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Was macht den Euro erfolgreich?

Rede von Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der EZB,
Investmentforum 2011,
Salzburg, 21. März 2011

Meine (sehr geehrten) Damen und Herren,

ich möchte mich ganz herzlich für die Einladung zu dieser Veranstaltung bedanken.

Von dem österreichischem Ökonomen Joseph Schumpeter stammt die Behauptung, „dass sich im Geldwesen eines Volkes alles spiegelt, was dieses Volk will, erleidet, ist. … Nichts sagt so deutlich, aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut.“

In meinen Vortrag möchte ich daher darauf eingehen, warum unsere gemeinsame Währung und unsere gemeinsame Geldpolitik für unseren Wohlstand und das Wachstum und die Stabilität unserer Volkswirtschaften von Bedeutung sind. Die vergangenen 12 Jahre haben gezeigt: der Euro ist nicht nur mit niedriger Inflation einhergegangen, er hat sich auch als Schutzschild in der Krise bewährt.

Ich möchte aber auch darüber sprechen, dass Anstrengungen vonnöten sind, wenn wir den Erfolg des Euros nicht gefährden wollen. Anstrengungen besonders vonseiten der Regierungen, wirtschafts- und finanzpolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, die für eine gemeinsame Währung fundamental sind. Anstrengungen aber auch von Finanzmarktteilnehmern und Aufsehern hinsichtlich der Gewährleistung von Finanzmarktstabilität als essentielle Voraussetzung von währungspolitischer und makroökonomischer Stabilität.

Bei seiner Einführung 1999 und der Bargeldeinführung in 2002 schlugen dem Euro zum Teil Kritik und Skepsis entgegen. Heute ist der Euro die gemeinsame Währung von 17 Ländern mit über 330 Millionen Einwohnern. Der Euro hat sich als Erfolgsgeschichte entpuppt. Mit einer durchschnittlichen Inflationsrate im Eurogebiet von knapp unter 2% in den ersten 12 Jahren ist der Euro mindestens so stabil wie die Deutsche Mark oder der Österreichische Schilling es waren. Und dies trotz schwieriger Umstände für die Geldpolitik, wie beispielsweise die jüngste Finanzkrise oder den vorausgegangenen Verwerfungen der Öl- und Rohstoffpreise (mit einem Anstieg der Ölpreise bis zu 145$ pro Barrel). Aber auch im internationalen Vergleich schneidet der Euro gut ab. Die regionalen Unterschiede bei Inflation und Wachstum im Eurogebiet sind in etwa vergleichbar mit den regionalen Unterschieden in den Vereinigten Staaten. Außerdem hat sich der Euro hinter dem Dollar als zweitwichtigste Reservewährung etabliert und Anleger vertrauen dem Euro bei Anlagen in auf Euro lautenden Titeln.

Lassen Sie mich Ihnen im Folgenden:

  • kurz einen Einblick in unsere aktuelle Einschätzung der wirtschaftlichen Lage geben;

  • erläutern wie die einheitliche Währung bei der Bewältigung der Finanzmarktkrise geholfen hat;

  • einen Überblick über die Finanzmarktreformen in der Europäischen Union geben;

  • erläutern was noch zu tun ist, um die Stabilität des Euros dauerhaft zu sichern.

Wirtschaftliche Lagebeurteilung des Euroraums

Lassen Sie mich zunächst erläutern, wie die EZB gegenwärtig die wirtschaftlichen Perspektiven aus geldpolitischer Sicht einschätzt. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Euroraums haben wir eine Reihe positiver Signale. Die Konjunktur befindet sich auf einem Erholungspfad. Seit dem Tiefpunkt im zweiten Quartal 2009 hat sie knapp die Hälfte der rezessionsbedingten Produktionsverluste wieder wettgemacht. Das bislang noch relativ geringe Wachstum entspricht den Erfahrungen anderer Volkswirtschaften nach schweren Finanzkrisen. Eine Besonderheit der gegenwärtigen Erholung im Vergleich zu vorangegangenen Aufschwungsphasen ist lediglich der relativ geringe Wachstumsbeitrag, der von den privaten Konsumausgaben ausgeht.

Dennoch gibt es auch hier ein paar positive Signale. Was die privaten Haushalte betrifft, so stabilisiert sich die Situation an den Arbeitsmärkten. Dies dürfte die Kaufkraft der Bürger und damit die Binnennachfrage stärken. Bei der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden waren die Auswirkungen der Krise weitaus deutlicher zu spüren als bei der Erwerbstätigenzahl. Deshalb schlug sich der Aufschwung auch stärker in den geleisteten Arbeitsstunden nieder. Außerdem pendelte sich die Arbeitslosenquote bei rund 10,0 % ein .

In der näheren Zukunft dürfte sich die allmähliche Belebung der Konjunktur im Euroraum fortsetzen. Alle verfügbaren Prognosen deuten darauf hin. Die jüngsten Prognosen von Experten der EZB erwarten ein reales Wirtschaftswachstum zwischen 1.3% und 2.1% in diesem Jahr sowie zwischen 0.8% und 2.8% im nächsten Jahr. Dabei werden nunmehr verbesserte Wachstumsperspektiven bei den Exporten und der Inlandsnachfrage vorausgesagt. Insgesamt bestätigen die jüngsten Wirtschaftsdaten, dass die konjunkturelle Grunddynamik im Euroraum positiv ist.

Mit Blick auf die Konjunktur und die mittelfristigen Risiken der Preisstabilität bereitet allerdings der starke Anstieg des Ölpreises zunehmend Sorge. Im Lichte der erhöhten geopolitischen Unsicherheiten verteuerte sich ein Barrel der führenden Nordsee-Ölsorte Brent seit Jahresbeginn in der Spitze um rund 25 Prozent auf fast 117 Dollar. Der Anstieg der Ölpreise hat bereits deutlich sichtbare Auswirkungen auf die Inflationsrate in der Euro-Zone gehabt. Die Inflationsrate von zuletzt 2,4 Prozent im Februar wird wegen des anhaltend hohen Ölpreises auch in den kommenden Monaten deutlich über zwei Prozent liegen.

Was unsere Einschätzung in Bezug auf die mittelfristigen Aussichten für die Preisentwicklung angeht, so erwarten unsere Experten in ihren jüngsten Projektionen für den Euroraum eine Inflationsrate zwischen 2,0 % und 2,6 % für dieses Jahr und zwischen 1,0 % und 2,4 % für nächstes Jahr. Dabei ist zu betonen, dass die jüngsten Ölpreissteigerungen darin noch nicht voll berücksichtigt sind, und die Prognosen von der Fortsetzung der Lohnzurückhaltung im Euroraum ausgehen. Offen ist außerdem noch, ob indirekte Steuern und administrierte Preise aufgrund der in den kommenden Jahren erforderlichen Haushaltskonsolidierung stärker erhöht werden als derzeit angenommen.

In diesem Umfeld ist natürlich hohe Wachsamkeit erforderlich und wir beobachten die Lage genau. Sollten sich mittelfristige Inflationsrisiken andeuten, ist der EZB-Rat bereit und entschlossen, rechtzeitig zu handeln.

Unsere Lagebeurteilung zusammenfassend, kann man also von einer gut fundierten Konjunkturerholung ausgehen. Den Ölpreisbedingten Anstieg der Inflation beobachten wir sehr genau. Diese doch recht positive Einschätzung der wirtschaftlichen Lage, meine Damen und Herren ist nicht zuletzt auch einem stabilen Euro, einer stabilitätsorientierten Geldpolitik und unserem entschlossenen Eingreifen zur Stabilisierung des Bankensektors in der Finanzkrise zu verdanken. Lassen Sie mich dies etwas näher erläutern.

Die Finanzkrise als Bewährungsprobe des Euros

Die Finanzkrise hat den Euro und die Wirtschaft des Eurogebiets vor eine harte Bewährungsprobe gestellt. In der Finanzkrise hat der EZB-Rat bewiesen, dass er jederzeit notwendige Maßnahmen beschlieβen kann und im Stande ist, einen wichtigen Beitrag zur Finanzstabilität zu leisten.

Nur durch das rasche Eingreifen der EZB konnte verhindert werden, dass sich eine Liquiditäts- und Vertrauenskrise zu einer systemischen Krise ausweitet. Die Europäische Zentralbank reagierte sofort – noch am 9. August 2007 – auf die plötzlich auftretenden Spannungen in den Geldmärkten. Seitdem hat das Eurosystem die Stabilität am Interbankenmarkt mit umfangreicher Liquiditätszufuhr unterstützt. Die EZB senkte innerhalb von nur 7 Monaten den Leitzins um 325 Basispunkte auf ein Niveau von nur 1%. Um die Finanzierungsbedingungen und die Kreditvergabe zusätzlich zu unterstützen, führte das Eurosystem in den vergangenen zweieinhalb Jahren eine Reihe zeitlich befristeter Sondermaßnahmen durch, um dem Bankensysten zusätzliche Liquidität bereitzustellen.

Die Finanzkrise hat schnell deutlich gemacht, dass Geldpolitik nur im harmonischen Zusammenspiel mit den nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken erfolgreich sein kann. Zahlreiche Regierungen verabschiedeten umfangreiche Kapitalstärkungs- und Garantiemaßnahmen für den Finanzsektor und Konjunkturstabilisierungsmaßnahmen zur Abfederung des realwirtschaftlichen Abschwungs. Zusammen mit dem von den Regierungen beschlossenen Stabilitätsfonds, haben die Sondermaßnahmen der EZB eine stabilisierende Wirkung auf den Finanzsektor und die wirtschaftliche Aktivität im Eurogebiet entfaltet. Die vereinten Anstrengungen haben zur Finanzstabilität und zur wirtschaftlichen Erholung des Euroraums beigetragen.

In den letzten Monaten hat sich die Lage auf dem Geldmarkt im Euro-Währungsgebiet weiter aufgehellt. Insgesamt fragen die Banken deutlich weniger Liquidität nach als davor. Seit dem vergangenen Sommer haben sich die Zinsspreads im Interbanken-Geldmarkt (EONIA) zunehmend normalisiert, und haben in etwa das Niveau erreicht, das vor Beginn der Finanzkrise im August 2007 herrschte. Diese Entwicklungen deuten auf ein gestiegenes Vertrauen zwischen den Banken im Euroraum hin. Mit ihrem entschlossenen Einschreiten hatte die EZB maβgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Ein Blick auf andere wichtige Geldmärkte (beispielsweise in den USA und in England) zeigt, dass vergleichbare Fortschritte beim Rückgang der Zinsspreads erreicht wurden. Auch dort griffen die Notenbanken mit Zinssenkungen und umfangreichen Sondermaβnahmen ein.

Die Stabilisierungsmaßnahmen der Regierungen hatten allerdings einen Preis. So hat die Finanzkrise zu einer Belastung der öffentlichen Finanzen geführt, und zwar nicht nur in den Euro-Ländern, sondern in allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Am deutlichsten ist dies daran zu erkennen, dass die öffentlichen Defizite und die staatlichen Schuldenquoten innerhalb von kurzer Zeit in die Höhe geschnellt sind. In Folge der Finanzkrise haben die Haushaltslücken in anderen Industrieländern, wie beispielsweise dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und Japan, sogar zweistellige Werte erreicht. Im Euroraum lag das öffentliche Defizit laut Herbstprognose 2010 der Europäischen Kommission im vergangenen Jahr bei 6,3 % des BIP und für dieses Jahr wird ein Rückgang auf 4,6 % des BIP erwartet. Diese Werte stellen deutliche Überschreitungen der geforderten 3%-Obergrenze des Stabilitäts- und Wachstumspakts dar.

Die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen in einigen Eurostaaten hat das Anlegervertrauen in Staatsanleihen dieser Eurostaaten beeinträchtigt und zu weiteren Verwerfungen an den Finanzmärkten geführt. Dies ist auch in einem starken Anstieg der Kosten für Kreditausfallversicherungen für Staatsanleihen einiger Eurostaaten sichtbar. Diese zusätzlichen Verwerfungen haben nicht nur weitere Instabilitäten im Finanzsystem erzeugt, sondern auch unser geldpolitisches Handeln beeinflusst.

Daher können wir aus dem Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise zwei Erkenntnisse für die Geldpolitik ziehen. Erstens, eine stabilitätsorientierte Geldpolitik kann nur auf der Basis eines stabilen Finanzsystems erfolgreich sein. Und zweitens, eine stabilitätsorientierte Geldpolitik für den Euroraum braucht eine ebenfalls stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik aller Euroländer.

Lassen Sie mich daher auf diese zwei Aspekte näher eingehen, nämlich, erstens, die Notwendigkeit eines stabilen Finanzsystems und, zweitens, die Sicherung der Stabilität des Euros durch eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Finanzmarktreformen in der Europäischen Union

Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass Verwerfungen in den Finanzmärkten massive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben können. Die Krise, die Ihren Ursprung in den Märkten für komplexe Finanzprodukte hatte, weitete sich schnell in eine Krise in weiten Teilen des Finanzmarktes aus. Die Konsequenzen waren ein Rückgang der Kredite an Haushalte und Unternehmen und ein Wachstumseinbruch in der Eurozone von -4% in 2009.

Zwar sind die Ursachen der Finanzkrise vielschichtig und komplex, aber um derartige Fehlentwicklungen in Zukunft zu vermeiden, sind tiefgreifende Reformen erforderlich, die zu einer verbesserten Regulierung und Überwachung an den Finanzmärkten führen.

Über die Notwendigkeit von verbesserter Regulierung und Aufsicht gibt es breiten Konsensus. Die G20 Staaten haben früh Reformen angestrebt, an denen der Baseler Ausschuss für Finanzmarktregulierung und das Financial Stability Board (FSB) seither arbeiten.

Insgesamt wurde in der Reform der Finanzmarktregulierung bereits einiges erreicht. Besonders mit der Einigung über die neuen Finanzmarktregelungen „Basel III“ des Baseler Ausschusses. Diese sehen eine deutliche Anhebung der bisherigen Kapitalanforderungen und der Liquiditätshaltung für die Finanzinstitute vor. Auch im Bereich von bisher unregulierten oder weniger regulierten Finanzinstituten, wie Investment Fonds und Rating Agenturen werden erste Schritte in Richtung mehr Transparenz unternommen.

Banken agieren international und Finanzströme sind global geworden. Regulierung und Aufsicht sind hingegen größtenteils national organisiert und tragen diesen Entwicklungen nicht genügend Rechnung. Daher begrüße ich die Reformen auf dem Gebiet der Finanzmarktaufsicht sehr. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich auf eine neue Struktur für die Finanzaufsicht in der EU geeinigt, um künftigen Finanzmarktstörungen besser vorzubeugen. Die drei neu geschaffenen Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESA) für die Banken, Versicherungen und Märkte zusammengesetzt, haben ihre Arbeit Anfang 2011 aufgenommen und sollen die mikroprudenzielle Aufsicht stärken.

Die Finanzkrise hat uns aber nicht nur daran erinnert, dass Banken international tätig sind, sondern hat uns auch gelehrt, dass Verwerfungen innerhalb eines Finanzinstituts durch die engen finanziellen Verflechtungen weitreichende Konsequenzen für das gesamte Finanzsystem haben können. Risiken für das gesamte Finanzsystem können von einzelnen Finanzinstituten, aber auch bestimmten Teilen des Finanzmarktes oder Finanzprodukten ausgehen. Diese systemischen Konsequenzen zu identifizieren und zu überwachen sind im öffentlichen Interesse. In Europa wurde daher der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) geschaffen, der mit der so genannten makroprudenziellen Aufsicht in der EU betraut ist. Der ESRB mit Sitz in Frankfurt soll einen Beitrag leisten um in Zukunft besser auf systemische Risiken eingehen zu können. Dies soll insbesondere durch die verbesserte Frühwarnung der politischen Entscheidungsträger hinsichtlich systemischer Risiken erreicht werden.

Wir haben seit Beginn der Finanzkrise im Bereich der Reform der Finanzmarktregulierung und –aufsicht viel erreicht. Aber unsere Anstrengungen müssen weitergehen. Lassen Sie mich drei Punkte nennen, die ich für besonders wichtig erachte:

Erstens, bedarf es der kontinuierlichen Ausweitung des regulatorischen Netzes. Die Krise hat die Bedeutung von systemweiten Risiken sichtbar gemacht. Um der systemischen Natur von Risiken besser zu entgegnen, müssen alle systemisch relevanten Finanzinstitutionen, Märkte und Infrastrukturen in der Regulierung berücksichtigt und gleichbehandelt werden. Die gilt besonders, wenn die regulatorischen Anforderungen an den traditionellen Bankensektor strikter werden. Was die systemisch relevanten Finanzinstitute angeht muss auch weiter darüber nachgedacht werden, ob zusätzliche regulatorische Anforderungen nötig sind und wie man diese Institute an den Kosten einer Krise beteiligen kann.

Zweitens, bedarf es größerer Transparenz im Bereich des außerbörslichen Handels und den Aktivitäten der Nicht-Banken. Transparenz kann erreicht werden, indem mehr Finanzprodukte über zentrale Handelsplattformen wie z.B. Börsen gehandelt und über Clearinghäuser abgewickelt werden. Aufgrund ihrer wachsenden Bedeutung ist es besonders wichtig, dass Clearinghäuser über ein entsprechendes Risikomanagement verfügen. Darüber hinaus müssen Aktivitäten der Nicht-Banken transparenter werden. Dazu gehört auch, die Qualität und Plausibilität der Risikobewertungen von Rating-Agenturen zu verbessern.

Und drittens, sind auch die Banken selber gefordert. Zur Eigenverantwortung der Banken gehört besonders, ihr Corporate Governance Modell hinsichtlich Risikobewertung, Anreizstrukturen und Vergütung zu überdenken.

Sicherung der Stabilität des Euros in Zukunft

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf den zweiten Aspekt kommen, der für die Stabilität des Euros zentral ist: eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Um möglichen systemischen Konsequenzen verbunden mit der Staatsschuldensituation in einigen Eurostaaten rechtzeitig und entschlossen zu begegnen, haben die Regierungschefs der EU auf die Schaffung eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Wahrung der Finanzstabilität im gesamten Euroraum geeinigt. Dieser Mechanismus löst die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ab, die zeitlich befristet noch bis Juni 2013 zur Verfügung steht. Der ESM kann aktiviert werden, wenn die Finanzstabilität im Euroraum insgesamt gefährdet ist. Etwaige Finanzbeihilfen sollen in Form von Krediten an die betroffenen Mitgliedsländer unter Einhaltung strikter Konditionalität vergeben werden.

Ich halte diesen Beschluss für einen wichtigen Beitrag, die Stabilität der Finanzsystems und damit die Stabilität des Euros zu sichern. Gleichwohl sollte die Existenz dieses Mechanismus Staaten nicht dazu veranlassen mit einer Korrektur des wirtschaftspolitischen Kurses zu lange zu warten und u.a. auf die Hilfe der anderen Eurostaaten vertrauen.

Um dies zu verhindern ist es notwendig, den dauerhaften Stabiltätsmechanismus mit einer grundlegenden Stärkung des Regelwerks zur Einhaltung fiskalischer Ziele und Wettbewerbsfähigkeit zu flankieren. Eine wirksame Reform des Rahmens für die Haushaltsüberwachung im Euroraum und die makroökonomische Überwachung ist daher dringlich geboten. Die van-Rompuy-Arbeitsgruppe und die Europäische Kommission haben Vorschläge eingebracht wie diese beiden Elemente verbessert werden können. Die Vorschläge sehen eine Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts vor. Insbesondere sollen mögliche Sanktionen für Migliedsländer mit Defizitüberschreitungen früher greifen als bisher. Im nächsten Jahr soll auch eine erweiterte makroökonomische Überwachung im Euroraum beginnen. Diese sieht die Einführung eines Frühwarnmechanismus vor, der auf einer Reihe bereits festgelegter wirtschaftlicher Indikatoren beruht. Dabei ist es die Aufgabe der Europäischen Kommission, mögliche makroökonomische Ungleichgewichte und Überschreitungen mit Hilfe dieser Indikatoren zu erkennen und die politischen Instanzen darüber zu informieren.

Aus Sicht der EZB sind die bisherigen Reformanstrengungen auf beiden Gebieten noch nicht weitreichend genug. Zwar ist der EZB-Rat der Ansicht, dass die vorgelegten Vorschläge der Europäischen Kommission einen Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Überwachung im Eurogebiet leisten können. Sie bleiben jedoch hinter dem Quantensprung zurück, der für die Überwachung im Euroraum und zur Gewährleistung einer reibungslosen Funktionsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion notwendig ist. Bei der Haushaltsüberwachung bedarf es eines stärkeren Automatismus des Verfahrens und der Definition klarer und verbindlicher Regelungen zur Rückführung von Schuldenquoten. Bei der makroökonomischen Überwachung müssen klare finanzielle Sanktionen definiert werden. Es bedarf eines Fokus auf die Länder, in denen Wettbewerbsverluste zu verbuchen sind, um sicherzustellen, dass der neue Rahmen tatsächlich auf lange Sicht wirksam ist. Auβerdem erfordert das Verfahren transparente und effektive Auslösemechanismen.

Die Stabilität des Euros, die Stabilität des Finanzsystems und eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik müssen in Zukunft sehr viel stärker Hand in Hand gehen. Die Währungsunion wurde als Wirtschafts- und Währungsunion konzipiert. Wir brauchen endlich auch das zweite Standbein.

Die EZB hat ihren Beitrag mit einer stabilitätsorientierten Geldpolitik, Gewährleistung von Preisstabilität und krisenbedingten Liquiditätsmaßnahmen geleistet. Nun sind die angesprochenen Politikbereiche gefordert, Ihren Beitrag zu leisten, und die Stabilität des Finanzsystems und unsere gemeinsamen Währung langfristig zu sichern.

Ein einheitlicher Markt und eine einheitliche Währung erfordern auch eine gut koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dafür braucht es klare Regeln und klare Mechanismen diese zu überwachen.

Lassen Sie mich daher zusammenfassend die drei Kernbereiche nennen, die mir für den dauerhaften Erfolg des Euros wichtig erscheinen. Dies sind: eine solide Fiskalpolitik, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und ein stabiles Finanzsystem.

1. Solide Fiskalpolitik

Solide öffentliche Finanzen sollten durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt garantiert werden. Dennoch: die Regeln des Paktes wurden – auch schon vor der Finanzkrise - zu sehr außer Acht gelassen. Es ist daher vordringlich, dass, erstens die derzeitige Haushaltskonsolidierung der Eurostaaten den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts folgt. Und, zweitens, die Einhaltung und Bindung des Stabilitäts- und Wachstumspakts verbessert wird.

2. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum

Stabile Preise sind eine Grundvoraussetzung für nachhaltiges Wachstum und zusätzliche Arbeitsplätze. Genauso wichtig ist die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer. Ein zu starker Anstieg in Lohnstückkosten und Leistungsbilanzungleichgewichte haben in den vergangen Jahren in einigen Euroländern zu einem deutlichen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit geführt. Dies hatte zur Folge, dass einige Länder nicht flexibel genug auf die Herausforderungen der Krise reagieren konnten, was ein Nachlassen des Wirtschafts- und Produktivitätswachstum und einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Hier sind Wirtschaftsreformen nötig, die Wachstum und Beschäftigung nachhaltig fördern. Derartige Reformen müssen darauf abzielen die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Hierfür braucht es flexible Arbeits- und Produktmärkte, langfristig angelegte Infrastrukturverbesserungen sowie Wettbewerb und vor allem die Förderung von Innovation durch Investitionen in Ausbildung und Forschung.

3. Stabiles Finanzsystem

Die Finanzkrise hat die Bedeutung systemischer Risiken sichtbar gemacht. Es wurde deutlich, dass die Analyse von Gefahren, die sich aus der wechselseitigen Verstärkung von Einzelrisiken für die Stabilität des Finanzsystems und für die Volkswirtschaft insgesamt ergeben können, ungenügend war. Die Regierungen und Zentralbanken haben ihren Beitrag geleistet das Finanzsystem zu stabilisieren. Für dauerhafte Stabilität sind aber institutionelle Reformen erforderlich, die zu einer verbesserten Regulierung und Überwachung führen. Außerdem muss darüber nachgedacht werden, wie der Privatsektor selbst die Folgen einer Finanzkrise besser abfedern kann, um die Anreize für risikobewusstes und an langfristigen Zielen ausgerichtetes wirtschaften im Finanzbereich zu stärken.

Meine Damen und Herren, der Euro hat in den letzten 12 Jahren einen wichtigen Beitrag geleistet, um Europas Wirtschaft nachhaltig stabiler zu machen. Wenn wir mit Entschlossenheit die notwendigen Reformen auf den Weg bringen, dann kann die EZB die Stabilität des Euros heute wie morgen sicherstellen. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Erfolgsgeschichte des Euro auch in Zukunft zum Wohle aller EU Bürger fortsetzen wird.

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