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Eine Drei-Säulen-Strategie für Europa

19. September 2014

Gastbeitrag von Benoît Cœuré, Mitglied des Direktoriums der EZB,
und Jörg Asmussen, für die Berliner Zeitung und Les Echos
vom 19. September 2014

Europa steht vor wirtschaftlichen Herausforderungen, die beispiellos in seiner jüngsten Geschichte sind. Sieben Jahre nach ihrem Ausbruch hat der Euroraum die Finanzkrise überwunden, aber noch nicht zurück zu nachhaltigem Wachstum und damit zum Aufbau neuer Arbeitsplätze gefunden.

Allzu oft dreht sich die öffentliche Debatte um einfache Lösungen, die den komplexen Problemen nicht gerecht werden. Einige argumentieren, dass das Anwerfen der Geldpresse und die Erhöhung staatlicher Ausgaben der einzige Weg aus der Krise sei. Andere klammern sich an die Hoffnung eines strikten Sparkurses als Allheilmittel. Und manche täuschen gar vor, dass eine Rückkehr zu nationalen Lösungen alle Probleme bewältigen könnte.

Seien wir ehrlich: Einzelne Institutionen oder einzelne Länder können die Probleme des Euroraumes nicht alleine regeln. Das Wachstum und die Inflation sind niedrig, die Verschuldung und die Arbeitslosigkeit zu hoch. Diese Probleme können nur gemeinsam auf nationaler und europäischer Ebene bewältigt werden, indem wir alle verfügbaren Hebel in Bewegung setzen. Denn falls eine Regierung oder Institution ihren Aufgaben nicht nachkommt, sind die anderen Akteure nicht in der Lage, das aufzufangen.

Was Europa jetzt braucht, ist eine umfassende Strategie, die die Schwächen auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite in den einzelnen Ländern angeht, und zwar mithilfe einer soliden Mischung aus geldpolitischen, haushaltspolitischen und strukturellen Maßnahmen. Deutschland und Frankreich sollten eine entscheidende Rolle im Rahmen dieser Drei-Säulen-Strategie spielen.

Was die Geldpolitik angeht, hat die EZB mit ihren jüngsten Beschlüssen gezeigt, dass sie ihrer Verantwortung gemäß ihres Auftrags zur Wahrung der Preisstabilität nachkommt. Und sie ist bereit, falls erforderlich weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Was die Haushaltspolitik angeht, muss die Flexibilität innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspakts genutzt werden, ohne die Glaubwürdigkeit des Pakts zu gefährden. Das ist auch eine Frage der Fairness gegenüber den Ländern, die schon erhebliche Konsolidierungsbemühungen unternommen haben. Deutschland allerdings könnte seine vorhandenen Spielräume nutzen, um Investitionen zu fördern und die Steuerbelastung der Arbeitnehmer zu reduzieren. Das würde die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen nicht gefährden und das Land fit für die kommenden Herausforderungen machen. Länder ohne diesen haushaltspolitischen Spielraum sollten verstehen, dass es weder in ihrem, noch im europäischen Interesse ist, die Fortschritte bei der Konsolidierung rückgängig zu machen. Wie kann man gegenseitiges Vertrauen wieder aufbauen, wenn man sich nicht an die Regeln hält? Daher sollten diese Länder eine wachstumsfreundliche Haushaltspolitik praktizieren, ineffiziente Ausgaben reduzieren und für das Wachstum schädliche Steuern senken, wie es Frankreich mit seinem „Pacte de Responsabilité et de Solidarité“ vorsieht.

Wachstumsfördernde Impulse laufen allerdings ins Leere, wenn die notwendigen Strukturreformen ausbleiben. Der Rückgang der Produktivität und nicht zuletzt die Krise haben die Haushaltsspielräume aller europäischen Länder stark eingeschränkt. Je eher die Strukturreformen umgesetzt werden, desto eher werden wieder Spielräume in den Haushalten geschaffen, die wir zur Förderung der Wirtschaft und zur Bewahrung unseres Sozialmodells brauchen.

Frankreich braucht Reformen, die Arbeitsmarkt und Unternehmensinvestitionen beleben. Dazu müssen Eintrittsbarrieren abgebaut und Regelungen abgeschafft werden, die mittelständische Unternehmen behindern.

Gleichzeitig muss Deutschland die inländischen Investitionen fördern, damit das Land seinen Wettbewerbsvorteil auch in Zukunft bewahren kann. Ein stärkerer Wettbewerb und eine größere Produktivität im Dienstleistungssektor wirken sich ebenfalls positiv auf das Wachstumspotenzial aus und machen die Volkswirtschaft unabhängiger von den Schwankungen der Weltwirtschaft.

Auf europäischer Ebene kommt die Investitionsinitiative des künftigen Präsidenten der Europäischen Kommission zur rechten Zeit. Diese neuen Instrumente - ein besserer Einsatz der Strukturfonds und der Kredite der Europäischen Investitionsbank, Projektanleihen und Initiativen anderer Förderbanken - sollten vor allem Ländern mit eingeschränktem Haushaltsspielraum zu Gute kommen. Die Mittel sollten als Fremd- und Eigenkapital bereitgestellt werden. Mehr Eigenkapital für innovative Projekte kann die Wirtschaft produktiver und weniger krisenanfällig machen.

Es liegt im Interesse aller Mitgliedsländer, sich gegenseitig zu unterstützen, genauso wie sie gegenseitig vom wirtschaftlichen Erfolg profitieren. Wir Europäer wünschen uns eine Gesellschaft, die Arbeitsplätze schützt und neue schafft. Europa hat dieses Versprechen in der Vergangenheit erfüllt und kann das auch heute. Wirtschafts-, Haushalts- und Geldpolitik müssen dafür Hand in Hand gehen. Alle Entscheidungsträger und Institutionen sollten diese Herausforderung gemeinsam meistern.

*Jörg Asmussen drückt hier seine persönliche Meinung aus, und nicht die der Bundesregierung

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