Bestmöglichstes getan. Wir haben sehr frühzeitig informiert. Wir haben alle Informationen bereit gestellt, damit die Automatenhersteller oder die Automatenbetreiber letztendlich Ihre Programme ändern können. Aber letztendlich sind wir davon abhängig, dass der Automatenbetreiber tatsächlich einen Mechaniker rausschickt und das Programm ändert oder was immer er da machen muss, damit der 10-Euro-Schein auch erkannt wird. Das liegt, wenn wir alles vorbereitet haben, wenn wir alles an Informationen und Erkenntnissen weitergegeben haben, auch in der Hand und damit in der Verantwortung der Automatenbetreiber. Und da würde ich doch jetzt gleich mal appellieren wollen.

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