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Document 52018AB0032

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 12. Juli 2018 zu einem Vorschlag für eine Verordnung über die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen (CON/2018/32)

OJ C 79, 4.3.2019, p. 1–3 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

4.3.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 79/1


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 12. Juli 2018

zu einem Vorschlag für eine Verordnung über die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen

(CON/2018/32)

(2019/C 79/01)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 20. bzw. 24. April 2018 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Europäischen Parlament bzw. vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen (1) (nachfolgend der „Verordnungsvorschlag“) ersucht.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 127 Absatz 4 erster Gedankenstrich und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), da der Verordnungsvorschlag Bestimmungen enthält, die in den Zuständigkeitsbereich der EZB fallen, darunter die Aufgabe des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) nach Artikel 127 Absatz 5 AEUV zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen beizutragen, sowie die der EZB nach Artikel 127 Absatz 6 AEUV in Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute übertragenen Aufgaben. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

1.   Allgemeine Anmerkungen

Die EZB befürwortet den Verordnungsvorschlag, der Teil des Maßnahmenpakets der Europäischen Kommission zum Umgang mit notleidenden Risikopositionen (non-performing exposures – NPE) in der Union ist. Diese Maßnahmen wurden nach Verabschiedung des umfassenden „Action plan to tackle non-performing loans in Europe“ (2) (Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa) getroffen, der am 11. Juli 2017 vom Rat genehmigt wurde. Erwartungsgemäß soll der Verordnungsvorschlag den möglichen Risiken bei Banken begegnen, die aus einer Anhäufung unzureichend durch Rückstellungen gedeckter notleidender Risikopositionen erwachsen. Ferner ist der Verordnungsvorschlag ein wichtiger Bestandteil der Bestrebungen der Union zur weiteren Verringerung von Risiken im Bankensystem. Der Abbau hoher Bestände an notleidenden Risikopositionen gehört aus verschiedenen Gründen bereits seit Einführung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (3) zu den Schwerpunkten der EZB. Zum einen belasten notleidende Risikopositionen die Bilanz der Banken und schmälern somit deren Gewinne. Zum anderen sind sie für die Banken störend und zehren an deren Ressourcen. Des Weiteren untergraben notleidende Risikopositionen das Vertrauen der Anleger in die Banken. Eine interne Analyse der EZB hat zudem gezeigt, dass Banken mit hohen Beständen an notleidenden Risikopositionen ihr Kreditgeschäft in den letzten Jahren durchweg mehr zurückgefahren haben als Banken mit einer besseren Bonitätsbewertung, und folglich Unternehmen, private Haushalte und die Wirtschaft im Allgemeinen weniger unterstützt haben (4). Ferner stellen hohe Bestände an notleidenden Risikopositionen eine Problematik auf Makroebene dar und haben häufig gesamtwirtschaftliche Auswirkungen.

Es ist anzumerken, dass der Verordnungsvorschlag notleidende Risikopositionen, die vor dem 14. März 2018 von Kreditinstituten begründet wurden, nicht betrifft und somit entsprechend den Schlussfolgerungen des Rates zum Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa aktuelle Bestände an notleidenden Risikopositionen nicht berücksichtigt.

Die EZB begrüßt die Klarstellung im Verordnungsvorschlag, dass die darin festgelegte aufsichtsrechtliche Letztsicherung für notleidende Risikopositionen die zuständigen Behörden nicht daran hindert, ihre jeweiligen Aufsichtsbefugnisse im Einklang mit dem geltenden Recht auszuüben. Insbesondere kann die EZB trotz Geltung dieser aufsichtsrechtlichen Letztsicherung im Einzelfall beschließen, dass die notleidenden Risikopositionen eines bestimmten Kreditinstituts nicht ausreichend gedeckt sind. In dem Fall kann sie ihre Aufsichtsbefugnisse gemäß dem Rechtsrahmen der Säule 2 (5) ausüben.

2.   Spezifische Anmerkungen

2.1.   Definition einer notleidenden Risikoposition

Für die Zwecke der Mindestdeckung wird aufgrund des Verordnungsvorschlags eine Definition einer notleidenden Risikoposition (non-performing exposure – NPE) in die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (6) aufgenommen. Diese Definition basiert auf dem in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 (7) festgelegten Begriff einer notleidenden Risikoposition, der aus Gründen der aufsichtlichen Meldung Anwendung findet. In diesem Zusammenhang begrüßt die EZB, dass diese Definition einer notleidenden Risikoposition alle Arten von notleidenden Risikopositionen, insbesondere auch Risikopositionen aus dem Mengengeschäft, umfasst.

2.2.   Berechnung der Mindestdeckungsanforderung

Die EZB begrüßt die Einfachheit der Mindestdeckungsanforderung, die im Prinzip von der Anzahl der Jahre, seitdem die Risikoposition als notleidende Risikoposition eingestuft wurde, ausgeht, sowie davon, ob die Risikoposition besichert war oder nicht. Die Einfachheit der Anforderung wird die Einhaltungsmaßnahmen der Banken und Aufseher in einem überschaubaren Rahmen halten, während dennoch die Problematik ungedeckter notleidender Risikopositionen entschieden und auf faire, ausgewogene Weise angegangen wird.

Zur Berechnung des entsprechenden Betrags der unzureichenden Deckung für notleidende Risikopositionen, der vom harten Kernkapital abzuziehen ist, sind die Institute gehalten, ihre notleidenden Risikopositionen mit dem im Verordnungsvorschlag genannten anwendbaren Faktor zu multiplizieren. Die EZB befürwortet die Kalibrierung der anwendbaren Faktoren gemäß dem Verordnungsvorschlag. Insbesondere ist für unbesicherte notleidende Risikopositionen eine vollständige Deckung bereits ab dem ersten Tag des zweiten Jahres (vermutlich ist hier eigentlich der erste Tag des dritten Jahres gemeint) vorgesehen. Für besicherte notleidende Risikopositionen ist bis zum ersten Tag des achten Jahres (vermutlich ist hier eigentlich der erste Tag des neunten Jahres gemeint), seitdem die Risikoposition als notleidende Risikoposition eingestuft wurde, eine vollständige Deckung vorzunehmen, wenn die Risikoposition gegenüber dem Schuldner mehr als 90 Tage überfällig ist.

Was besicherte Risikopositionen anbelangt, sollten Kreditinstitute in der Lage sein, ihre Kreditbesicherung „zeitnah“ (8) zu verwerten. Wurde eine Sicherheit nach einem Zeitraum von mehreren Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem die zugrunde liegende Risikoposition als notleidend eingestuft wurde, nicht verwertet, so ist es vertretbar, die Sicherheit als ineffektiv anzusehen und die Risikoposition aus aufsichtlicher Perspektive als unbesichert zu behandeln.

2.3.   Aufsichtliche Meldepflichten

Die EZB geht davon aus, dass die einschlägigen aufsichtlichen Meldepflichten nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 dahingehend geändert werden, dass die zuständigen Behörden die Einhaltung des Verordnungsvorschlags durch die Institute überwachen können. Darüber hinaus ersucht die EZB die Kommission zu erwägen, ob eine Offenlegungspflicht hinsichtlich der Einhaltung der Mindestdeckungsanforderungen durch die Institute in die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 aufgenommen werden sollte.

2.4.   Anhörung der EZB

Die EZB möchte das Parlament und den Rat darauf hinweisen, dass eine weitere Anhörung erforderlich sein wird, wenn der Verordnungsvorschlag im Vergleich zu der Fassung, zu der die EZB angehört wurde, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wesentlich geändert wird (9).

Empfiehlt die EZB eine Änderung des Verordnungsvorschlags, sind spezielle Redaktionsvorschläge mit Begründung hierfür in einem separaten technischen Arbeitsdokument aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht in englischer Sprache auf der Website der EZB zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 12. Juli 2018.

Der Präsident der EZB

Mario DRAGHI


(1)  COM(2018) 134 final.

(2)  Abrufbar auf der Website des Rates unter www.consilium.europa.eu.

(3)  Siehe die Rede der Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der EZB Danièle Nouy und der Vorsitzenden der hochrangigen Gruppe zu notleidenden Krediten der EZB Sharon Donnery, „Introductory remarks to the public hearing on the draft addendum to the ECB guidance to banks on non-performing loans“, Frankfurt am Main, 30. November 2017, abrufbar auf der Website der Bankenaufsicht der EZB unter www.bankingsupervision.europa.eu.

(4)  Siehe „European banking supervision three years on“, Redebeitrag des Präsidenten der EZB Mario Draghi anlässlich des zweiten ECB Forum on Central Banking, Frankfurt am Main, 7. November 2017, abrufbar auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu.

(5)  Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63) legt fest, dass „Ausschließlich zum Zweck der Wahrnehmung der ihr nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 und Artikel 5 Absatz 2 übertragenen Aufgaben gilt die EZB nach Maßgabe des einschlägigen Unionsrechts in den teilnehmenden Mitgliedstaaten je nach Sachlage als die zuständige oder die benannte Behörde.“ Siehe in diesem Zusammenhang die Artikel 97 und 104 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338) und Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013.

(6)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).

(7)  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission vom 16. April 2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 191 vom 28.6.2014, S. 1).

(8)  Siehe beispielsweise Artikel 194 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013.

(9)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rechtssache 41/69, ECLI:EU:C:1970:71, Rn. 3; Urteil des Gerichtshofs vom 4. Februar 1982, Buyl gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rechtssache 817/79, ECLI:EU:C:1982:36, Rn. 1; Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 20. März 1997, Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union, C-392/95, ECLI:EU:C:1997:172, Rn. 15; Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 1997, Eurotunnel SA u. a. gegen SeaFrance, C-408/95, ECLI:EU:C:1997:532, Rn. 46; Urteil des Gerichtshofs vom 25. September 2003, Océ van der Grinten NV gegen Commissioners of Inland Revenue, C-58/01, ECLI:EU:C:2003:495, Rn. 100 und 102.


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