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Wachstumspotenzial und Wettbewerb: wie sieht die Zukunft von Kartenzahlungen aus?

Rede von Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums der EZB,
bei der Konferenz der Banque de France zu Kartenzahlungen in Europa – neueste Trends und Herausforderungen,
Paris, 18. Januar 2016

Einführung

Karten sind neben Bargeld in Europa das am häufigsten verwendete Zahlungsinstrument. Was elektronische Zahlungsinstrumente insgesamt anbelangt, so ist bei Kartenzahlungen ein kräftiges und kontinuierliches Wachstum zu beobachten: In der Europäischen Union hat sich die Zahl der Kartentransaktionen in den letzten 15 Jahren fast vervierfacht.

In Frankreich wird öfter mit Karte bezahlt als im EU-Durchschnitt. Noch weiter verbreitet sind Kartenzahlungen in den nordischen Ländern, den Niederlanden und Großbritannien – folglich ist der Anteil der Bargeldzahlungen dort geringer. In diesen Ländern ist die Präferenz für Zahlungen mit Karte statt mit Bargeld in Geschäften häufig sehr deutlich sichtbar, und die Kunden werden durch Schilder oder andere Kommunikationsmittel zur Nutzung von Plastikgeld ermuntert.

Von den elektronischen Zahlungsinstrumenten werden Karten am häufigsten genutzt. Übrigens waren sie – ebenso wie Bargeld – ursprünglich für Zahlungssituationen mit persönlichem Kontakt gedacht. Aufgrund der starken Zunahme des Onlinehandels entstand die Notwendigkeit, geeignete und innovative Lösungen für neue Zahlungssituationen wie etwa Internet- oder mobile Zahlungen zu entwickeln. Die Zahl der Betrugsfälle bei Käufen über das Internet mit „card-not-present“-Transaktionen, bei denen die Karte nicht für eine physische Prüfung vorliegt, gibt Anlass zur Sorge. Hier müssen geeignete Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Auf dieses Thema werde ich später noch einmal zurückkommen. In jedem Fall werden innovative Zahlungsmethoden unabhängig davon, ob dabei Karten oder andere Zahlungsinstrumente zum Einsatz kommen, in den kommenden Jahren das Zahlungsverhalten und die Nutzung von Karten sowie anderen herkömmlichen Zahlungsinstrumenten beeinflussen.

Nichtsdestotrotz ist eines sicher: Kartenzahlungen wird es auch weiterhin geben. Ich sehe vor allem in jenen Ländern Mittel- und Südosteuropas, in denen bislang primär Bargeld genutzt wird, nach wie vor ein großes Wachstumspotenzial für Kartentransaktionen. Und sogar ein Land wie Frankreich, in dem Kartenzahlungen bereits sehr gängig sind, kann bei den Massenzahlungen durch eine höhere Zahl an Kartentransaktionen noch weitere Effizienzgewinne erzielen.

Die Umstellung auf den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (Single Euro Payments Area – SEPA) für Überweisungen und Lastschriften war ein wichtiger Meilenstein für die Integration des europäischen Markts für Massenzahlungen. SEPA für Karten ist in diesem Zusammenhang der nächste logische Schritt. Noch heute stoßen Verbraucher und Händler, aber auch Banken und sonstige Anbieter von Zahlungsdienstleistungen auf Hindernisse oder stellen fest, dass es bei der Durchführung und der Akzeptanz von Kartenzahlungen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt. Wir sind also noch nicht so weit, was SEPA für Karten, d. h. einen harmonisierten, wettbewerbsorientierten und innovativen europäischen Zahlungsverkehrsraum für Kartenzahlungen, angeht.

Ohne weitere Diskussionen im Rahmen dieser Konferenz vorweg nehmen zu wollen, möchte ich doch drei Punkte ansprechen, die bei der Umsetzung des SEPA für Karten eine zentrale Rolle spielen: Standardisierung, Interoperabilität und Sicherheit. Anschließend möchte ich kurz auf das Thema Innovation eingehen und darlegen, welche Auswirkungen sich in Bezug auf Karten ergeben werden.

SEPA für Karten: Standardisierung, Interoperabilität und Sicherheit

Im Jahr 2015 nahm das Euro Retail Payments Board (ERPB) eine Bestandsaufnahme jener Marktinitiativen vor, die technische Standards für Zahlungskarten in der EU entwickeln. Grundlage seiner Schlussfolgerungen war ein detaillierter Bericht der Cards Stakeholders Group. Im Ergebnis legte das ERPB einige Empfehlungen mit Blick auf die Umsetzung der im SEPA Cards Standardisation Volume (SCS Volume) für verschiedene Bereiche (Terminal-an-Aquirer, Karte-an-Terminal, Sicherheit von Terminals) enthaltenen Anforderungen vor. Die in Bezug auf diese Empfehlungen gemachten Fortschritte werden weiter beobachtet.

Das Thema Interoperabilität bezieht sich sowohl auf die technische Kompatibilität von Karten und Kartenterminals (hierbei handelt es sich um einen der Bereiche, für die das ERPB Empfehlungen gemacht hat) als auch das Processing von Kartenzahlungen. Angesichts der Tatsache, dass es in Europa viele verschiedene Kartensysteme, Banken und Processors gibt, hat das Eurosystem wiederholt die Entwicklung eines Rahmenwerks für das Processing von Kartenzahlungen und eines Interoperabilitätsrahmenwerks für das Processing von SEPA-konformen Kartentransaktionen gefordert. Die technische Interoperabilität von Kartenprocessors und -systemen auf Basis europäischer Standards ist für die vollständige Erreichung des SEPA für Karten von zentraler Bedeutung. Die technische Interoperabilität wird durch die EU-Verordnung über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (IFR) vorgeschrieben, die ab Juni 2016 Anwendung findet. Systeme und Processors, die sich im SEPA für Karten behaupten wollen, werden sich durch die Herstellung von Interoperabilität auf Basis europäischer Standards europaweit positionieren müssen.

Was den dritten zentralen Punkt anbelangt, so ist anzumerken, dass die Themen Sicherheit und die Bekämpfung von Betrug bei Kartenzahlungen in den SEPA-Ländern ganz oben auf der Tagesordnung des Eurosystems stehen. Die Arbeit des französischen Observatoire de la sécurité des cartes de paiement hat in dieser Hinsicht Maßstäbe gesetzt. Zudem veröffentlicht die EZB seit 2012 in einem Jahresbericht die Erkenntnisse des Eurosystems im Hinblick auf Kartenbetrug.

Festzustellen ist hierbei, dass bei zwei Drittel aller durch Betrug entstandener Verluste bei Kartenzahlungen innerhalb des SEPA die Karte nicht zur physischen Prüfung vorlag. Es handelt sich dabei also überwiegend um Betrugsfälle im Zusammenhang mit Kartenzahlungen bei Käufen über das Internet, das Telefon oder per E-Mail. Aus diesem Grund ist die Einleitung angemessener risikomindernder Maßnahmen (z. B. die Umsetzung einer starken Kundenauthentifizierung) unerlässlich, um zu verhindern, dass die Zahl der Betrugsfälle im SEPA, bei denen die Karten beim Kaufvorgang nicht zur physischen Prüfung vorliegen, weiter steigt. Die Leitlinien zur Sicherheit von Internetzahlungen, welche die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) im Dezember 2014 veröffentlichte, sehen Mindestsicherheitsanforderungen vor, die von den Anbietern der Zahlungsdienstleistungen umzusetzen sind. Diese Leitlinien beruhen wiederum auf den vom European Forum on the Security of Retail Payments (SecuRe Pay) ausgesprochenen Empfehlungen. Daher möchte ich alle Akteure – nicht nur Anbieter von Zahlungsdienstleistungen, sondern auch Onlinehändler – dazu aufrufen, weiterhin an der Verbesserung des Schutzes von Internetzahlungen zu arbeiten und schnell sichere Lösungen zur Authentifizierung des Karteninhabers zu verabschieden. Die Schaffung technischer Regulierungsstandards (Level 2) und von Leitlinien durch die EBA (in enger Zusammenarbeit mit der EZB) wird dem Markt weitere Orientierung im Hinblick auf Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit Internetzahlungen bieten.

Innovation: Auswirkung auf Karten

Wie bereits eingangs erwähnt, wird sich das Aufkommen innovativer Zahlungsmöglichkeiten in den kommenden Jahren im Zahlungsverhalten und in der Verwendung von Karten sowie von anderen herkömmlichen Zahlungsinstrumenten niederschlagen. Innovative, auf Karten basierende Lösungen für kontaktlose Zahlungen, digitale Geldbörsen oder mobile Zahlungen zwischen Personen könnten der Nutzung von Karten weiteren Auftrieb verleihen, indem sie an die Stelle von Bargeldtransaktionen treten, vor allem an jene zwischen Personen und bei Zahlungen von Kleinbeträgen. Gleichzeitig wird die Kartenbranche mit starkem Wettbewerb durch innovative Zahlungslösungen rechnen müssen, die auf anderen Zahlungsinstrumenten als Karten beruhen.

In diesem Zusammenhang sind z. B. Echtzeitzahlungen zu nennen. Das ERPB hat beschlossen, dass der European Payments Council auf Grundlage der SEPA-Überweisung ein Echtzeitzahlungssystem für Euro-Zahlungen entwickeln soll.

Was den Onlinehandel betrifft, so sind neu hinzukommende Anbieter von Zahlungsdienstleistungen zu nennen. Es ist davon auszugehen, dass Zahlungsauslösedienste und „Online Payment Integrators“ mit ihren Produkten zur Zahlungskette hinzustoßen werden.

Zu guter Letzt sind „Distributed Ledger“-Technologien zu nennen. Diese Technologien, von denen Blockchain wohl das bekannteste Beispiel ist, könnten massive Auswirkungen auf das gesamte finanzielle Ökosystem haben. Wenn sie sich durchsetzen, könnte dies weitreichende Auswirkungen sowohl auf die Nutzung herkömmlicher Zahlungsinstrumente und -dienste als auch auf die Zahlungsbearbeitungsbranche haben.

Das Eurosystem begrüßt mehr Wahlmöglichkeiten für Verbraucher und Unternehmen unter der Voraussetzung, dass die am Markt angebotenen Zahlungslösungen sicher und effizient sind und etablierte wie auch neue Anbieter von Dienstleistungen dieselben Regeln befolgen. Die überarbeitete Richtlinie über Zahlungsdienste (Directive on Payment Services – PSD2) und die IRF geben die Spielregeln vor und bieten die notwendige Klarheit. Die EBA arbeitet derzeit an technischen Regulierungsstandards mit Blick auf die Trennung von Zahlungskartensystemen und abwickelnden Stellen (gemäß der IFR) sowie an technischen Regulierungsstandards für eine starke Kundenauthentifizierung und sichere Kommunikation (gemäß der PSD2). Sicher werden wir im Laufe dieser Konferenz noch mehr zu diesem Thema hören.

Schlussfolgerung

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich bin davon überzeugt, dass Kartenzahlungen auch in Zukunft eine Rolle spielen werden. Überdies gibt es in der EU weiterhin ein gewaltiges Wachstumspotenzial für Kartentransaktionen. Um dieses Potenzial freizusetzen, muss SEPA für Karten vollständig verwirklicht werden. Ein harmonisierter, wettbewerbsorientierter und innovativer europäischer Karten-Zahlungsverkehrsraum muss durch Standardisierung, Interoperabilität und die geeigneten Sicherheitsmaßnahmen erzielt werden. Kartensysteme und -processors, die sich am Markt behaupten wollen, müssen sich europaweit positionieren.

Gleichzeitig werden innovative Zahlungsmöglichkeiten die Kartenbranche vor Herausforderungen stellen. Der Wettbewerb durch Echtzeitzahlungen, die auf SEPA-Überweisungen basieren, durch Zahlungsauslösedienste beim Onlinehandel und durch die Einführung von „Distributed Ledger“-Technologien wird steigen. Dieser Wettbewerb ist begrüßenswert, solange die am Markt angebotenen Lösungen sicher und effizient sind und ihre Anbieter dieselben Regeln befolgen. Ich bin davon überzeugt, dass die Kartenbranche die richtigen Antworten auf diese Herausforderungen finden wird, und dass diese im Interesse der Kartennutzer sein werden.

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