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Document 52005AB0007

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 17. März 2005 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (KOM(2003) 783 endg.) (CON/2005/7)

OJ C 81, 2.4.2005, p. 10–17 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

2.4.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 81/10


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 17. März 2005

auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (KOM(2003) 783 endg.)

(CON/2005/7)

(2005/C 81/08)

Einführung

1.

Am 31. Januar 2005 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (nachfolgend der „Beschlussvorschlag“) ersucht (1).

2.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 105 Absatz 4 erster Gedankenstrich des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Der einzige Zweck des Beschlussvorschlags besteht darin, die Unterzeichnung des Übereinkommens im Namen der Gemeinschaft zu befugen. Der Beschlussvorschlag des Rates ist aus den folgenden Gründen ein „Vorschlag für einen Rechtsakt der Gemeinschaft“ im Sinne des Artikels 105 Absatz 4 des Vertrags:

ein internationales Abkommen ist für die Gemeinschaft verbindlich und ist ein integraler Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung (2) und

der Beschluss eines Gemeinschaftsorgans, der die Unterzeichnung eines internationalen Abkommens, das Rechtswirkungen in der Gemeinschaft erzeugen soll, im Namen der Gemeinschaft befugt, ist ein Rechtsakt der Gemeinschaft (3).

Das Übereinkommen betrifft den Zuständigkeitsbereich des Eurosystems und der EZB unmittelbar, da es:

i)

Auswirkungen auf das reibungslose, effiziente und zuverlässige Funktionieren der Verrechnungs- und Zahlungssysteme im Euro-Währungsgebiet (Artikel 105 Absatz 2 des Vertrags und Artikel 3.1 und 22 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank) haben könnte und

ii)

Auswirkungen auf die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet (Artikel 105 Absatz 2 des Vertrags und Artikel 3.1 der Satzung), insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung des Eurosystems, seine Kreditgeschäfte auf der Grundlage ausreichender Sicherheiten abzuschließen (Artikel 18.1 der Satzung), haben könnte.

Die EZB stellt fest, dass das Übereinkommen im Falle seiner Unterzeichnung und Ratifikation durch die Gemeinschaft ab dem Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens unmittelbare Auswirkungen auf zentrale Bestimmungen in Rechtsakten der Gemeinschaft hätte, zu denen die EZB und das Europäische Währungsinstitut (EWI) in der Vergangenheit angehört worden sind (4).

Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

3.

Mit dem Übereinkommen soll ein allgemein anwendbares Kollisionsrecht geschaffen werden, mit dem die Rechtsordnung bestimmt wird, die auf bestimmte Fragen der Verwahrung, Übertragung und Besicherung von Wertpapieren, die Depotkonten gutgeschrieben sind (nachfolgend „buchmäßig verwaltete Wertpapiere“) und Intermediär- sowie mit Auslandsbezug verwahrt werden, Anwendung findet. Gemäß seiner Präambel ist das Übereinkommen von dem Gedanken getragen, „dass es in einem großen und weiter wachsenden globalen Finanzmarkt in der Praxis dringend notwendig ist, Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit im Hinblick auf die Rechtsordnung zu schaffen, die auf Wertpapiere anzuwenden ist, die jetzt gewöhnlich unter Einschaltung von Clearing- und Abrechnungs- und Liefersystemen oder anderen Intermediären verwahrt werden“, und dient dem Ziel, „rechtliche Risiken, systemische Risiken und damit einhergehende Kosten … zu verringern, um den internationalen Kapitalfluss und den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern.“ Artikel 4 Absatz 1 enthält die Hauptanknüpfungsregel des Übereinkommens. Gemäß dieser Bestimmung ist auf alle vom Übereinkommen erfassten Fragen die geltende Rechtsordnung des Staates anzuwenden, dessen Rechtsordnung der Intermediär und der Depotinhaber in der Kontovereinbarung ausdrücklich als für diese maßgeblich vereinbart haben, oder wenn in der Kontovereinbarung ausdrücklich vorgesehen ist, dass auf alle diese Fragen eine andere Rechtsordnung anzuwenden ist, diese andere Rechtsordnung. Diese Hauptanknüpfungsregel wird durch den so genannten „Realitäts-Test“ abgemildert, da der betreffende Intermediär nach dem Übereinkommen im Zeitpunkt der Vereinbarung eine Geschäftsstelle in dem jeweiligen Staat haben muss, die im Rahmen einer geschäftlichen oder anderen regelmäßigen Tätigkeit Depotkonten führt (nachfolgend das „Erfordernis einer maßgeblichen Geschäftsstelle“). Das Übereinkommen schafft damit ein Kollisionsrecht, das hauptsächlich auf der Vertragsfreiheit des betreffenden Intermediärs und des Depotinhabers beruht, die zur Vermeidung einer willkürlichen Rechtswahl nur dem Erfordernis einer maßgeblichen Geschäftsstelle unterliegt. In dem Übereinkommen sind drei Regeln zur hilfsweisen Festlegung der anzuwendenden Rechtsordnung vorgesehen, wenn die Parteien der Kontovereinbarung keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben.

4.

Das Übereinkommen bestimmt zum einen die auf die Rechtsnatur der sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergebenden Rechte und die Wirkung dieser Rechte gegenüber einem Intermediär anzuwendende Rechtsordnung und die auf die Rechtsnatur einer Verfügung über Intermediär-verwahrte Wertpapiere und die Wirkung einer solchen Verfügung gegenüber einem Intermediär anzuwendende Rechtsordnung. Zum anderen bestimmt es die auf die Rechtsnatur der sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergebenden Rechte und die Wirkung dieser Rechte gegenüber Dritten anzuwendende Rechtsordnung und die auf die Rechtsnatur einer Verfügung über Intermediär-verwahrte Wertpapiere und die Wirkung einer solchen Verfügung gegenüber Dritten anzuwendende Rechtsordnung, einschließlich der Frage, ob das Recht einer Person an Intermediär-verwahrten Wertpapieren ein konkurrierendes Recht zum Erlöschen bringt oder ihm gegenüber Vorrang hat. Im Hinblick auf die weite Definition des Internationalitätserfordernisses in Artikel 3 des Übereinkommens im Sinne von „alle Sachverhalte, die eine Verbindung zu den Rechtsordnungen verschiedener Staaten aufweisen“ dürfte das Übereinkommen über die üblichen kollisionsrechtlichen Sachverhalte hinaus auf alle Sachverhalte Anwendung finden, die buchmäßig verwaltete Wertpapiere mit Auslandsbezug betreffen (siehe die Absätze 3-1 bis 3-5 des erläuternden Berichts zum Haager Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (nachfolgend der „Bericht zum Haager Übereinkommen“) und die Absätze 3-8 und 3-9, die die Reichweite des Internationalitätserfordernisses erläutern).

Allgemeine Erwägungen

5.

Die EZB bestätigt, dass die Ex-ante-Rechtssicherheit hinsichtlich der Rechtsordnung, die auf bestimmte Fragen der Verwahrung, Übertragung und Besicherung von buchmäßig verwalteten und Intermediär- sowie mit Auslandsbezug verwahrten Wertpapieren Anwendung findet, und die Verringerung systemischer Risiken, die durch diesbezügliche Unsicherheiten entstehen können, von entscheidender Bedeutung sind. Die EZB sieht auch die Vorteile eines allgemein anwendbaren und einheitlichen Kollisionsrechts — wie es durch das Übereinkommen geschaffen wird — bei der Verbesserung der Effizienz und Flexibilität sowohl der europäischen als auch der globalen Finanzmärkte. Die EZB begrüßt deshalb generell die Zielsetzung des Übereinkommens.

6.

Bei ihrer Stellungnahme auf Ersuchen des Rates zur Richtlinie über Finanzsicherheiten (5) hat die EZB Folgendes festgestellt: „… [die EZB] befürwortet …, dass durch die Einführung einer klaren und einheitlichen Regelung zur Bestimmung des Belegenheitsortes vom im Effektengiro übertragbaren Vermögenswerten Rechtssicherheit im Hinblick auf die grenzüberschreitende Nutzung dieser Vermögenswerte geschaffen wird, wobei die in der Finalitätsrichtlinie enthaltenen Grundsätze zugrunde gelegt und weiter ausgearbeitet werden. Dies wird nicht nur die Effizienz der zur Durchführung der einheitlichen Geldpolitik erforderlichen Geschäfte verbessern, in deren Rahmen das Eurosystem Geschäftspartnern Liquidität gegen dingliche Sicherheiten im inländischen und grenzüberschreitenden Rahmen zur Verfügung stellt, sondern auch die Rechtssicherheit und Effizienz der Geschäfte erhöhen, bei denen Marktteilnehmer diese Liquidität durch Transaktionen, die individuellen Überschuss- oder Mangelsituationen entsprechen, untereinander ausgleichen … In diesem Zusammenhang weist die EZB die betroffenen Stellen, insbesondere die Mitgliedstaaten, dringend darauf hin, im Rahmen der ständigen Beratungen auf Ebene der Haager Konferenz zum Internationalen Privatrecht über den Entwurf eines Übereinkommens über, das auf Verfügungen über im Rahmen von indirekten Verwahrsystemen verwahrte Wertpapiere anwendbare Recht' eine Lösung zu erarbeiten, die im Einklang mit den in Artikel 10 des Richtlinienvorschlags und Artikel 9 Absatz 2 der Finalitätsrichtlinie festgelegten Grundsätzen steht“ (6).

7.

Darüber hinaus stellt die EZB fest, dass die Gemeinschaft richtigerweise versucht hat, die Probleme bei der Anwendung des üblichen Grundsatzes der lex rei sitae auf buchmäßig verwaltete Wertpapiere durch die Entwicklung kollisionsrechtlicher Regeln zu lösen, die den „Look-through-Ansatz“ ablehnen und die anzuwendende Rechtsordnung auf der Grundlage des Ortes bestimmen, an dem das betreffende Depotkonto belegen oder eingetragen ist, unterhalten und/oder geführt wird.

Die EZB verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme (7), Insolvenzverfahren im Allgemeinen (8), die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (9) sowie von Kreditinstituten (10) und insbesondere über Finanzsicherheiten (11).

8.

Darüber hinaus stellt die EZB fest, dass die Regeln, auf die sich die Verfasser des Übereinkommens schließlich geeinigt haben, entscheidend von den Kollisionsregeln abweichen, die gegenwärtig in den Mitgliedstaaten auf die mehrstufige Verwahrung buchmäßig verwalteter Wertpapiere Anwendung finden und auf vorstehend genannte Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zurückgehen. Die EZB nimmt die für diese Abweichung im Bericht zum Haager Übereinkommen angegebenen Gründe zur Kenntnis (siehe Absätze Int-41 bis 46, 4-4, 4-24 und 4-25). Die EZB ist sich auch darüber im Klaren, dass es in einem zunehmend integrierten globalen Finanzsystem in manchen Fällen schwierig ist, einen bestimmten Belegenheitsort eines Depotkontos für kollisionsrechtliche Zwecke zu ermitteln. Die EZB ist sich der diesbezüglichen Herausforderungen bewusst, denen sich Finanzmarktteilnehmer stellen müssen, die grenzüberschreitend tätig sind, und möchte konstruktiv zum Beschluss allgemein anwendbarer und einheitlicher Regeln beitragen.

9.

Dennoch haben nach der Auffassung der EZB die bestehenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, Rechtssicherheit zu schaffen und systemische Risiken innerhalb der Gemeinschaft zu verringern. Es ist deshalb erforderlich, sorgfältig zu untersuchen, ob der Ansatz des Übereinkommens in einigen Schlüsselbereichen ein höheres Maß an Rechtssicherheit und ein höheres Schutzniveau vor systemischen Risiken bietet als die bestehenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft. Die EZB ist der Auffassung, dass das Übereinkommen in dieser Hinsicht etliche möglicherweise bedeutsame Fragen aufwirft, die die Gemeinschaft vor einem Beschluss über die Ersetzung ihrer gegenwärtigen Rechtsvorschriften durch das Übereinkommen untersuchen sollte. Die EZB schlägt vor, diese Fragen im Rahmen einer umfassenden Abschätzung der Folgen des Übereinkommens aus der Sicht der Gemeinschaft zu behandeln (siehe Absatz 20).

Spezielle Erwägungen

Unterschiedliche anzuwendende Rechtsordnungen in einem System oder einer Verwahrstelle

10.

Bei früheren Stellungnahmen zu Entwürfen nationaler Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie über Finanzsicherheiten hat die EZB Folgendes festgestellt: „Die EZB möchte darauf hinweisen, dass alle am Rechtssetzungsverfahren Beteiligten die möglichen Auswirkungen des Übereinkommens auf die Systemstabilität und die Behandlung besicherter Geschäfte eingehend untersuchen sollten, um eine Aushöhlung des bestehenden Schutzniveaus zu vermeiden. Dies könnte unter anderem die Beschränkung der Rechtswahl für dingliche Rechte an Wertpapieren, die auf Depotkonten eines systemisch wichtigen Systems gehalten werden (insbesondere bei vom Eurosystem geprüften und genutzten Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen), auf das Recht, dem das System unterliegt, sowie sonstige Maßnahmen einschließen, die dem Schutz systemischer Finalität, Sicherheit und Transparenz dienen“ (12). In diesem Zusammenhang möchte die EZB auch auf die „Standards for Securities Clearing and Settlement in the European Union“ (Standards für die Wertpapierverrechnung und -abwicklung in der Europäischen Union) hinweisen, die von der EZB und dem Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators, CESR) (nachfolgend die „ESZB-CESR-Standards“) veröffentlicht worden sind (13). Diese Standards enthalten Grundsätze für Sicherheit, Stabilität und Effizienz bei der Wertpapierverrechnung und -abwicklung. Standard 1 lautet: „Wertpapierverrechnungs- und -abwicklungssysteme sowie Verbindungen zwischen diesen sollen eine fundierte, eindeutige und transparente rechtliche Grundlage in den betreffenden Rechtsordnungen haben.“ Auf Seite 15 des ESZB/CESR-Berichts von September 2004 wird festgestellt, dass dieser Standard, der unter anderem an zentrale Wertpapierverwahrstellen („central securities depositories“, CSDs) und wichtige Verwahrer gerichtet ist, bedeute, dass für die Zwecke systemischer Risiken die Harmonisierung von Regeln vorangetrieben werden sollte, um Abweichungen aufgrund unterschiedlicher nationaler Regeln und rechtlicher Rahmenbedingungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Insbesondere vergrößere die Anwendung einer Vielzahl von Rechtsordnungen innerhalb eines Systems die rechtliche Komplexität und könne möglicherweise Auswirkungen auf die Systemstabilität haben. Durch die Finalitätsrichtlinie seien diese Risiken geringer geworden, indem in der Richtlinie eindeutige Regeln über die auf das System anzuwendende Rechtsordnung und die auf die Rechte und Verpflichtungen eines Teilnehmers bei einer Insolvenz anzuwendende Rechtsordnung festgelegt wurden. Gleichermaßen sollte die Zahl der Rechtsordnungen, die im Zusammenhang mit einem System gewählt werden, so gering wie möglich gehalten werden. Abhängig von einer Analyse der rechtlichen Risiken könne es sich als ratsam erweisen, nur eine Rechtsordnung als die auf die vermögensrechtlichen Aspekte aller den Depotkonten der Teilnehmer im System gutgeschriebenen Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung zu wählen. Ebenso sollte sich die Rechtswahl auf eine Rechtsordnung beschränken, der die vertraglichen Aspekte der Rechtsbeziehung zwischen dem System und jedem seiner Teilnehmer unterliegt. Idealerweise sollte die gewählte Rechtsordnung der Rechtsordnung entsprechen, der das System unterliegt, um systemische Finalität, Sicherheit und Transparenz zu gewährleisten (siehe den ESZB/CESR-Bericht von September 2004, Nr. 37).

11.

Nach den gegenwärtigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft entspricht die Rechtsordnung, der das Wertpapierabwicklungssystem („securities settlement system“, SSS) oder die CSD unterliegen, der Rechtsordnung, der die vermögensrechtlichen Aspekte der Rechte unterliegen, die sich aus buchmäßig verwalteten Wertpapieren ergeben, die durch dieses SSS oder diese CSD verwahrt werden. Diese Rechtsvorschriften gewährleisten dadurch Rechtssicherheit und Transparenz und beugen systemischen Risiken vor. Wenn man das Übereinkommen mit den gegenwärtigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft vergleicht, ist unklar, ob das Übereinkommen, das durchaus die Rechtssicherheit bei der in der Praxis schwierigen Ermittlung des Belegenheitsortes eines Depotkontos für kollisionsrechtliche Zwecke erhöhen mag, nicht gleichzeitig dadurch Rechtsunsicherheit hervorruft, dass nach dem Übereinkommen möglicherweise innerhalb desselben SSS oder derselben CSD verschiedene divergierende Rechtsordnungen gleichzeitig anzuwenden sind. Die Bestimmung der Rechtsordnung, die auf die Rechte anzuwenden ist, die sich aus buchmäßig verwalteten Wertpapieren ergeben, auf der Grundlage der in der Vereinbarung zwischen dem SSS oder der CSD und dem Depotinhaber getroffenen Rechtswahl kann theoretisch dazu führen, dass innerhalb eines SSS oder einer CSD diese vermögensrechtlichen Aspekte verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen. Zu diesen Rechtsordnungen können auch eine oder mehrere Rechtsordnungen außerhalb des Landes, in dem das SSS oder die CSD belegen sind, oder sogar Rechtsordnungen von Ländern außerhalb der Gemeinschaft gehören. Wenn die maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht harmonisiert werden, können die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Rechtsordnungen auf die Wirksamkeit von Abrechnungen möglicherweise die Stabilität des gesamten Systems gefährden und zu systemischen Risiken führen. Dies gilt insbesondere, wenn die in der Kontovereinbarung getroffene Rechtswahl kein der Finalitätsrichtlinie vergleichbares Schutzniveau bietet. Darüber hinaus können die Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen und/oder die Anwendung der Rechtsordnung eines Drittlandes die Wahrnehmung der Überwachungs- und Regulierungsaufgaben gegenüber einem SSS oder einer CSD durch die zuständigen Behörden des Landes, in dem das SSS oder die CSD belegen ist, möglicherweise erschweren.

12.

Die EZB räumt ein, dass es in der Praxis nicht die Absicht der in der Gemeinschaft belegenen SSSs oder CSDs sein mag, dass die vermögensrechtlichen Aspekte der buchmäßig verwalteten Wertpapiere innerhalb des Systems unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen können, da dies die Vertretbarkeit der Wertpapiere, die innerhalb des Systems verwahrt, übertragen oder verpfändet werden und den Schutz der Wirksamkeit von Abrechnungen für Systemteilnehmer gemäß der Finalitätsrichtlinie gefährden würde, oder dass diese Aspekte nur einer Rechtsordnung unterliegen können, die nicht mit der Rechtsordnung identisch ist, der das System gemäß der Finalitätsrichtlinie unterliegt. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies tatsächlich eintritt, wenn das Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert wird. In Anbetracht dieser Möglichkeit ist die EZB der Auffassung, dass die Auswirkungen des Übereinkommens auf die Wirksamkeit von Abrechnungen und damit im Zusammenhang stehende Aspekte der Abwicklung und Verwahrung in der Gemeinschaft erheblich sind und Probleme mit systemischen Risiken hervorrufen können. Dies ist ein weiterer Aspekt, der im Rahmen einer Abschätzung der Folgen des Übereinkommens in der gesamten Gemeinschaft geprüft werden sollte (siehe Absatz 20).

Rechte Dritter

13.

Was die Auswirkungen des Übereinkommens auf die Rechte Dritter angeht, stellt die EZB zunächst fest, dass in Fällen, in denen ein Gläubiger des Depotinhabers die Wertpapiere pfänden oder arrestieren lässt, die gemäß dem Übereinkommen bestimmte Rechtsordnung den Vorrang des Rechts des Pfändungs- oder Arrestgläubigers an den Wertpapieren und die Pflichten des Intermediärs gegenüber diesem Gläubiger bestimmt (Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben d und e des Übereinkommens). Aufgrund in verschiedenen Mitgliedstaaten geltender Rechtsvorschriften, nach denen die Pfändung oder der Arrest buchmäßig verwalteter Wertpapiere und die Durchsetzung von Rechten an solchen Wertpapieren der Rechtsordnung des Belegenheitsortes der Wertpapiere unterliegt und sich die gerichtliche Zuständigkeit für deren Pfändung oder Arrest und Durchsetzung ebenfalls nach dem Belegenheitsort der Wertpapiere richtet, findet die gemäß dem Übereinkommen bestimmte Rechtsordnung nicht unbedingt auch auf die gerichtlichen Zuständigkeitsvoraussetzungen und die prozessrechtlichen Erfordernisse für die Pfändung oder den Arrest und die anschließende Durchsetzung Anwendung. Selbst wenn das Übereinkommen die bestehenden gerichtlichen Zuständigkeitsvoraussetzungen und die prozessrechtlichen Erfordernisse für die Pfändung oder den Arrest und die Durchsetzung unverändert lässt — die Untersuchung dieser Frage steht noch aus — könnte das Übereinkommen wichtige Änderungen in der gerichtlichen Praxis bewirken. Das Übereinkommen könnte insbesondere zu einem beträchtlichen Anstieg der Fälle führen, in denen ein für die Pfändung oder den Arrest buchmäßig verwalteter Wertpapiere oder die Durchsetzung von Rechten an solchen Wertpapieren zuständiges Gericht zur Bestimmung der Rechtsnatur und des Vorrangs der Rechte des Pfändungs- oder Arrestgläubigers an den betreffenden Wertpapieren ausländische Rechtsvorschriften, d. h. die nach dem Übereinkommen anzuwendende Rechtsordnung, anwenden muss. Die Verfasser des Übereinkommens waren sich dieser Problematik bewusst, als sie feststellten, dass die auf vermögensrechtliche Fragen anzuwendende Rechtsordnung die Rechtsordnung des Ortes sein sollte, an dem die Eintragung der Rechte geführt wird und Verfügungen bezüglich des betreffenden Vermögensgegenstandes effektiv durchgesetzt werden können (14). Gesetzliche Pfand- und Zurückbehaltungsrechte sind ein weiteres Beispiel für die Auswirkungen des Übereinkommens auf die Rechte Dritter. Der Anwendungsbereich des Übereinkommens ist zwar auf bestimmte gesetzliche Pfand- und Zurückbehaltungsrechte zugunsten des Intermediärs des Depotinhabers beschränkt (Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c des Übereinkommens). Das Übereinkommen kann gleichwohl beträchtliche Auswirkungen auf andere gesetzliche Pfand- und Zurückbehaltungsrechte an buchmäßig verwalteten Wertpapieren (z. B. Steuerpfandrechte) haben, da das Übereinkommen beispielsweise den Vorrang solcher gesetzlichen Pfand- und Zurückbehaltungsrechte bestimmt (siehe Absatz 1-31 des Berichts zum Haager Übereinkommen).

14.

Obwohl darüber hinaus der eine Vertragspartner eines Geschäfts mit buchmäßig verwalteten Wertpapieren den andere Vertragspartner zumindest vertraglich dazu verpflichten könnte, Informationen bezüglich der in der betreffenden Kontovereinbarung getroffenen Rechtswahl zu liefern, fehlt es im Übereinkommen an Transparenz gegenüber Dritten. Dritte, wie z. B. Gläubiger des Depotinhabers, die die Wertpapiere zur Sicherung oder Befriedigung einer Forderung pfänden oder arrestieren lassen wollen, verfügen möglicherweise über konkurrierende Rechte an den Wertpapieren oder haben zumindest ein berechtigtes Interesse, den Belegenheitsort der Wertpapiere zu ermitteln. Abgesehen von möglichen gesetzlichen Offenlegungsverboten aufseiten des betreffenden Intermediärs und/oder entsprechenden Bestimmungen in der Kontovereinbarung ist es für Dritte sehr schwierig, vom Depotinhaber Informationen zu der in der Vereinbarung zwischen dem Depotinhaber und dem Intermediär getroffenen Rechtwahl einzuholen. Zwar ist es auch bei einer Kollisionsregel, die an den Belegenheitsort des Depotkontos anknüpft, nicht immer einfach für Dritte, den Ort zu ermitteln, an dem ihre Schuldner Depotkonten mit buchmäßig verwalteten Wertpapieren unterhalten. Die freie Rechtswahl nach dem Übereinkommen bedeutet jedoch, dass bei der Durchsetzung konkurrierender Rechte Dritter an buchmäßig verwalteten Wertpapieren, z. B. durch Pfändung oder Arrest, die auf diese Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung lediglich an das subjektive Kriterium der Rechtswahl anknüpft, die in der häufig vertraulichen Kontovereinbarung getroffen wird, die sogar so geändert werden kann, dass eine andere Rechtsordnung anzuwenden ist (Artikel 7 Absatz 1 des Übereinkommens), und sich die anzuwendende Rechtsordnung entsprechend diesem subjektiven Kriterium ändert. Die möglichen Auswirkungen des Übereinkommens auf die Rechte und das schutzwürdige Vertrauen Dritter, die im vorliegenden Absatz und im vorangehenden Absatz erläutert worden sind, sind ein weiterer Grund, eine vorherige Abschätzung der Folgen des Übereinkommens vor dessen Unterzeichnung durchzuführen (siehe Absatz 20).

Harmonisierung des materiellen Wertpapierrechts

15.

Die im Übereinkommen festgelegten kollisionsrechtlichen Regelungen würden sich möglicherweise nicht auf die Rechtssicherheit auswirken, wenn das materielle Recht der Verwahrung, Übertragung und Besicherung buchmäßig verwalteter, Intermediär-verwahrter Wertpapiere innerhalb der Gemeinschaft einheitlich wäre oder wenn das Recht eines Drittlandes weltweit Anwendung fände. Obwohl nach Auffassung der EZB klare und effektive, harmonisierte kollisionsrechtliche Regelungen zweifellos dazu beitragen, die Unsicherheiten im Rahmen der grenzüberschreitenden mehrstufigen Verwahrung buchmäßig verwalteter Wertpapiere zu beseitigen, sollte eine Reform des Kollisionsrechts jedoch idealerweise als integraler Bestandteil einer weitreichenderen Reform behandelt werden, die auch Aspekte des materiellen Rechts umfasst. Eine solche Reform und Harmonisierung des materiellen Rechts würde die Auswirkungen einer vertraglichen Rechtswahl verringern. In diesem Zusammenhang begrüßt die EZB sehr die Einrichtung und die Arbeit der Sachverständigengruppe der Europäischen Kommission für Fragen der Rechtssicherheit auf dem Gebiet von Clearing und Abrechnung (nachfolgend die „Sachverständigengruppe Rechtssicherheit“), durch die sich die einmalige Gelegenheit bietet, beide Reformen zu kombinieren und eine einzige, konsistente Lösung zu erzielen, die von der Kommission befürwortet wird. Im Hinblick auf die zunehmend integrierten globalen Finanzmärkte beobachtet die EZB darüber hinaus auch genau den Fortschritt, den Unidroit bei der globalen Harmonisierung des materiellen Rechts buchmäßig verwalteter Wertpapiere durch den „Vorläufigen Entwurf eines Übereinkommens über harmonisierte materielle Rechtsvorschriften in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere“ (nachfolgend der „Unidroit-Übereinkommensentwurf“) macht. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Unidroit auch die Schwierigkeiten anerkennt, die mit einer isolierten Reform des Kollisionsrechts verbunden sind, indem es feststellt, dass es sogar bei Vorliegen einer klaren und bewährten kollisionsrechtlichen Regelung möglich sei, dass die Rechtsvorschriften zweier oder mehrerer Rechtsordnungen auf alle Aspekte eines Sachverhalts Anwendung fänden, da sich aus der kollisionsrechtlichen Prüfung nicht notwendigerweise dieselbe Lösung für jeden einzelnen Aspekt eines Sachverhalts ergibt (siehe die Begründung zum Unidroit-Übereinkommensentwurf, Seite 10, siehe auch Absatz 17). Angesichts des bestehenden Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich ist die EZB nicht überzeugt, dass eine zwingende oder dringende Notwendigkeit für die Gemeinschaft besteht, das Übereinkommen anzunehmen. Die EZB empfiehlt, zumindest auf Gemeinschaftsebene die Harmonisierung der kollisionsrechtlichen Regelungen im Einklang mit der Harmonisierung des materiellen Rechts durchzuführen.

Auswirkungen sonstiger Rechtsvorschriften

16.

Ein weiterer, die Rechtssicherheit betreffender Gesichtspunkt besteht darin, dass das Übereinkommen nicht gewährleistet, dass nur eine einzige Rechtsordnung auf die Fragen Anwendung findet, die von ihm erfasst werden. Das Übereinkommen sieht vor, dass die Anwendung der nach dem Übereinkommen bestimmten Rechtsordnung dann versagt werden darf, wenn die Wirkungen ihrer Anwendung mit der öffentlichen Ordnung („ordre public“) des Staates des angerufenen Gerichts, das das Übereinkommen anwendet, offensichtlich unvereinbar wären (Artikel 11 Absatz 1 des Übereinkommens, der die klassische Ausnahme des „ordre public“ enthält). Darüber hinaus hindert das Übereinkommen nicht die Anwendung der Rechtsnormen des Staates des angerufenen Gerichts, die unabhängig davon, welche Rechtsordnung Anwendung findet, auch auf internationale Sachverhalte angewendet werden müssen (Artikel 11 Absatz 2 des Übereinkommens, der die klassische Ausnahme der „zwingenden Vorschriften“ enthält). Ungeachtet dessen, dass die Auswirkungen dieser Rechtsvorschriften über den ordre public oder zwingende Vorschriften gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Übereinkommens eingeschränkt werden, ist es fraglich, ob ein Gericht nur in „außergewöhnlich seltenen Fällen“ (siehe Absatz 11-1 des Berichts zum Haager Übereinkommen) die Anwendung der nach dem Übereinkommen bestimmten Rechtsordnung gemäß Artikel 11 Absätze 1 oder 2 versagen oder einschränken würde. Zum Beispiel könnte ein Land, in dem ein SSS oder eine CSD belegen ist, solche zwingenden Vorschriften erlassen, um unter anderem zu gewährleisten, dass der rechtliche und operationale Rahmen, der der Wertpapierinfrastruktur, einschließlich der Depotkonten, zugrunde liegt, solide und effektiv ist.

17.

Generell und unabhängig von den unmittelbaren Auswirkungen von Artikel 11 Absätze 1 oder 2 des Übereinkommens stellt die EZB fest, dass in vielen Rechtsordnungen eine beträchtliche Anzahl sonstiger Rechtsvorschriften, die verschiedene Fragen in Bezug auf Wertpapiere und/oder Depotkonten zum Gegenstand haben und meistens öffentlich-rechtlicher Natur sind, hinsichtlich ihrer Anwendung auf den Belegenheitsort dieser Wertpapiere und Depotkonten verweisen. Nach den geltenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die vermögensrechtliche Aspekte von Wertpapieren betreffen, treffen die Rechtsvorschriften über den Belegenheitsort mit der Rechtsordnung zusammen, der diese vermögensrechtlichen Aspekte unterliegen. Wenn die geltenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft durch das Übereinkommen ersetzt werden und selbst wenn diese sonstigen Rechtsvorschriften Fragen zum Gegenstand hätten, die nicht in Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens aufgeführt sind, könnten diese sonstigen Rechtsvorschriften und die Bestimmungen des Übereinkommen sich dennoch unmittelbar oder mittelbar aufeinander auswirken. Auch Unidroit bestätigt diese Möglichkeit. Aspekte z. B. des Vertrags-, Gesellschafts-, Insolvenz, Sachen- und Wertpapierrechts dürften oder dürften nicht Gegenstand von Rechtswahlbestimmungen sein, und die kollisionsrechtlichen Regeln könnten in Bezug auf bestimmte Aspekte auf verschiedene Rechtsordnungen verweisen. Bestimmte, zuvor nicht vorhergesehene Regelungslücken, Unklarheiten, Komplikationen und Beschränkungen könnten jedoch — zumindest innerhalb eines angemessenen Zeitraums — eine fundierte rechtliche Lösung verhindern. Unvollkommenheiten in einem inländischen Rechtsrahmen könnten Schwierigkeiten in Bezug auf Aspekte bereiten, auf die eine andere Rechtsordnung Anwendung findet usw. Somit sei festzustellen, dass es wahrscheinlich sei, dass die Rechtsunsicherheit durch grenzüberschreitende Verwahrungen und Verfügungen zunehmen wird (siehe die Begründung zum Unidroit-Übereinkommensentwurf, Seite 10). Diese Auswirkungen könnten z. B. auch die Erhebung statistischer Daten durch die EZB (siehe Artikel 5 der Satzung) betreffen, bei der das Bestreben besteht, die Formvorschriften für Meldungen innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens auf ein Mindestmaß zu beschränken und bei der eine Änderung der gegenwärtigen Kollisionsregeln die Meldung grenzüberschreitender Wertpapiertransaktionen und -positionen beeinträchtigen könnte. Das mögliche Bestehen eines solchen Zusammenhangs zwischen einer Kollisionsregel und dem sie umgebenden Rahmen sonstiger einschlägiger Rechtsvorschriften spricht ebenso dafür, eine vorherige umfassende Abschätzung der Folgen des Übereinkommens in der Gemeinschaft und der Harmonisierung des materiellen Wertpapierrechts durchzuführen (siehe Absatz 20).

Möglichkeit der Ausnahme

18.

Schließlich weist die EZB kurz darauf hin — wie in Absatz 1-37 des Berichts zum Haager Übereinkommen dargelegt wird — dass unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, gemäß Artikel 1 Absatz 5 des Übereinkommens einige bestimmte SSSs oder CSDs vom Übereinkommen auszunehmen, auch für andere, ähnliche Systeme von Bedeutung sein kann. Die Folgen, die eine solche Ausnahme auf den Betrieb eines SSS und auf buchmäßig verwaltete Wertpapiere hat, die von einem SSS verwahrt werden, wurden noch nicht untersucht und sollten deshalb auch eingehender geprüft werden.

Abschließende Erwägungen

19.

Da die vorliegende Anhörung die Frage betrifft, ob ein internationales Abkommen im Namen der Gemeinschaft unterzeichnet werden soll, konzentriert und beschränkt sich diese Stellungnahme auf allgemeine Erwägungen, die von unmittelbarer Bedeutung für Ratschläge an den Rat hinsichtlich der Frage sind, ob die Unterzeichnung des Übereinkommens zu befugen ist oder nicht. Die EZB hat weitere rechtliche und technische Anmerkungen zu dem Übereinkommen, sie ist jedoch der Ansicht, dass diese Anmerkungen im Rahmen einer von der Gemeinschaft durchgeführten Folgenabschätzung angemessener behandelt werden könnten.

20.

Zusammenfassend stellen die gegenwärtigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über die Rechtsordnung, die auf die Verwahrung, Übertragung und Besicherung mehrstufiger, buchmäßig verwalteter und Intermediär-verwahrter Wertpapiere anzuwenden ist, eine Verbesserung der Rechtssicherheit und des Schutzes gegen systemische Risiken innerhalb der Gemeinschaft dar. Das Übereinkommen bietet einen möglichen Ansatz zur Lösung berechtigter Fragen, die aufgrund der Schwierigkeit entstehen, in einem zunehmend integrierten, globalen Finanzsystem den Belegenheitsort eines Depotkontos in bestimmten Fällen für kollisionsrechtliche Zwecke eindeutig zu bestimmen. Die EZB befürwortet das Ziel, ein allgemein anwendbares Kollisionsrecht in diesem Bereich zu schaffen. Sie würde jedoch im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen des Übereinkommens und die geltenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft eine umfassende vorherige Abschätzung der Folgen des Übereinkommens in der Gemeinschaft begrüßen. Die EZB und das Eurosystem, für die die mit dem Übereinkommen verbundenen Gesichtspunkte der systemischen Risiken von größter Wichtigkeit sind, sind bereit, im Rahmen der Aufgaben des Eurosystems gemäß Artikel 105 Absatz 5 des Vertrags zu einer solchen Folgenabschätzung einen Beitrag zu leisten. Um einem offenen Ergebnis nicht im Wege zu stehen, sollte diese Folgenabschätzung vor der Erörterung der Frage einer möglichen Unterzeichnung des Übereinkommens durchgeführt werden, da die bestehenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zufrieden stellend sind und die Unterzeichnung des Übereinkommens nicht dringend oder zwingend erfordern. Die Initiativen der Gemeinschaft im Bereich von Clearing und Abwicklung sowie die Notwendigkeit einer schnellen Reform und Harmonisierung des materiellen Rechts buchmäßig verwalteter Wertpapiere, die die Integration der Finanzmärkte in der Gemeinschaft verbessern würde, bleiben von einer solchen Folgenabschätzung unberührt.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 17. März 2005.

Der Präsident der EZB

Jean-Claude TRICHET


(1)  KOM(2003) 783 endg.

(2)  Siehe z. B. das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 30. April 1974 (Rs. C-181/73, R. & V. Haegeman/Belgischer Staat, Slg. 1974, I-449) Randnr. 5.

(3)  Siehe z. B. das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 9. August 1994 (Rs. C-327/91, Französische Republik/Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1994, I-3641) Randnrn. 15 bis 17.

(4)  Siehe die Stellungnahme CON/2001/13 der EZB vom 13. Juni 2001 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten (ABl. C 196 vom 12.7.2001, S. 10), die Stellungnahme CON/96/09 des EWI zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Endgültigkeit der Abrechnung und die Stellung von Sicherheiten in Zahlungssystemen (ABl. C 156 vom 21.5.1998, S. 17) und die Stellungnahme CON/96/02 des EWI zu einer Konsultation durch den Rat der Europäischen Union gemäß Artikel 109f Absatz 6 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (nachfolgend als „EG-Vertrag“ bezeichnet) und Artikel 5.3 der Satzung des Europäischen Währungsinstituts über einen geänderten Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sanierung und Liquidation der Kreditinstitute (ABl. C 332 vom 30.10.1998, S. 13).

(5)  Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43).

(6)  Siehe die Stellungnahme CON/2001/13 der EZB, Absätze 6 und 19.

(7)  Siehe Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und –abrechnungssystemen (ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45, nachfolgend die „Finalitätsrichtlinie“). Siehe auch die Stellungnahme CON/96/09 des EWI.

(8)  Siehe Artikel 14 dritter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 1).

(9)  Siehe Artikel 25 Buchstabe c der Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 28).

(10)  Siehe Artikel 24 und Artikel 31 dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. L 125 vom 5.5.2001, S. 15). Siehe auch die Stellungnahme CON/96/09 des EWI.

(11)  Siehe Artikel 9 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe h der Richtlinie 2002/47/EG. Siehe auch die Stellungnahme CON/2001/13 der EZB.

(12)  Siehe Absatz 13 der Stellungnahme CON/2003/11 der EZB vom 26. Juni 2003 auf Ersuchen des Bundesministeriums für Justiz zum Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem die Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten in österreichisches Recht umgesetzt wird. Siehe auch Absatz 13 der Stellungnahme CON/2004/27 der EZB vom 4. August 2004 auf Ersuchen des belgischen Finanzministeriums zu einem Gesetzentwurf über Finanzsicherheiten und verschiedene steuerrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Bestellung dinglicher Sicherheiten und Krediten für Finanzinstrumente.

(13)  Diese Standards können unter www.ecb.int und www.cesr-eu.org abgerufen werden.

(14)  Siehe den Bericht über die Sitzung der Arbeitsgruppe von Experten (vom 15. bis 19. Januar 2001) und die damit zusammenhängenden informellen Arbeiten des Ständigen Büros zu der auf Verfügungen über Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendenden Rechtsordnung, S. 17.


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