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Zur Bedeutung der 50-jährigen Stabilitätsgeschichte der D-Mark für Europa und die künftige Europäische Währung

Vortrag des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Dr. Willem F. Duisenberg, aus Anlaß des 50-jährigen Jubiläums der D-Mark am 19. Juni 1998 im Haus der Geschichte in Bonn

Sehr geehrter Herr Minister, meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist eine große Freude für mich, heute aus Anlaß des fünfzigjährigen Jahrestages der Geburtsstunde der Deutschen Mark zu Ihnen sprechen zu dürfen. Man kann mit Fug und Recht sagen, daß die D-Mark in diesen 50 Jahren eine außergewöhnliche, zu Beginn wohl nicht einmal in den kühnsten Träumen erwartete Erfolgsgeschichte erlebte. Eine Geschichte, die - gestatten Sie mir das gleich zu Anfang meiner kurzen Rede zu betonen - mit dem Euro eine einzigartige Bestätigung und Fortsetzung erfährt.

Im Rückblick auf die wirtschaftliche und auch politische Entwicklung Deutschlands im letzten halben Jahrhundert besteht aller Grund zur Zufriedenheit; man denke nur an die desolate wirtschaftliche Lage und die Zerrüttung des Geldwesens zu Beginn der Nachkriegszeit. Mit der Entscheidung zur Einführung der D-Mark stellten die westlichen Alliierten damals die entscheidende Weiche. Die mutige und weitsichtige Durchsetzung marktwirtschaftlicher Strukturen vor allem durch Ludwig Erhard bildete die wesentliche Grundlage für den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands und für die Erfolgsgeschichte der D-Mark. Diese Erkenntnis ist auch heute von zentraler Bedeutung für die Europäische Währung, den Euro.

Anerkennung für den Erfolg der D-Mark gebührt insbesondere der Deutschen Bundesbank und ihrer Vorgängerin, der 1948 gegründeten Bank deutscher Länder, denn auf lange Sicht wird die Stabilität einer Währung von einer umsichtigen, vorausschauend handelnden Geldpolitik und der daraus resultierenden angemessenen Liquiditätsversorgung der Wirtschaft bestimmt. Ohne ihre Unabhängigkeit, ohne eine ausgeprägte Stabilitätskultur, ohne die breite Unterstützung in der Bevölkerung und ohne eine solide Finanz- und Wirtschaftspolitik wäre es allerdings auch für die Bundesbank nicht möglich gewesen, die D-Mark zu dem zu machen was sie heute ist.

Gestatten Sie mir deshalb den Hinweis, daß auch das Europäische System der Zentralbanken die tatkräftige Unterstützung der Finanz- und Wirtschaftspolitik in den Teilnehmerstaaten benötigt, und zwar vor allem in Form einer Finanzdisziplin entsprechend den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Ebenso wichtig sind weitere strukturelle, marktwirtschaftlich orientierte Reformen. Eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast, die Flexibilisierung der Arbeits- und Produktmärkte sowie weitere Lohnzurückhaltung sind entscheidende Ansatzpunkte zur dringend gebotenen nachhaltigen Verbesserung der Beschäftigungssituation. Eine so ausgerichtete Politik würde es dem Europäischen System der Zentralbanken erleichtern, die Preisstabilität dauerhaft zu sichern und damit gleichzeitig den besten Beitrag der Geldpolitik zum langfristigen Abbau der Arbeitslosigkeit zu leisten.

Zu den Lehren aus der Stabilitätsgeschichte der D-Mark für den Euro gehört ferner, daß sich die Bundesbank mit großer Resonanz nicht nur zu rein geldpolitischen Fragen, sondern auch zu Themen aus anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik zu Wort gemeldet hat. Entsprechende Analysen und Stellungnahmen werden ein Teil der Kommunikationspolitik des Europäischen Systems der Zentralbanken sein. Auch auf diesem Wege kann ein Beitrag zur Verwirklichung der in Artikel 2 im EU Vertrag festgelegten Ziele der Gemeinschaft geleistet werden.

Das hohe Maß an innerer und äußerer Stabilität sowie die internationale Anerkennung, die sich die D-Mark im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte erworben hat, sind zugleich Grundlage und Symbol der insgesamt positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in dieser Zeit. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, daß nicht wenige Menschen in Deutschland dieses Jubiläum - angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der Gründung der Europäischen Zentralbank zu Beginn dieses Monats und dem Start der Europäischen Währungsunion am 1. Januar 1999 - mit etwas Wehmut, ja vielleicht auch mit Sorge sehen. Der "Abschied von der D-Mark" fällt gewiß nicht leicht.

Es ist jedoch keinesfalls gerechtfertigt zu behaupten, die Europäischen Währungsunion brächte auch den Abschied von einer stabilen und international anerkannten Währung. Um dies deutlich zu machen, ist es besonders wichtig, die Menschen darüber zu informieren, daß die Inflationsrate in den Ländern, die den Euro einführen bei zwei Prozent oder darunter liegt. Dies weist der Konvergenzbericht des EWI mit bezug auf den Harmonisierten Verbraucherpreisindex aus. Auch für deutsche Maßstäbe ist das ein sehr gutes Ergebnis, das deutlich unter dem Inflationsdurchschnitt der letzten 10 oder 20 Jahre liegt. Die Notenbanken der Teilnehmerländer haben in den letzten Jahren - in einigen Fällen sind dies mittlerweile zwei Jahrzehnte - klar unter Beweis gestellt, daß sie der Deutschen Bundesbank im Kampf gegen die Inflation und im Stabilitätswillen um nichts nachstehen.

Der Beitrag der Stabilitätsgeschichte der D-Mark für die europäische Integration im allgemeinen und die Entwicklung zur Währungsunion im besonderen ist zweifellos herausragend. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, daß viele Nachbarländer die D-Mark als Anker für ihre Währungen ausgewählt haben und auch in schwierigen Zeiten diese Anbindung verteidigen konnten. Ebenso erwähnenswert ist die Tatsache, daß die strikte Stabilitätsorientierung und die praktizierte Unabhängigkeit der Bundesbank zum Vorbild für das Notenbankstatut des EU-Vertrags wurde. Nach Lage der Dinge sind damit - sowie mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt - die bestmöglichen Grundlagen für einen stabilen Euro geschaffen.

Manche Skepsis gegenüber dem Euro hängt wohl auch damit zusammen, daß man die bewährte D-Mark gegen ein neues, noch unbekanntes Geld eintauscht. Die Menschen neigen wohl generell dazu, die in der Beibehaltung der gegebenen Strukturen liegenden künftigen Risiken zu unterschätzen, gerade dann, wenn bisher alles so gut gelaufen ist wie das bei der D-Mark der Fall ist. Vielfach wird übersehen, daß auch eine Entscheidung gegen die Währungsunion und für die Beibehaltung der D-Mark angesichts veränderter Umfeldbedingungen mit zahlreichen, teilweise neuen Risiken verbunden gewesen wäre. Gewiß, eine so weitreichende Entscheidung wie die Einführung des Euro ist auch nicht völlig ohne Risiken, dies liegt in der Natur der Sache. Ich bin jedoch überzeugt, daß die Chancen klar überwiegen.

Die Entscheidung für den Euro muß auch vor dem Hintergrund eines sich für uns alle rapide ändernden weltwirtschaftlichen Umfeldes gesehen werden. Wir müssen uns der Tatsache der zunehmenden Vernetzung und Interdependenzen in der Welt stellen. Es gibt keine Alternative zur Europäischen Integration. Der großen Aufgabe, diese zum Erfolg zu führen, ist man mit der Entscheidung für die Währungsunion sicher ein Stück näher gekommen. Die fünfzigjährige Stabilitätsgeschichte der D-Mark hat dazu nicht nur wesentlich beigetragen, sie ist auch Ansporn und Verpflichtung für die Europäische Zentralbank, die in besonderer Weise in der Stabilitätskontinuität der Deutschen Bundesbank steht.

Die Geldpolitik des Europäische System der Zentralbanken wird und muß dabei stets auf den Euro-Währungsraum als Ganzes ausgerichtet sein; auf die spezifische Lage in einzelnen teilnehmenden Ländern wird sie darüber hinaus nicht gezielt reagieren können. Auch das ist eine Lehre, die sich aus der deutschen Geldpolitik ziehen läßt, die ebenfalls stets auf das gesamte Währungsgebiet der D-Mark und nicht auf einzelne Bundesländer ausgerichtet war.

Lassen Sie mich noch einige kurze Schlußbemerkungen anfügen. In fünfzigjähriger Arbeit haben die Menschen und die verantwortlichen Institutionen in Deutschland eine stabile und weltweit anerkannte Währung geschaffen und damit in hervorragender Weise den Boden für eine Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte auf europäischer Ebene bereitet. Ich bin überzeugt, diese Tatsache gibt den Menschen in Deutschland allen Grund, etwaige Wehmut und Sorge beim "Abschied von der D-Mark" in Freude und auch Zuversicht umzuwandeln.

Es ist sicher keine leichte Aufgabe, den Euro zu einer ebenso stabilen und weltweit geachteten Währung wie die D-Mark zu machen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, daß meine Kollegen und ich alles daran setzen werden, dieses Ziel zu erreichen. Die Atmosphäre und die Ergebnisse der Arbeit in den ersten Wochen der Existenz der Europäischen Zentralbank stimmen mich in dieser Hinsicht durchaus optimistisch.

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