EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52017AB0022

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 7. Juni 2017 zu einem Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates für eine Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU (CON/2017/22)

OJ C 236, 21.7.2017, p. 2–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

21.7.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 236/2


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 7. Juni 2017

zu einem Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates für eine Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU

(CON/2017/22)

(2017/C 236/02)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 22. November 2016 verabschiedete die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU (1) (nachfolgend der „Richtlinienvorschlag“). Die Europäische Zentralbank (EZB) ist der Auffassung, dass der Richtlinienvorschlag in ihre Zuständigkeit fällt, wenngleich sie noch nicht zu dem Richtlinienvorschlag konsultiert wurde. Sie macht daher von dem ihr in Artikel 127 Absatz 4 Satz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verliehenen Recht Gebrauch, eine Stellungnahme gegenüber den zuständigen Einrichtungen der Union zu in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Fragen abzugeben.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 127 Absatz 4 Satz 2 des Vertrags, da der Richtlinienvorschlag Bestimmungen enthält, die in den Zuständigkeitsbereich der EZB fallen, darunter die Aufgabe des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), den Beitrag des ESZB zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden ergriffenen Maßnahmen auf dem Gebiet der Stabilität des Finanzsystems gemäß Artikel 127 Absatz 5 des Vertrags und die Aufgaben, welche der EZB gemäß Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags in Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute übertragen wurden. Darüber hinaus betrifft der Richtlinienvorschlag die Verpflichtung des ESZB gemäß Artikel 127 Absatz 1 des Vertrags zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Union, unbeschadet des vorrangigen Zieles des ESZB hinsichtlich der Gewährleistung der Preisstabilität. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

1.   Allgemeine Anmerkungen

1.1.

Die EZB begrüßt das Hauptziel des Richtlinienvorschlags, die wichtigsten Hindernisse für den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr einzudämmen, die sich aus den unterschiedlichen Rahmen für Unternehmens- und Konzernrestrukturierungen in den Mitgliedstaaten ergeben. Der Richtlinienvorschlag stellt einen wichtigen Schritt zur Schaffung eines gemeinsamen rechtsverbindlichen Mindeststandards in der Union dar, insbesondere im Hinblick auf Verfahren, die der Liquidation von Unternehmen vorausgehen bzw. Restrukturierungen von Unternehmensgruppen.

1.2.

Wenngleich durch den Vorschlag eine Reihe von äußerst relevanten Mindestharmonisierungsmaßnahmen für bestehende Restrukturierungsrahmen eingeführt wird, folgt er weder einem ganzheitlichen Ansatz in Bezug auf die Harmonisierung der Insolvenzvorschriften in der Union als Ganzes, einschließlich sowohl Restrukturierung als auch Liquidation, noch versucht er, zentrale Aspekte des Insolvenzrechts zu harmonisieren, beispielsweise: a) die Bedingungen für die Eröffnung von Insolvenzverfahren, b) eine gemeinsame Definition von Insolvenz, c) die Rangfolge von Insolvenzforderungen und d) Insolvenzanfechtungsklagen. Während die EZB sich der erheblichen rechtlichen und praktischen Herausforderungen bewusst ist, die die Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes aufgrund der weitreichenden Änderungen im Handels-, Zivil- und Gesellschaftsrecht beinhaltet, die mit einem solchen Unterfangen einhergehen müssten, ist es erforderlich, ambitioniertere Maßnahmen zu ergreifen, um eine gemeinsame Basis für eine wesentliche Harmonisierung des Insolvenzrechts der Mitgliedstaaten zu schaffen und dadurch langfristig eine umfassendere Harmonisierung (2) zu erreichen und zu einer gut funktionierenden Kapitalmarktunion beizutragen.

1.3.

Zwei übergeordnete Ziele von Insolvenzverfahren, einschließlich der Umstrukturierung von Konzernen und Unternehmen, sind den meisten Rechtssystemen gemeinsam: a) die berechenbare, faire und transparente Allokation von Risiken zwischen den Akteuren in einer Marktwirtschaft, wozu auch die richtige Ausgewogenheit in den Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern gehört, und b) der Schutz und die Maximierung von Werten zugunsten aller beteiligten Parteien und der Wirtschaft im Allgemeinen (3). Ein fehlendes angemessenes Gleichgewicht zwischen den Rechten der Schuldner und denen der Gläubiger in Insolvenzverfahren könnte zu ungünstigen und unbeabsichtigten Folgen führen. Ein gut gestalteter Insolvenzrahmen sollte Anreize für alle Akteure beinhalten und makrofinanziellen Überlegungen gebührend Rechnung tragen. Darüber hinaus fördern berechenbare Insolvenzverfahren grenzüberschreitende Kapitalmarkttransaktionen, während nicht kalkulierbare Verfahrensschritte in Insolvenzverfahren, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext, ein bedeutendes Hindernis für die weitere Kapitalmarktintegration darstellen. Ebenso und im Zusammenhang mit den hohen Beständen an notleidenden Krediten, die derzeit die Bilanzen europäischer Banken belasten, könnte sich Berechenbarkeit und Transparenz in diesen Prozessen positiv auf angespannte Märkte für Schuldtitel in der gesamten Union auswirken, die gegenwärtig stärker inlandsorientiert sind. Zumindest sollten die übergeordneten Ziele von Insolvenzprozessen innerhalb der Mitgliedstaaten weiter harmonisiert werden, einschließlich eines gemeinsam vereinbarten Gleichgewichts zwischen den Rechten der Gläubiger und denen der Schuldner.

1.4.

Unternehmen stützen sich maßgeblich auf vertragliche Vereinbarungen, die den Vertrauensgedanken kodifizieren, Kosten und Unsicherheit reduzieren und gleichzeitig neue Investitionsvorhaben und Geschäftsmöglichkeiten fördern. Um eine maximale Wertschöpfung für die Wirtschaft im Allgemeinen zu erreichen, ist es erforderlich, einen wirksamen Restrukturierungsrahmen für nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften und Unternehmen in ein wirtschaftliches und rechtliches Umfeld einzubetten, das rentablen Unternehmen hilft, ihre Geschäfte zu restrukturieren. Während ein unrentables Unternehmen zur Optimierung des ökonomischen Werts und zur Reduzierung der Unsicherheit für Gläubiger und andere Stakeholder rasch abgewickelt werden sollte, können rentable Unternehmen, deren sanierte Vermögenswerte mehr Wert sein können als in einem Liquidationsszenario, möglicherweise wieder Renditen für Aktionäre und Rückzahlungen an Gläubiger bei gleichzeitiger Sicherung von Arbeitsplätzen erzielen. In solch einer Situation sollte die Rettung eines Unternehmens sowohl durch formlose als auch förmliche Verfahren erzielt werden. Die Aussicht auf förmliche Verfahren hat anerkanntermaßen klare Implikationen für die Kosten und Anreize für die Erzielung einer Restrukturierungsvereinbarung. Dies impliziert auch, dass eine effizientere Lösung für die Restrukturierung eines laufenden Unternehmens den Fortführungswert des Schuldners verbessern und für eine angemessene Ausgewogenheit in Bezug auf Gläubiger, insbesondere unbesicherte, sorgen kann. Das Recht, eine präventive Restrukturierung einzuleiten, einen Restrukturierungsplan festzulegen, die Gelegenheit für Gläubiger, über den Plan mit Mehrheitsbeschluss abzustimmen, und die Möglichkeit, einen Restrukturierungsverwalter zu benennen, stellen insgesamt Elemente dar, die zur Erhaltung des Unternehmenswerts beitragen können. Ein derartiger Ansatz kann auch die finanzielle Stabilität unterstützen und fördern, indem die richtigen Anreize für Schuldner und Gläubiger geschaffen werden. Finanziell gefährdete Schuldner werden angehalten, sich frühzeitig ernsthaft mit Gläubigern auseinanderzusetzen, anstatt sich auf eine mögliche Nachsicht zu verlassen. Dabei können rentable Unternehmen von denjenigen, die unrentabel sind, unterschieden werden und dadurch ebenfalls von einer nachhaltigen Restrukturierung profitieren. Nichtsdestotrotz können Gläubiger trotz der Einschränkungen bei der unmittelbaren Durchsetzung der Rechte der Gläubiger, zu denen eine Aussetzung der Durchsetzungsmaßnahmen führen würde, von den reduzierten Kosten einer Umschuldung, einem früheren und einfacheren Zugriff auf Sicherheiten und somit von höheren Sicherheitenwerten, der Vertiefung der Märkte für gefährdete Kreditpositionen und dem Signaleffekt, den ein solcher Rahmen auf die Schuldnerdisziplin haben kann, profitieren.

1.5.

Neben der Reform der betreffenden Gesetze könnte ein Kodex bewährter Vorgehensweisen oder Grundsätze als ein Instrument zur Ausrichtung nationaler Insolvenzvorschriften auf einen harmonisierteren Ansatz langfristig in Erwägung gezogen werden. Darüber hinaus könnte die Verabschiedung bestehender anerkannter internationaler Standards, wie dem Modellgesetz der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law — UNCITRAL) über grenzüberschreitende Insolvenzen (4), durch alle Mitgliedstaaten für eine weitergehende Harmonisierung ebenfalls geeignet sein.

1.6.

Des Weiteren unterscheiden sich die nationalen Vorschriften erheblich bei der Bestimmung der Auslöser für die Eröffnung von Sanierungsverfahren (5). Dieser Vorschlag bietet eine einzigartige Gelegenheit, ein europaweites Regime zu schaffen, welches auf gemeinsamen zugrunde liegenden Konzepten und harmonisierten Schlüsselelementen basiert.

1.7.

Auch wenn der Richtlinienvorschlag nicht für Verfahren in Bezug auf Schuldner gilt, die Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Organismen für gemeinsame Anlagen, zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer, Versicherungsunternehmen und Rückversicherungsunternehmen und in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (6) aufgeführte andere Finanzinstitute und Unternehmen sind, kann es zu unbeabsichtigten Folgen für diese Institute aufgrund der Auswirkung auf Finanzkontrakte mit ihren kommerziellen Geschäftspartnern kommen (siehe zum Beispiel Nummer 2.4 zur Durchsetzbarkeit von Close-out-Nettingvereinbarungen). Darüber hinaus müssen die Folgen und der Umfang der Aussetzung (unter anderem die Frage, ob die Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen auch für die Vermögenswerte des Schuldners, die zur Besicherung der Forderungen des Gläubigers hinterlegt wurden, gilt) sorgfältig geprüft werden, auch unter dem Gesichtspunkt ihrer möglichen Auswirkung auf die regulatorischen Kapitalanforderungen, und insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Risikominderungstechniken nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (7). In diesem Zusammenhang ist eine nuanciertere Betrachtung des rechtlichen Verhältnisses zwischen dem Richtlinienvorschlag und den zentralen Bestimmungen des Unionsrechts in den Finanzbereichen gerechtfertigt, einschließlich der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (8), der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (9), der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (10) und der Richtlinie 2014/59/EU. Zu diesem Zweck sollte möglichen unbeabsichtigten Folgen besondere Beachtung geschenkt werden.

2.   Spezifische Anmerkungen

2.1.   Unionsrechtliche Definition von Insolvenzverfahren

Der Richtlinienvorschlag trägt zur bestehenden Fragmentierung in Bezug auf die Definition von relevanten Verfahren im Rahmen der Rechtsakte der Union (11) bei und weicht vom Ansatz der Verordnung (EU) 2015/848 ab, in der alle erfassten Insolvenzverfahren in den Anhängen aufgeführt sind. Der Richtlinienvorschlag sollte als Möglichkeit zur weiteren Harmonisierung dieser Definition genutzt werden, anstatt zur weiteren konzeptionellen Fragmentierung zu führen.

2.2.   Drohende Insolvenz

Gemäß dem Richtlinienvorschlag müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten Zugang zu einem wirksamen präventiven Restrukturierungsrahmen haben, der es ihnen ermöglicht, ihre Schulden oder ihr Unternehmen zu restrukturieren und ihre Rentabilität bei „drohender Insolvenz“ wiederherzustellen. Dieses Konzept muss im Richtlinienvorschlag noch stärker ausgearbeitet werden, da es für den Restrukturierungsrahmen entscheidend ist, und sollte nicht im freien Ermessen der Mitgliedstaaten liegen. Insbesondere sollten weitere Vorgaben für die nationalen Gesetzgeber im Hinblick auf den Umfang und den Inhalt des Konzepts der „drohenden Insolvenz“ gemacht werden. Als Alternative zur Aufnahme dieser Vorgaben im Richtlinienvorschlag könnten sie in Form von technischen Regulierungsstandards durch die Kommission mittels delegierter Rechtssetzungsbefugnisse erlassen werden.

2.3.   Die Notwendigkeit einer klaren Hierarchie zwischen dem Richtlinienvorschlag und sonstigen Rechtsakten der Union, die die Stabilität der Finanzmärkte betreffen, und einer Bewertung ihrer Auswirkung auf weitere Rechtsakte der Union

Artikel 31 des Richtlinienvorschlags sieht vor, dass der Richtlinienvorschlag die Richtlinien 98/26/EG und 2002/47/EG und die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unberührt lässt. Ferner besagt Erwägungsgrund 43, dass die Stabilität der Finanzmärkte stark von Finanzsicherheiten abhängt, insbesondere wenn die Sicherheit in Verbindung mit der Beteiligung an ausgewiesenen Systemen oder an Zentralbankgeschäften geleistet wird und wenn zentralen Gegenparteien Margen zur Verfügung stehen. Erwägungsgrund 43 stellt ferner fest, da der Wert von als Sicherheit dienenden Finanzinstrumenten sehr unbeständig sein kann, dass es entscheidend darauf ankommt, ihren Wert schnell zu realisieren, bevor er sinkt.

Im Interesse einer hohen Rechtssicherheit und klaren Orientierung für die Mitgliedstaaten wäre es wünschenswert, eine klare Hierarchie zwischen dem Richtlinienvorschlag und den aufgeführten Rechtsakten der Union festzulegen, indem Artikel 31 ausdrücklich vorsieht, dass die Bestimmungen dieser Rechtsakte Vorrang vor dem Richtlinienvorschlag haben.

Darüber hinaus sollte klargestellt werden, inwieweit die in der Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (12) und in der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates (13) regulierten Unternehmen, d. h. Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute, den präventiven Restrukturierungsrahmen des Richtlinienvorschlags für sich nutzen dürfen. Diesen Unternehmen wird vorgeschrieben, von E-Geld-Inhabern bzw. von Zahlungsdienstnutzern entgegengenommene Geldbeträge zu sichern, indem sie diese Geldbeträge von den Geldbeträgen, die das jeweilige Institut für andere Geschäftsfelder vorhält, getrennt halten (14). Diese Trennung von Geldbeträgen ist besonders wichtig im Fall von Insolvenzverfahren, die diese Institute betreffen. Vom Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags sind weder Zahlungsinstitute noch E-Geld-Institute ausdrücklich ausgenommen. Folglich sollten die Auswirkungsmöglichkeiten einer Aussetzung der Durchsetzungsmaßnahmen auf die dem Richtlinienvorschlag unterliegenden Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute bewertet und klargestellt werden, möglicherweise indem ein weiterer Erwägungsgrund aufgenommen oder die Liste der ausgenommenen Rechtsakte der Union in Artikel 31 des Richtlinienvorschlags erweitert wird.

2.4.   Durchsetzbarkeit von Close-out-Nettingvereinbarungen

Es sollte klargestellt werden, in welchem Maße der Richtlinienvorschlag, einschließlich der Aussetzung der Durchsetzungsmaßnahmen, unbeschadet der Durchsetzbarkeit der Close-out-Nettingvereinbarungen zwischen Kredit- und Finanzinstituten einerseits und Unternehmensschuldnern andererseits Anwendung findet. Es wird davon ausgegangen, dass präventive Restrukturierungsverfahren im Sinne des Richtlinienvorschlags von der Definition der Sanierungsmaßnahmen der Richtlinie 2002/47/EG erfasst würden, wonach Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass eine Close-out-Nettingvorschrift im Rahmen einer Finanzsicherheit gemäß ihren Bedingungen ungeachtet der Eröffnung oder des Andauerns von Sanierungsmaßnahmen (15) wirksam werden kann. Viele nationale Rechtsvorschriften enthalten eine umfassendere über den Kontext der Finanzsicherheiten hinausgehende Anerkennung der Durchsetzbarkeit von Close-out-Nettingvereinbarungen, ungeachtet der Eröffnung eines Sanierungsverfahrens. Auf der anderen Seite können Mitgliedstaaten Finanzsicherheiten aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/47/EG ausnehmen, wenn eine der Parteien ein gewöhnlicher Unternehmensschuldner ist (16). Die Durchsetzung von Close-out-Nettingvereinbarungen mit solchen gewöhnlichen Unternehmensschuldnern als Gegenparteien wäre problematisch (17). Es könnte auch praktische Auswirkungen für Kredit- und Finanzinstitute in Bezug auf ihre Fähigkeit haben, die Voraussetzungen für die Anerkennung von vertraglichen Nettingvereinbarungen als eine zulässige Form der Kreditrisikominderung und Risikominderung nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 zu erfüllen (18). Die Einführung eines präventiven Restrukturierungsrahmens auf Unionsebene macht es erforderlich, dieser Problematik besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Insofern die EZB empfiehlt, dass der Richtlinienvorschlag geändert werden sollte, werden in einem separaten technischen Arbeitsdokument spezielle Redaktionsvorschläge zusammen mit einer diesbezüglichen Begründung aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht auf Englisch auf der Website der EZB zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 7. Juni 2017.

Der Präsident der EZB

Mario DRAGHI


(1)  COM(2016) 723 final.

(2)  Siehe Diego Valiante, „Harmonising Insolvency Laws in the Euro Area: rationale, stocktaking and challenges“, Centre for European Policy Studies Special Report No 153, Dezember 2016.

(3)  Siehe Internationaler Währungsfonds (IWF), „Orderly & Effective Insolvency Procedures: Key Issues“, 1999, abrufbar auf der Website des IWF unter www.imf.org.

(4)  Abrufbar auf der Website von UNCITRAL unter www.uncitral.org.

(5)  Siehe Diego Valiante, „Harmonising Insolvency Laws in the Euro Area“, in Fußnote 2, S. 11-12; und Gerard McCormack et al., „Study on a new approach to business failure and insolvency, Comparative legal analysis of the Member States' relevant provisions and practices“, Ausschreibung Nr. JUST/2014/JCOO/PR/CIVI/0075, Januar 2016, Kapitel 5.2.

(6)  Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190).

(7)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).

(8)  Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1).

(9)  Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45).

(10)  Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43).

(11)  Siehe z. B. die Definitionen von „Insolvenzverfahren“, „Liquidationsverfahren“ und „Sanierungsmaßnahmen“ in der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 19); Richtlinie 2002/47/EG; bzw. Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. L 125 vom 5.5.2001, S. 15).

(12)  Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. L 267 vom 10.10.2009, S. 7).

(13)  Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 35).

(14)  Siehe Artikel 7 der Richtlinie 2009/110/EG und Artikel 10 der Richtlinie (EU) 2015/2366.

(15)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe k und Artikel 7 der Richtlinie 2002/47/EG in Bezug auf die regulatorische Anerkennung des vertraglichen Nettings.

(16)  Und zwar wenn der Schuldner in keine der Kategorien des Artikels 1 Absatz 2 Buchstaben a bis d der Richtlinie 2002/47/EG fällt.

(17)  Siehe Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 2002/47/EG in Bezug auf die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, Finanzsicherheiten für bestimmte Gegenparteien auszunehmen.

(18)  Siehe Artikel 206 und Artikel 296 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013.


Top